Der Anquatschversuch
Mitte April bekam einer der Familienangehörigen von Dennis auf seinem Handy einen Anruf vom Verfassungsschutz mit der Anfrage zwecks eines Treffens. Das Thema dieses Treffen sollte die Ermittlung vom Tod von Dennis haben. Der Person war zu diesem Zeitpunkt nicht klar, welche Aufgaben und Funktionen der VS inne hat. Einem Treffen stimmte er unter der Bedingung zu eine Zweite Person mitnehmen zu können. Leider versäumte er es zu diesem Zeitpunkt sich bei den ihm bekannten Strukturen zu informieren. Am 28. April kam es zu dem Treffen im Sicherheitsbereich des Flughafen Berlin-Tegel. Anwesende waren zwei männliche Beamte, die sich als Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz vorstellten. Innerhalb des längeren Gesprächs wurden folgende Thematiken angesprochen:
- die arabische Revolte,
- der Prozess gegen den Mörder von Dennis,
- Zusammenarbeit mit linken Strukturen.
Während es bei den ersten beiden Gesprächsthemen eher eine lockere Unterhaltung war, merkten die Familienangehörigen recht schnell worum es den Beamten eigentlich ging. So blockten sie, nach eigenen Angaben, jede Frage nach Strukturen, Namen oder Zusammenarbeit mit der linken Szene ab.
Die Aufarbeitung
Zwei Tage später informierten die beiden Familienangehörigen Teile des Netzwerks „No Justice No Peace“. Dies führte zu einer langwierigen Diskussion innerhalb des Netzwerks und der Familie. Nach dem ersten Treffen war klar, dass es zu keiner weiteren Zusammenarbeit zwischen der Familie und dem VS kommt. Die Angesprochenen hatten für sich klar, dass sie mit diesem Treffen einen Fehler begangen hatten. Den AktivistInnen wurde schnell bewusst, dass in den vorangegangenen Diskussionen nur mangelhaft mit der Familie die Gefahren und Arbeitsweisen der unterschiedlichen Repressionsbehörden thematisiert wurden. Es ist für das Netzwerk schwer einer linken Bewegung zu vermitteln, wie eine Zusammenarbeit mit Menschen aussieht, die bis zum einschneidenden Moment keinerlei Berührungspunkte zu linksradikalen Standards hatten. Natürlich wurden viele Themenfelder immer wieder angesprochen, so auch mögliche Repression, leider fand dies oft nur oberflächlich statt. Gerade deshalb war die Diskussion nach dem VS-Gespräch sehr intensiv und langwierig, weshalb auch erst jetzt eine Veröffentlichung erfolgt. Das es überhaupt zu so einem Treffen kam, hatte unterschiedliche Ursachen, die wir mit Hilfe befreundeter Strukturen für uns aufgearbeitet haben. Es zeigt sich das wir, gerade mit Menschen die kaum Berührungspunkte mit dem staatlichen Machtapparat haben, viel intensiver diskutieren müssen um bestimmte Grundsätze klar zu kriegen.
Neben der laufenden Diskussion zog sich die Familie und das Netzwerk nicht aus der aktiven Arbeit zurück. Es wurden Protestaktionen für den durch einen Polizeieinsatz verstorbenen Slieman H., unterstützt. Es ist den AktivistInnen nicht leicht gefallen, neben der dringenden Diskussion auch aktiv Proteste mitzugestalten, aber die Dringlichkeit und die persönlichen Kontakte im Fall von Slieman, ließen kaum eine andere Möglichkeit zu.
Das die Repressionsorgane ihr Interesse an solchen Vernetzungen nicht verloren hat, zeigen die letzten Veranstaltungen. So wurden u.a. im Umfeld einer gut besuchten Podiumsdiskussion zum Thema „staatliches Töten“ Mitte Juni im „Drugstore“ zahlreiche zivile Polizeibeamte und anderen Sicherheitsbehörden festgestellt.
Das Netzwerk und die Familie werden sich auch weiterhin gegen Polizeigewalt positionieren und auch die Diskussionen sind nicht abgeschlossen. Gerade aber der jüngste Fall in Berlin, wo ein Zugführer der 23. Hundertschaft eine 54 Jährige Frau erschossen hat, zeigt, das tödliche Polizeigewalt nicht darauf wartet bis wir mit unseren Diskussionsprozessen fertig sind, sondern wir auch immer wieder in aktuellen Fällen aktiv sein müssen.
No Justice No Peace
August 2011