Nordirland: Heftige Attacken im Osten von Belfast

Die katholische Enklave Short Strand im Osten von Belfast wird von radikalen Loyalisten belagert. Die fühlen sich an den Rand gedrängt und setzen gezielt auf Randale.

Von Ralf Sotscheck

Dublin taz | Es sind die schlimmsten Krawalle, die Nordirland seit Jahren erlebt hat: Seit Montag Nacht wird die kleine katholische Enklave Short Strand im Osten der Hauptstadt Belfast belagert. Loyalisten, die für den Verbleib Nordirlands im Vereinigten Königreich eintreten, attackierten die Häuser mit Benzinbomben, Farbbeuteln, Steinen und Golfbällen. Da sich die Bewohner wehrten, entwickelten sich stundenlange Straßenschlachten, an denen rund 700 Personen beteiligt waren.

Drei Menschen, darunter der Pressefotograf Niall Carson, erlitten Schussverletzungen, zwei Menschen wurden mit Verbrennungen ins Krankenhaus eingeliefert. Die Polizei, die auf den Gewaltausbruch nicht vorbereitet war, kam ebenfalls unter Beschuss.

Hinter den Krawallen steckt die protestantisch-loyalistische Ulster Volunteer Force (UVF), die sich eigentlich im Waffenstillstand befindet. In der Organisation herrschen seit Monaten starke Rivalitäten. Offenbar will sich ein Flügel mit den Krawallen profilieren.

Unmittelbarer Auslöser war eine Parade des streng antikatholischen Oranier-Ordens, die durch ein katholisches Viertel führen sollte, aber von der zuständigen Regierungskommission umgeleitet wurde.

Der Orden veranstaltet 3.000 Paraden im Jahr. Die meisten davon verursachen keine Probleme, aber bei rund einem Dutzend führt die Strecke durch katholische Gebiete.

Geplanter Angriff

Belfasts Bürgermeister Niall Ó Donnghaile von Sinn Féin sagte: „Dieser unprovozierte Angriff auf das Viertel war von der UVF zweifellos sorgfältig geplant.“

Ó Donnghaile hat die Attacke selbst miterlebt, denn er wohnt in Short Strand. Die Enklave mitten im protestantischen Gebiet wird am südlichen Ende durch eine breite Durchfahrtstraße begrenzt, an den anderen drei Seiten stehen Mauern, auf die sechs Meter hohe Zäune montiert sind. Niemand der 3.000 Einwohnern von Short Strand war jemals auf der anderen Seite des Zauns.

Konflikte gab es in Short Strand, seit sich Katholiken Ende des 19. Jahrhunderts hier ansiedelten. Die Schiffswerft Harland & Wolff, wo 1911 die „Titanic“ gebaut wurde, liegt in unmittelbarer Nachbarschaft, doch Katholiken wurden dort in den zwanziger Jahren gewaltsam vertrieben.

Mauern werden immer höher

Zwischen 1922 und 1924 kamen bei Pogromen 500 Menschen ums Leben. 1970, zu Beginn des Nordirlandkonflikts, in dessen Verlauf 3.500 Menschen getötet wurden, vollzog sich in Short Strand die Wiedergeburt der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), die sich zur Verteidigung des Viertels formierte. Seit dem Friedensprozess sind die Mauern zwischen den Vierteln immer höher geworden.

Jim Wilson von der Progressive Unionist Party, dem politischen Flügel der UVF, sagt: „Wir Loyalisten fühlen uns vom Friedensprozess ausgeschlossen. Niemand bezieht uns ein.“ Ein weiterer Grund für den Unmut unter den Loyalisten ist die Historische Untersuchungskommission, die sich mit ungelösten Mordfällen beschäftigt. Die UVF findet, dass sich die Kommission zu sehr auf loyalistische Morde konzentriere.

Ein Indiz für die Frustration sind die Wandgemälde in den protestantischen Vierteln Belfasts. Die Regierung hat Millionen zur Verfügung gestellt, damit die martialischen Bilder durch kulturelle oder historische Motive ersetzt werden.

Doch sind jüngst neue Gemälde aufgetaucht, auf denen wieder maskierte und bewaffnete Männer zu sehen sind. Die Polizei bereitet sich auf einen ungemütlichen Juli vor. Es ist der Höhepunkt der protestantischen Paradensaison.

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