Mit dem neuen Präsidenten von Paraguay, Fernando Lugo, dem kubanischen Vizepräsidenten José Ramón Machado Ventura sowie dem honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya haben nach Boliviens Staatschef Evo Morales weitere führende Repräsentanten Lateinamerikas die UNO-Vollversammlung für scharfe Angriffe auf die USA und den Kapitalismus genutzt. Im Mittelpunkt ihrer Reden standen auch die Folgen der US-Finanzkrise für die Menschen in Mittel- und Südamerika.
„Paraguay schließt sich den Winden demokratischer Veränderung in der Region an“, hob Paraguays Präsident Fernando Lugo hervor, der erst vor wenigen Wochen sein Amt angetreten war. Erstmals in der politischen Geschichte seines Landes habe eine Partei nach 61 Jahren Herrschaft die Macht nach Wahlen abgegeben, wie es den demokratischen Gepflogenheiten entspricht, hob Lugo hervor. „Die neue Regierung, die ich vertrete, stellt eine unmißverständliche Antwort auf die vielen angesammelten Forderungen und vergebenen Chancen der vergangenen Jahrzehnte dar. Die Bürgerinnen und Bürger haben in diesem Jahr für den Wunsch nach mehr sozialer Gerechtigkeit gestimmt, für ein Stoppen der massiven Umweltzerstörung, für den Kampf gegen Korruption und die Willkür eines schwachen und opportunistischen Staates, dem seit Jahren eine Strategie für eine nachhaltige und die Menschen einbeziehende Entwicklung fehlt“.
„Für die Mafia, die mit der öffentlichen Gewalt über ihre Schmiergelder und Gewinne verhandelten, erleben heute den schlimmsten Moment ihrer Geschichte in Paraguay“, sagte der frühere Bischof. Er schloss nicht aus, dass die Nutznießer früherer Korruption, die von einem Tag auf den anderen zu Millionären werden konnten, versuchen werden, die Politik und Wirtschaft Paraguays zu destabilisieren. „Für diejenigen, die einer Politik faschistischen Stils nachtrauern, formuliert diese Regierung offen und fest ihre absolute Intoleranz gegenüber jedem antidemokratischen Versuch und verschlossene Türen gegenüber Erpressungen“. Er bedankte sich für die Solidarität anderer lateinamerikanischer Länder, die angesichts einer drohenden Instabilität in Paraguay ihre Besorgnis ausgedrückt hatten, und hob zugleich die Beteiligung seines Landes an der Solidarität aller Regierungen Südamerikas mit der demokratisch gewählten Regierung Boliviens hervor.
Weiter forderte Lugo, der Terrorismus müsse vom Antlitz der Erde beseitigt werden. Er fuhr fort: „Es gibt nichts, was nicht mehr der Zivilisation widerspricht als ein zum Geschäft gewordener Terror. Der Terrorismus, der Kinder verhungern lässt, der Terrorismus der Waffen an jedem Ort, der Terrorismus, der die Kinder in meinem Land an den Folgen der Gifte in der Landwirtschaft sterben lässt, der Terrorismus, der unsere Geschwister in den Zwillingstürmen getötet hat und der morgen weiter tötet, solange der Krieg weiterhin für einige wenige ein Geschäft ist, dieser Terrorismus oder Fanatismus umwölkt weiterhin unsere Herzen“.
Der Erste Vizepräsident Kubas, José Ramón Machado Ventura, warnte, dass heute sogar das Überleben der menschlichen Rasse gefährdet ist. „Frieden, Solidarität, soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung sind der einzige Weg, um die Zukunft zu sichern“, sagte Machado und forderte, die gegenwärtige „ungerechte und untragbare“ internationale Ordnung durch ein wirklich demokratisches und ausgleichendes System zu ersetzen, dessen Grundlage die Respektierung des Völkerrechts und eine Beendigung der Ungleichheit und der Ausgrenzung der großen Mehrheit der Menschen dieses Planeten seien. „Die Eroberungskriege, die Aggression und illegale Besatzung von Ländern, Militärinterventionen und die Bombardierung unschuldiger Zivilisten, das ungebremste Aufrüsten, die Ausplünderung und Aneignung der Naturreichtümer der Dritten Welt und die imperiale Offensive zur Zerschlagung des Widerstandes der Völker, die ihre Rechte verteidigen, sind die größten und schwersten Gefahren für den Frieden und die internationale Sicherheit“, so Machado. Der angebliche Kampf gegen den Terrorismus sei nur ein Vorwand für Aggression und Besatzung, für Folter, willkürliche Verhaftungen und die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts der Völker. „Während in der Welt eine Billion Dollar für Waffen ausgegeben wird, leiden mehr als 850 Millionen Menschen Hunger, 1,1 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Trinkwasser, 2,6 Milliarden fehlen Sanitäreinrichtungen und mehr als 800 Millionen sind Analphabeten. Mehr als 640 Millionen Kinder haben keine angemessene Wohnung, 115 Millionen besuchen nicht die Grundschule und 10 Millionen sterben, bevor sie fünf Jahre alt werden, meistens an Krankheiten, die geheilt werden könnten.“
Ausdrücklich solidarisierte sich Machado mit der Sache des palästinensischen Volkes, das ein Recht auf Selbstbestimmung in einem unabhängigen und souveränen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt habe. Er unterstützte Venezuela und Bolivien, deren Souveränität und territoriale Integrität bedroht werden, sowie das Volk von Puerto Rico in seinem Recht auf Unabhängigkeit. „Kuba hat einen sehr hohen Preis für die Verteidigung seiner Souveränität und Unabhängigkeit zahlen müssen,“ fuhr Machado fort. „Das heldenhafte kubanische Volk hat der längsten und grausamsten Blockade der Geschichte widerstanden, die die mächtigste Macht der Erde verhängt hat. Obwohl diese Versammlung sich wiederholt und mit überwältigender Mehrheit für ein Ende dieser völkermörderischen Politik ausgesprochen hat, haben die Vereinigten Staaten diesen Willen der internationalen Gemeinschaft nicht nur ignoriert, sondern in offener Geringschätzung der selben ihren Wirtschaftskrieg gegen Kuba weiter verschärft.“
Er dankte den Ländern, Organisationen und Personen, die auf die eine oder andere Weise mit Ressourcen oder moralischer Unterstützung den Wiederaufbau der Insel nach den beiden Wirbelstürmen unterstützt haben. „Dies steht im Gegensatz zu der Position, die von der Regierung der Vereinigten Staaten eingenommen wurde, die unbeirrt weiter auf der Blockade beharrt“, unterstrich der kubanische Vizepräsident. „Kuba hat die Regierung der Vereinigten Staaten nicht um irgendein Geschenk gebeten. Sie hat nur beantragt, dass es ihr erlaubt wird, Material zu erwerben, das für den Wiederaufbau von Wohnhäusern und Stromnetzen unverzichtbar ist, sowie dass nordamerikanischen Unternehmen erlaubt wird, Kuba Privatkredite zu gewähren, um Lebensmittel zu kaufen. Die Antwort war negativ und wurde begleitet von dem Versuch, die Informationen so zu manipulieren, dass die US-Regierung als diejenige dastehen solle, die sich Sorgen um das Wohlergehen des kubanischen Volkes mache, während es die kubanische Regierung sei, die das Angebot ablehne. Wenn sich die USA wirklich Sorgen um das kubanische Volk machen, ist die einzige moralische und ethische Verhaltensweise, die seit fünf Jahrzehnten gegen Kuba verhängte Blockade aufzuheben, die den elementalen Normen des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen widerspricht“.
Honduras‘ Präsident Manuel Zelaya überraschte erneut mit deutlichen Worten. Zu Beginn seiner Rede beglückwünschte er den Präsidenten der Generalversammlung, Miguel D’Escoto Brockman, zu dessen Wahl und nannte ihn einen „herausragenden Repräsentanten“ Nicaraguas. Diese Worte aus seinem Mund haben eine besondere Bedeutung, denn als D’Escoto Brockman in den 80er Jahren Außenminister Nicaraguas war, diente Honduras als Militärbasis für die von den USA ausgebildeten und finanzierten Contra-Banden gegen die sandinistische Regierung in Managua.
Der honduranische Präsident, der Mitglied der Liberalen Partei ist – ebenso wie die deutsche FDP ein Mitglied der Liberalen Internationale -, hob hervor: „Armut und Ungleichheit vertiefenh sich weiter in unseren Gesellschaften. Der Staat wurde durch die Privatisierungen geschwächt und das Kapital konzentrierte sich in wenigen Firmen und wenigen Händen, wodurch die Fähigkeit abnahm, zu produzieren und Entwicklung zu schaffen. (…) Unsere Völker und unsere Region haben in den vergangenen zwei Jahrhunderten mit großem Heldenmut und großer Würde den Folgen dieses Systems Widerstand geleistet. (…) Die Unterwerfung unserer Länder und ihre wirtschaftliche Ausrichtung auf die Interessen des internationalen Kapitals sind brutal und überraschend. Der Kapitalismus vernichtet die Menschen, besonders die Armen, sowie auch das von ihm selbst geschaffene Kapital!“ Mit Vergleichen aus der Bibel und Beispielen aus der wirtschaftlichen Realität seines Landes fuhr Zelaya fort, um dann zu schlußfolgern: „Unter diesem System werden wir niemals frei sein. Das wissen wir und wir müssen diese neue Sklaverei und diesen neuen Kolonialismus sowie ihre Herrschaftsinstrumente nicht hinnehmen.“