„WENN OURY GEWUSST HÄTTE, WIE DIESER RECHTSTAAT HIER FUNKTIONIERT…“
Ein Interview mit Mouctar Bah, Gründer der Initiative und Vertreter der Familie Jallohs in Deutschland
Vorab:
…FREISPRUCH FÜR MOUCTAR BAH…VORWURF DER BELEIDIGUNG, UNHALTBAR…
Mouctar Bah, Mitbegründer der Initiative Oury Jalloh, sollte sich heute vor dem Amtsgericht Dessau, wegen „Beleidigung“ verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, 4 Polizeibeamten als „Niggerkiller“ bezeichnet zu haben. Im Laufe der Verhandlung stellte sich raus, dass die Zeugenaussagen der Beamten dann wohl doch recht unprofessionell abgesprochen waren, und dass die Identifizierung von Mouctar Bah, an Hand der Kleidung (rotes kariertes Hemd), offensichtlich nicht ausreichte. Besonders auffallend war innerhalb der Schlussbemerkung des Richters, dass er davon ausging, dass der Begriff des „Niggerkillers“ sich auch auf einen der Beschuldigten zum Tode Oury Jallohs beziehen könne.(…..) Anwälte, Richter und Staatsanwältin waren sich einig, dass Mouctar Bah freigesprochen wird…….. (danke an Radiokombinat für die Information)
Mehr Information zu dem Prozessverlauf zum Tode von Oury Jalloh, und einer bundesweiten Demonstration, am 2.August in Dessau, unter: www.initiativeouryjalloh.wordpress.com
BREAK THE SILENCE
„WENN OURY GEWUSST HÄTTE, WIE DIESER RECHTSTAAT HIER FUNKTIONIERT…“
Ein Interview mit Mouctar Bah, Gründer der Initiative und Vertreter der Familie Jallohs in Deutschland
Es sind nun 43 Monate seit dem Mord an Oury Jalloh und mehr als 16 Monate nach dem die Verhandlung gegen zwei Polizisten geöffnet worden ist. Wie fühlst Du Dich nach so einem langen Kampf gegen kollektiven Vertuschung und systematischer Lügerei?
Ich fühle mich dabei ganz, ganz schleckt. Ich finde es unmöglich, wie im Gerichtsaal immer noch versucht wird, zu vertuschen und zu lügen. Und dabei ohne Rücksicht auf den Richter oder das Gericht. Ich finde das ganz, ganz schleckt.
Wie läuft der Prozess in Dessau gegen Schubert und März?
Genauso wie vorher. Der läuft noch immer, aber auf jeden fall nicht in unserem Sinne, nicht in Übereinstimmung mit unseren Forderungen. Wie soll ich das erklären? Wir erwarten so viel von diesem Prozess: die Wahrheit, eine Aufklärung, wie sie Oury Jalloh umgebracht haben. Aber das kommt nicht in diesem Gericht. Ich frage mich die ganze Zeit warum das beim Gericht nicht rauskommt, obwohl es genug Beweismitteln gibt, dass sie lügen.
Warum kommt die Wahrheit nicht raus?
Einfach weil sie die Wahrheit nicht sagen möchten, wie sie Oury Jalloh umgebracht haben. Und wie soll ich das sagen? Es ist schwer zu erklären. Das ist ein Kollektivterrorism – das ist das. Sie setzten sich alle zusammen und sagen, „so wird es gemacht“. Und dann tun sie das auch. Diese Leute sind eine Schande für diese Gesellschaft, weil sie kein Respekt für das Gericht haben. Ob sie das Recht als Beamten haben, vor Gericht zu lügen, weiß ich nicht.
Bist Du immer noch im Kontakt mit Oury’s Familie? Wie geht’s ihnen?
Die Situation entsprechend gut. Ich telefoniere oft mit dem Brüder und dem Vater. Leider nicht so oft mit der Mutter, weil sie im Dorf lebt. Ja, aber es geht Ihnen einigermaßen gut. Ich berichte immer was im Gericht passiert und sage Bescheid, wenn ein Prozesstermin stattfindet. Dann erzähle ich darüber.
Was ist aus dein Telecafé und deine Gewerbelizenz, die der Stadt Dessau mit dem Argument, dass Du eine “großer charakterliche Mängel” aufweist, geworden?
Sie werden einfach jeden Weg benutzen um mein Kopf fertig zu machen. Sie werden jeder Möglichkeit benutzen, mich am Boden zu schlagen. Ja, aber ich meine jetzt wegen den Laden: wir haben Widerspruch eingelegt. Der ist noch beim Verwaltungsamt und wir warten nun auf die Antwort.
Ich hoffe auf jeden Fall, dass diese Verwaltung für mich dann entscheiden wird. Aber die haben die große Hände, sie haben die Macht, und ich glaube einfach, dass ich irgendwann gewinnen werde. Das ist einfach eine Taktik von ihnen. Das überrascht mich nicht. Wegen mein Laden werde ich nicht diesen Fall von meinem Freund jetzt fallen lassen. Um Gottes Willen! Ich werde bis zum Schluss kämpfen.
Wie ein Freund sagt, „Ich bin schon am Boden. Ich kann nur aufstehen.“ Tiefer geht nicht. Und dafür werde ich mich auch durchsetzen.
Nach dem Mord an Oury Jalloh hast Du selbst viele willkürliche Handlungen seitens der Staat erlebt. Was für ein Konzept hast Du jetzt vom deutschen Justiz?
Auf jeden Fall bin ich sehr, sehr vorsichtig. Dieses Vertrauen was ich damals hatte, das habe ich nicht mehr. Ich habe wirklich an diese Rechtsstaatlichkeit geglaubt. Und nicht nur ich, sondern viele Leute von uns auch. Wirklich! Genau wie Oury Jalloh damals. Wenn er gewusst hätte, wie diese Rechtsstaat hier funktioniert… wie hätten unsere Hände gewaschen! Ich sage ganz ehrlich, ich bin sehr enttäuscht. Enttäuscht…
Heute musstest Du selbst vor Gericht. Weshalb?
Angeblich weil ich 4 Polizisten als „Niggerkiller“ beleidigt habe, dass ich die so bezeichnet habe.
Was sagst Du dazu?
Blödsinn. Im Laufe der Verhandlung stellte sich heraus, dass die Zeugen lügen, dass sie unprofessionell unter sich Absprachen gemacht haben. Außerdem wurden sie nicht einzeln vernommen, sondern zu viert. Wer die vernommen hat, das wissen sie nicht. Es wurde gefragt ob das Steinhoff wäre. Das wussten sie nicht, aber sie haben gesagt, dass der Mann auf jeden Fall vom Landgericht sei. Sie wollten nicht den Name nennen. Und ihren Aussagen sahen alle so ähnlich aus, als ob eine Person alle 4 geschrieben hatte.
Aber wie ich am Anfang gesagt, sie wollen mich einfach fertig machen, um mein Kopf zu haben. Das werden sie aber nie schaffen.
Welche Erwartungen hast Du jetzt von dem Prozess gegen Schubert und März?
Vom Prozess gar nichts mehr. Wie ich schon gesagt habe: ich werde weiter kämpfen. Ich werde wahrscheinlich den Rest meines Leben kämpfen müssen; wahrscheinlich für die andere Fälle auch. Ich erwarte wirklich nichts vom Gericht.
Was siehst Du in der Zukunft für Dich und die Initiative, wenn der Prozess endlich vorbei ist?
Ja ich hoffe, dass wir alle zusammen stark zusammen bleiben, denn diese Initiative ist wie eine Familie geworden. Wir haben so viel auf uns genommen und auch viele Liebe gegeben, aber auch viele Freude zusammen gehabt. Weißt Du, dass ist eine Familie. Wir werden alles tun, so dass wir für immer zusammen bleiben und weiterkämpfen. Weil wie die Initiative ist, gibt ist nicht so viele. Es gibt nicht so viele wie diese.
Ich meine, wie wir zusammen gekämpft haben, wie wir uns durchgesetzt haben, drei und halb Jahre lang. Das sind nicht 3 Tage. Viele sind gekommen und viele sind gegangen. Einige die angefangen haben sind geblieben; einige sind gekommen um uns auseinander zu bringen. Aber Gott sei Dank das haben sie nicht geschafft und sind dann wieder weggegangen. Ich bin so froh, dass die Initiative noch so ist, wie sie jetzt ist.
Interview geführt von: Wir sind alle Oury Jalloh; Fotos: Umbruch Bildarchiv (MdP)