Produktion bei Vivex soll in 60 Tagen wieder aufgenommen werden. Arbeiter sollen, wie von ihnen gefordert, die Kontrolle übernehmen
Von Helge Buttkereit
amerika21.de
Ein Arbeiter bei Vivex erklärt den im vergangenen Jahr sabotierten Ofen, in dem die Frontscheiben ihre Krümmung erhalten.
Barcelona, Venezuela. Die venezolanische Regierung hat die besetzte Autoglasfabrik Vivex in der Stadt Barcelona im Bundesstaat Anzoátegui verstaatlicht. Damit haben die Arbeiter des Unternehmens eine wichtige Etappe in dem Kampf erfolgreich abgeschlossen, den sie seit über zweieinhalb Jahren führen. Ende 2008 besetzten sie das Werk des Autoglasherstellers im Osten des Landes, forderten die Übernahme durch den Staat und die Kontrolle der Produktion durch die Arbeiter selbst. Auch diese Forderung soll erfüllt werden. Der Vizeminister für industrielle Entwicklung, Oscar Farínas, sicherte den Arbeitern in der vergangenen Woche zu, dass sie die Kontrolle über die Produktion übernehmen könnten.
Ziel der Verstaatlichung ist es nach Regierungsangaben, die Kapazitäten des öffentlichen Sektors in der Produktion von Sicherheitsglas und Hartglas für die Automobilindustrie zu erhöhen. Vor der Besetzung durch die Arbeiter war das Werk die wichtigste Produktionsstätte für Autoglas in Venezuela. Die Arbeiter hatten ihre Aktionen gegenüber amerika21.de im vergangenen September damit begründetet, dass ihnen der Fabrikbesitzer einen großen Teil des Lohnes vorenthalten hatte und dass sie die Produktion in eigener Kontrolle aufnehmen wollten. Während vor der Besetzung 390 Arbeiter beschäftigt waren, sind nach Aussage des Gewerkschaftsführer Jean Sabino derzeit nur noch 150 übrig, die den ausstehenden Lohn vor Gericht gefordert haben. Dabei bietet das Unternehmen bei voller Auslastung 500 direkte und 2000 indirekte Arbeitsplätze.
Die Wiederinbetriebnahme des Werkes wird nach Angaben von Vizeminister Farías etwa 60 Tage dauern, sie wird von den Arbeitern gemeinsam mit dem Ministerium geplant. Im vergangenen Februar hatte eine kleine Zahl an Arbeitern wieder begonnen, in einer Kooperative Frontscheiben für Autos herzustellen. Allerdings war die Produktion nur auf einem sehr geringen Niveau angelaufen, da die Arbeiter des ursprünglich wichtigsten venezolanischen Autoglasherstellers durch die unsichere Lage nur wenige Abnehmer finden konnten, sagten die Arbeiter amerika21.de. Außerdem litt das Werk immer wieder durch Sabotage. So wurde ein Arbeiter eingeschleust, der die Steuerungssoftware eines Ofens lahm legte. Außerdem wurde eine Zentrifuge, die zur Kontrolle des Sicherheitsglases am Ende der Produktion eingesetzt wird, vorübergehend sabotiert.
Insbesondere die Solidarität der Arbeiter des benachbarten Mitsubishi-Werkes habe bei der Reparatur geholfen, so die Arbeiter. Auch Mitsubishi war 2009 für einige Monate von den Arbeitern besetzt, wobei zu Beginn zwei von ihnen von Polizisten erschossen worden waren. Die Mitsubishi-Arbeiter erreichten durch ihre Aktionen, dass die Leiharbeiter unter gleichen Bedingungen und zu gleichem Lohn eingesetzt werden. Die ebenfalls geforderte Verstaatlichung blieb aus.
Bildquelle: Helge Buttkereit, amerika21.de