Jugendrevolte in Großbritannien

Brutaler Polizeieinsatz während der Parlamentsabstimmung über Verdreifachung der Studiengebühren
Von Christian Bunke, Manchester
Am Donnerstag nachmittag stimmte das britische Unterhaus der Verdreifachung der Studiengebühren von 3000 Pfund auf 9000 Pfund pro Jahr zu. Während das Parlament die Fortsetzung des sozialen Krieges gegen die Mehrheit der britischen Bevölkerung beschloß, kam es vor der Tür zu einem Einsatz der Polizei von einer Brutalität, wie sie seit dem Bergarbeiterstreik 1984 nicht mehr gesehen wurde.

In ganz Großbritannien gingen nun schon zum vierten Mal Zehntausende Schüler und Studierende auf die Straße, verließen den Unterricht und die Hörsäle. Eine ganze Generation hat sich im Laufe eines Monats politisiert. Der Staatsapparat reagierte repressiv. Es mehren sich die Anzeichen, daß eine großangelegte Operation zur Datensammlung und Einschüchterung tatsächlicher und mutmaßlicher Aktivisten von seiten der Polizei begonnen hat. Lord Stevenson, der Londoner Polizeichef, drückte es so aus: »Es beginnt ein Zeitalter sozialer Konfrontation, wir werden unsere Taktik entsprechend ändern müssen.«

Ein Beispiel aus Leeds: Dort wollte die Polizei den Presseverantwortlichen einer Hörsaalbesetzung die Verantwortung für alle Studierendenproteste in der Stadt, inklusive möglicher »krimineller« Handlungen zuschieben. Der bisherige Höhepunkt der Repression fand am Donnerstag abend in London statt: Tausende Jugendliche wurden stundenlang bei klirrender Kälte eingekesselt. Gehen konnte nur, wer sich vorher filmen ließ. Dies gipfelte in einem geplanten Angriff von 15 berittenen Polizisten, die in vollem Galopp in die eingekesselte Menge hineinritten. Einige Demonstranten mußten schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht werden.

Der britische Thronfolger Prinz Charles und seine Gattin Camilla befanden sich am Abend auf dem Weg zu einer Benefiz-Vorstellung im Londoner Palladium-Theater, als ihre Limousine von den Demonstranten angegriffen wurde. Dabei ging auch eine Fensterscheibe des Wagens zu Bruch.

Bei der Abstimmung im Unterhaus stimmten insgesamt 323 Abgeordnete für, 302 Abgeordnete gegen den Beschluß. Die Regierungsmehrheit schrumpfte von 84 auf 21 Stimmen, denn die Fraktion der mitregierenden Liberaldemokraten war gespalten. 21 von ihnen stimmten gegen die Regelung, acht enthielten sich. Selbst sechs Konservative stimmten mit Nein. Die meisten Abgeordneten, die sich gegen die Verdreifachung der Studiengebühren wandten, haben ihre Sitze in studentisch dominierten Wahlkreisen. Sie fürchten um ihr Mandat.

Derweil zwingt die Jugendrevolte auch die Gewerkschaften zu Aktionen. Am 13. Dezember wird es einen gemeinsamen Aktionstag aller im Bildungsbereich aktiven Gewerkschaften gegen die Kürzungspläne geben. Neben den Bildungsgewerkschaften UCU und NUT werden sich auch erstmals die Großgewerkschaften UNITE, UNISON und GMB beteiligen.

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