Geht auch der Bombenanschlag auf ein Lebensmittelgeschäft in Köln am 19. Januar 2001 auf das Konto des NSU?
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Nachdem bekannt wurde, daß für eine Mordserie in der Bundesrepublik Rechtsterroristen verantwortlich zu machen sind, überprüft die Polizei in Nordrhein-Westfalen einen weiteren bisher ungeklärten Sprengstoffanschlag in Köln. Bei dem Attentat in der Innenstadt im Jahr 2001 war eine damals 19jährige Deutsch-Iranerin schwer verletzt worden. Hinweise auf mögliche Zusammenhänge mit der der Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) ergaben sich demnach bei der Analyse einer Propaganda-DVD der verdächtigten Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe.
Auf dem CDU-Parteitag in Leipzig nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag die von den neofaschistischen Überzeugungstätern begangenen Morde und Bombenanschläge eine »Schande für Deutschland«. Während die Regierungschefin versprach, daß die Behörden alles tun würden, um die Taten aufzuklären, mehren sich die Stimmen, die Ermittlungen zur Verstrickung der Inlandsgeheimdienste in die Aktivitäten des neofaschistischen Terrornetzwerkes verlangen. So wird sich am heutigen Dienstag das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestages, das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig ist, mit den aktuellen Erkenntnissen in Sachen »Nationalsozialistischer Untergrund« beschäftigen.
Auch die Parlamentarier verschiedener Landtage werden sich in den nächsten Tagen mit den neofaschistischen Terrorakten befassen. So beantragte etwa die sächsische Linksfraktion am Montag eine Sondersitzung der dortigen Parlamentarischen Kontrollkommission. André Hahn, Fraktionsvorsitzender der Linken im Freistaat, forderte Innenminister Markus Ulbig (CDU) am Montag auf, Licht ins Dunkel der Affäre zu bringen und einen umfassenden Bericht über das neofaschistische »Freie Netz« vorzulegen sowie dieses zu verbieten. Im nordrhein-westfälischen Landtag ist für die kommenden Tage eine Aussprache im Rahmen einer »Aktuellen Stunde« geplant.
Gegenüber junge Welt erklärte Hahn: »Es ist eine unerträgliche Vorstellung, daß eine Naziterrororganisation – denn davon, daß die drei Teil eines größeren rechtsextremistischen Netzwerkes gewesen sind, gehen inzwischen auch Thüringer Regierungskreise aus – möglicherweise mit Deckung der Geheimdienste Morde begehen kann.« Der Linke-Politiker sprach sich dafür aus, »keine Rücksicht mehr auf den Fortbestand des V-Leute-Unwesen der Verfassungsschutzämter in der Naziszene zu nehmen«. Diese habe bislang nichts »zur Bekämpfung der braunen Gefahr, aber sehr viel zu den Mißerfolgen bei ihrer Eindämmung beigetragen, siehe gescheitertes NPD-Verbotsverfahren«.
Gänzlich unbeeindruckt von der aktuellen Diskussion um den braunen Terror gibt sich Deutschlands Neonaziszene. Für den 26. November ist eine Veranstaltung mit Karl-Heinz Hoffmann, dem Gründer der berüchtigten »Wehrsportgruppe Hoffmann« in Leipzig an einem nicht näher benannten Ort angekündigt. Antifaschisten vermuten, daß die Veranstaltung in der Odermannstraße 8, also im NPD-Büro im Stadtteil Lindenau, stattfinden soll, da die dort ansässigen »Jungen Nationaldemokraten« (JN) das Treffen mit dem verurteilten Neonazi mitveranstaltet. Anfang des Jahres war bekanntgeworden, daß der Freistaat Sachsen das Rittergut in Kohren-Sahlis, das sich in Hoffmanns Privatbesitz befindet, über Jahre hinweg mit mehr als 130000 Euro gefördert hatte.
Markus Bernhardt / Junge Welt