Knastshop Massak — ein Erlebnis!

Knastshop Massak — ein Erlebnis!
Knastshop Massak — ein Erlebnis!

Gefangene dürfen (situationsbedingt) nicht einfach im nächstgelegenen
Supermarkt einkaufen, sondern erhalten die von ihnen gewünschten und
benötigten Nahrungs-/Körperpflegemittel, welche sie sich privat kaufen
möchten, vom jeweiligen Anstaltskaufmann. Hierzu schließt der
Anstaltsleiter einen Vertrag mit einem externen Händler, der dann
exklusiv, also wie bei einem Monopol, die Gefangenen der betreffenden
Anstalt beliefern kann.
Seit Dezember 2007 müssen die Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA)
Bruchsal ihren Bedarf über die Firma Massak Logistik GmbH
( http://www.massak.de) decken. Wie schon seinerzeit befürchtet (vgl.
„Kapitalismus im Knast“
http://www.de.indymedia.org/2008/03/210045.shtml), nützt der
Firmeninhaber die monopolartige Situation, um Preise zu verlangen, wie
sie ihm belieben.

Und die JVA hat ihm hierfür faktisch einen Persilschein ausgestellt, da
nur im Falle von Forderung „unangemessener Preise“ (§12 des Vertrages
zwischen Händler und JVA vom 12.09.2007) eine fristlose Kündigung
möglich ist, und im übrigen Massak nur vertraglich verpflichtet wurde,
„marktgerechte Waren zu handelsüblichen Preisen“ feil zu bieten (§4
a.a.O.). Diese Klausel ist so schwammig, dass wohl letztlich erst bei
Erreichen der Wuchergrenze juristische Schritte Erfolg versprechen.

Das Justizministerium Baden-Württemberg (Az.: 4514.2005/080) verteidigte
die Vertragsgestaltung der JVA mit dem Hinweis, dass es „keinesfalls
Wartelisten von interessierten Lebensmittelhändlern“ gebe, die Gefangene
beliefern wollten.
Da also weitere Schritte in diesem Bereich vorerst wenig Erfolg
versprachen, kam ich auf die Idee, das Mitte 2008 in Kraft getretene
Verbraucherinformationsgesetz (VIG) zu nutzen, um zu überprüfen, wie es
denn die Firma mit dem Lebensmittelrecht halte. Wenn schon teure Preise,
dann doch auch exzellenter Service und penible Einhaltung der
grundlegendsten Bestimmungen — sollte man zumindest denken.

Nun überforderte es auch mein Budget, alle einschlägigen Behörden
anzuschreiben, in deren Bezirk Massak tätig ist; in fast fünfzig Städten
beliefert sie die dortigen Gefängnisse. Primär ist sie in Bayern,
Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen tätig; seit kurzem jedoch auch
in Niedersachsen (Sehnde – und von dort hört man Entsetzensschreie, was
Massaks Preispolitik anbetrifft).
Ich beschränkte mich also auf Anfragen bei den Städten, bzw. Landkreisen
Karlsruhe, Bamberg, Nürnberg, Gera und Torgau.
Aus Torgau erreichte mich die Mitteilung, dass in Sachsen das VIG nicht
anwendbar sei, da es an einer landesrechtlichen Umsetzung fehle, was man
bedaure. Die Stadt Gera ließ mich wissen, in der dortigen JVA verkaufe
Massak angeblich keine kühlpflichtigen Lebensmittel.
Fündig wurde ich in Karlsruhe, Bamberg und Nürnberg.

Karlsruhe:
Das dortige Landratsamt ist auch für Verstöße hier in der JVA Bruchsal
zuständig. Bei der Kontrolle am 20.03.2008 (Massak war also schon knapp
vier Monate hier tätig) wurde festgestellt, dass keinerlei geeignete
Kühleinrichtungen für kühlpflichtige Waren vorhanden waren.
Bamberg:
Auch hier war mangelnde Kühlung bei einer Kontrolle am 11.02.2008
festzustellen, die zu einer mündlichen Verwarnung Anlass gab.
In einer anderen Betriebsstätte von Massak (denn er betreibt auch
EDEKA-Supermärkte) wurden bei Kontrollen 2005, 2007 und 2008
Hygienemängel festgestellt.
Nürnberg:
Mit Bescheid vom 08.12.2008 teilte mir das Ordnungsamt der Stadt mit,
man habe die Firma Massak am 11.06.2007 mit einer Geldbuße von 300,– €
belegen müssen, weil bei einer Betriebskontrolle im Verkaufsraum der JVA
Nürnberg sensorisch verdächtiger Leberkäse und Pizza-Leberkäse
vorgefunden wurde, der in dieser Weise nicht hätte verkauft werden dürfen.

Man mag sich gar nicht vorstellen, was alles ans Tageslicht gelangen
würde, wenn systematisch in allen Städten, in denen diese Firma sich
mittlerweile in Gefängnissen festgesetzt hat, nachgeforscht werden
würde. Und es stellt sich die Frage, weshalb Vollzugsanstalten überhaupt
einen solchen Händler mit der Belieferung beauftragen!

Es geht nicht um Korinthenkackerei, wie der Volksmund kleinliches
Verhalten nennt, aber wenn ein Händler schon Preise verlangt, welche
zumindest in Teilen über denen außerhalb der Gefängnisse liegen, sollte
man erwarten können, dass so grundlegende Vorgaben, wie lückenlose
Kühlkette bis zum Endverbraucher beachtet werden.

Vor circa acht Monaten teilte mir Herr Werner Massak (Gesellschafter und
Geschäftsführer o.g. Firma) mit, er fühle sich durch meinen Vorhalt in
einem Artikel von mir, in welchem ich ihn als Kapitalisten bezeichnete,
tief getroffen! Ob mir denn der Begriff „soziale Marktwirtschaft“ nichts
sage?
Nach den Erfahrungen im abgelaufenen Jahr kann man nur feststellen, dass
er selbstverständlich ein Kapitalist ist — und von sozialem Engagement
haben zumindest Gefangene in Bruchsal nichts wahr genommen, dafür jedoch
mit Ärger davon Kenntnis erhalten, dass Massak in der JVA Sehnde gerade
„Kühltheken-Artikel“ erheblich günstiger verkauft, als bei uns hier (und
wenn man sich an meine obige Äußerung erinnert, wonach die Inhaftierten
in Sehnde entsetzt sind über dessen hohe Preise, mag sich jede/r selbst
vorstellen, wie es uns ergeht in der JVA Bruchsal).

Es bedürfte sicherlich energischen Einwirkens auf den Kaufmann, um ihn
zu einer moderateren Preispolitik zu bewegen.
Wer zudem als Gefangener nicht wie ein Luchs aufpasst, dass auch all
jene Waren, die man laut Quittung bezahlt hat, im Korb landen, macht
rasch Verlustgeschäfte, denn immer wieder kommt es vor, dass —
selbstverständlich „rein versehentlich“ – Waren, die man bezahlt hat,
nicht im Warenkorb vorzufinden sind. Hier wäre es sicherlich interessant
zu wissen, wie hoch die entsprechenden Einkünfte der Firma alleine aus
nicht-gelieferten, jedoch abgerechneten Waren sind. Gerade unter
Gefangenen findet man Personen, die Schwierigkeiten haben, den Überblick
zu behalten und dann nicht reklamieren.

Auch nicht unerheblich dürften jene Einnahmen sein, die aus falsch
abgerechneten Waren erzielt werden: Die Firma weist beispielsweise ein
Angebot in ihren Preislisten aus, berechnet letztlich jedoch den
regulären Preis. Immer wieder findet man dann am „Schwarzen Brett“ einen
Aushang der Massak Logistik GmbH (per mail übrigens erreichbar unter:
info@massak.de), in welcher man wortreich das Versehen bedauert. Wer
seine Kaufquittung vorlege, bekomme nächstes Mal selbstverständlich
seinen Schaden ersetzt. Weshalb die Firma nicht von sich aus den Schaden
ausgleicht – dies könnte sie mit etwas Aufwand durchaus – weiß niemand.
Da jedoch nicht alle Gefangenen den Aushang lesen, oder aber ihre
Quittung längst weggeworfen haben, nimmt Massak auch auf diese Weise
weitere Gelder ein.

Einige Gefangene, die sich zu Weihnachten etwas Besonderes zu Essen
gönnen wollten, wurden enttäuscht, da Massak trotz seiner vertraglichen
Verpflichtung, alle Artikel auch vorrätig zu haben, nicht jedem Insassen
die bestellte Ware lieferte. Am Tag nach dem Einkauf bekamen manche
Gefangene nur den lapidaren Hinweis, man werde ihnen die Kaufbeträge für
die nicht gelieferten Artikel erstatten.
Zivilrechtlich eine eigenwillige Rechtsauffassung, denn am Einkaufstag
wurden die Kaufbeträge von den Konten abgebucht, damit lag ein gültiger
Kaufvertrag vor. Dass es Massak unmöglich gewesen sein soll, bspw.
Cordon-bleu zu beschaffen, erscheint zumindest zweifelhaft. Insofern
könnten die betroffenen Gefangenen die Firma sogar auf Schadenersatz
wegen Nichterfüllung in Anspruch nehmen.

Der Anstaltsleiter der JVA Bruchsal, Thomas Müller, ließ mir am
24.12.2008 ausrichten, man werde Massak nicht kündigen, da sich zum
einen fast niemand beschwert hätte und zum anderen nur ganz wenige
Strafgefangene betroffen gewesen wären.
Hier zeigt sich tatsächlich die leider zu oft anzutreffende Feigheit —
Feigheit der Gefangenen!
Denn auf den Fluren murren sie kräftig, aber auch nur eine schriftliche
Beschwerde anzubringen (von weiterführenden Aktionen erst gar nicht zu
reden) trauen sich nur wenige. Es könnte ja „Ärger“ geben…
Lassen wir uns überraschen, was Massak 2009 fertig bringt (oder auch
nicht); er dehnt seine Tätigkeit jedenfalls weiter aus, soll künftig
auch Sportschuhe und Trainingsanzüge liefern.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA — Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
homepage: http://www.freedom-for-thomas.de
blog: http://www.freedomforthomas.wordpress.com

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