Staatstrojaner exportiert

Kleine Anfrage der Linken enthüllt: Bundeskriminalamt treibt den Einsatz von Schadprogrammen der Firma DigiTask international voran.

Daß deutsche Polizeien und Geheimdienste seit Jahren private Rechner infiltrieren, ist seit Oktober hinlänglich bekannt: Der Chaos-Computer-Club (CCC) hat mittlerweile mehrere Exemplare des sogenannten »Staatstrojaners« analysiert und zahlreiche technische Schwachstellen entdeckt. Offensichtlich wurde die vom CCC beanstandete Schadsoftware der hessischen Firma DigiTask vom Landeskriminalamt Bayern eingesetzt – jedenfalls hatte sich das Bundeskriminalamt (BKA) eilig von dem maroden Programm distanziert. BKA-Präsident Jörg Ziercke behauptet, auch den Landeskriminalämtern von dessen Anwendung abgeraten zu haben.

Was Ziercke allerdings verschwieg, kam erst nach zähen Nachfragen des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (Die Linke) ans Licht: Das BKA arbeitet mit den Landeskriminalämtern Baden-Württemberg und Bayern seit drei Jahren in einer Arbeitsgruppe daran, die Nutzung von Staatstrojanern der Firma DigiTask auch in Belgien, den Niederlanden und der Schweiz zu erleichtern. Seit 2008 betreiben die Behörden hierzu einen »Informationsaustausch« in einer sogenannten »Remote Forensic Software User Group«. Die informelle Gruppe war bis dahin Journalisten, Abgeordneten oder Mitgliedern anderer EU-Arbeitsgruppen unbekannt. Der Trojaner-Stammtisch trifft sich zweimal jährlich und widmet sich laut Bundesinnenministerium »Aspekten der Onlinedurchsuchung«. Nur »in geringerem Maße« stünde die »Quellenkommunikationsüberwachung« auf der Tagesordnung. Unter ersterem versteht man im Fachchinesisch der Kriminalisten das komplette Durchforsten eines Rechners. Für dieses gibt es laut einem Spruch des Bundesverfassungsgerichts jedoch hohe rechtliche Hürden.

Am Donnerstag teilte das Bundesinnenministerium dem Abgeordneten Hunko weitere Details mit. Dem BKA obliegt demnach die Rädelsführerschaft der »Remote Forensic Software User Group«. Anlaß ihrer Gründung war die Promotion für deutsche Spähsoftware auf internationalem Parkett: Zu Beginn firmierte der Polizeizusammenschluß sogar noch als »DigiTask User Group«. Erst später wurde auch über Testergebnisse von Produkten anderer Hersteller berichtet. Neben einem »Sachstands- und Erfahrungsaustausch« behandelten die Kriminalisten auch »operativ-taktische Aspekte« – also die Frage, auf welche Art und Weise ein Rechner mit dem Schadprogramm infiziert wird. Das BKA erklärte, die Schadsoftware über den herkömmlichen Internetverkehr einzuschleusen. Digitale Spähwerkzeuge können jedoch auch physisch eingebracht werden, etwa in der Tastatur als sogenannte »Keylogger«.

Offensichtlich ist die Expertise deutscher Kriminalpolizeien durchaus grenzüberschreitend gefragt: Das österreichische Internetmagazin »Profil« zitierte kürzlich einen Datenschutzexperten, der den digitalen Ermittlern von Österreichs Innenbehörden »zweitklassiges Kurswissen« attestierte. Fahnder einer Sondereinheit für Observation (SEO) waren anscheinend zuvor daran gescheitert, Verdächtigen einen Trojaner über das Internet unterzuschieben. Laut »Profil« sei die Installation dann bei einem heimlichen Wohnungseinbruch vollzogen worden. Zum Einsatz kam wieder Software der deutschen Firma DigiTask. Die polizeiliche Sondereinheit hatte die Nutzung von Trojaner-Programmen auch gegen linke Tierrechtsaktivisten beantragt.

Die Gründung der »Remote Forensic Software User Group« fällt in die Zeit, in der deutsche CDU-Innenpolitiker die Nutzung staatlicher Schadprogramme vermehrt ins Gespräch brachten. Auch auf EU-Ebene wurden 2008 mehrere Initiativen bekannt, innerhalb von Institutionen »Maßnahmen zur Erleichterung von Ferndurchsuchungen« zu etablieren. Ob die Polizeiagentur Europol Trojaner im kriminaltechnischen Arsenal führt, ist jedoch unklar. Die Bundesregierung erklärt, hierzu ebenso wie über die Agentur zur justitiellen Zusammenarbeit Eurojust keine Erkenntnisse zu haben. Europol bietet allerdings den Polizeien der EU-Mitgliedsstaaten regelmäßig seine Dienste im Bereich digitaler Kriminaltechnik an und preist sich als »weltweit herausragendes Zentrum der Weltklasse« vor allem im IT-Bereich.

Matthias Monroy / Junge Welt vom 14. November 2011

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