Chávez unterzeichnet Reform des Arbeitsgesetzes

Neues Gesetz reduziert Arbeitszeit, verbietet Leiharbeit und verlängert Mutterschutz. Opposition kritisiert mangelnde Diskussion, Regierung sieht Partizipation

Von Jan Kühn

amerika21.de

Caracas. Venezuela hat ein neues Arbeitsgesetz. Am Montag unterzeichnete der Präsident des südamerikanischen Landes, Hugo Chávez, die neue Regelung,die seit mehreren Monaten von einer Präsidialkommission ausgearbeitet wurde. Hierfür nutzte er die Möglichkeit, Gesetze per Dekret zu verabschieden, die ihm das Parlament Ende 2010 unter der Bezeichnung „Ley Habilitante“ gegeben hatte. Linke Gewerkschaftsvertreter kündigten deshalb an, den lang ersehnten Schritt auf den tradionellen Demonstrationen am heutigen 1. Mai zu feiern.

Das Gesetz sieht eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 44 auf 40 Stunden vor und streicht den Samstag als regulären Arbeitstag, sagte Chávez bei einer Veranstaltung im Präsidentenpalast Miraflores. Jedem Arbeiter stünden zwei aufeinanderfolgende Ruhetage zu. Darüber hinaus verbietet das Gesetz Leiharbeit und weitet den Mutterschutz um knapp zwei Monate auf sechs Wochen vor und 20 Wochen nach der Geburt aus. Bisher standen Frauen vor der Geburt sechs Wochen und danach 82 Tage (knapp zwölf Wochen) zu. Einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur AVN zufolge soll der Mutterschutz auch für informelle Arbeiterinnen gelten. Außerdem genießen die Eltern von Neugeborenen einen besonderen Kündigungsschutz von zwei Jahren.

Eine Änderung, die in den vergangenen Wochen große mediale Aufmerksamkeit erhalten hat, ist die Wiedereinführung von Sozialleistungen, die bei der Entlassung ausgezahlt werden. Diese waren 1997 während der Regierung des Christdemokraten Rafael Caldera unter Mitwirkung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und dem Unternehmerverband Fedecámaras gestrichen worden. Das neue Gesetz garantiert die Sozialleistungen rückwirkend zum Tag der Einstellung, wodurch vielen Arbeitern nun zusätzliche Ersparnisse entstehen, die sie auch vor Ausscheiden aus dem Beruf für den Wohnungskauf oder Investitionen in Bildung verwenden können. Im Fall ungerechtfertigter Kündigungen verdoppeln sich die zu zahlenden Sozialleistungen.

Aus den Reihen der Opposition wurden vor allem Kritiken an der Form der Ausarbeitung des Gesetzes laut. Ende 2011 hatte der Präsident eine Präsidialkommission unter Leitung von Vizepräsident Elías Jaua damit beauftragt, das Gesetz zu schreiben. Zwar wurden im Laufe der Zeit immer wieder Details aus den Planungen veröffentlicht, bis zum Tag der Unterzeichnung lag der komplette Gesetzestext jedoch nicht der Öffentlichkeit vor. Die im Bündnis Tisch der Demokratischen Einheit (MUD) zusammengeschlossenen Oppositionsparteien warfen der Regierung deshalb mangelnde Transparenz vor.

Der Generalsekretär des oppositionellen Gewerkschaftsdachverband CTV, Manuel Cova, kritisierte, dass sich die Präsidialkommission „hauptsächlich mit denen getroffen hat, die genauso denken wie der Präsident“. Ähnlich argumentierte Marcela Máspero vom linken Dachverband UNETE. Sie beklagte, dass ein von ihrer Organisation eingebrachter Gesetzentwurf keine Beachtung gefunden habe. Zwar unterstütze sie die angekündigten Änderungen, jedoch schwinde die Unterstützung der Arbeiterschaft für das Projekt durch dessen Unkenntnis.

Chávez und andere Regierungsvertreter wiesen die Kritik als haltlos zurück. Während der Ausarbeitung hätten 1.800 Versammlungen mit Arbeitern stattgefunden und es seien 19.000 Vorschläge eingebracht worden, so die Regierung. Tatsächlich war es aber vor allem der im vergangenen Jahr gegründete regierungsnahe Gewerkschaftsverband Central Socialista de Trabajadores (CST), der die Arbeiter in den Debatten vertrat.

Inhaltlich schlugen sich partizipative Elemente in dem Gesetz nieder. Artikel 497 sieht die Einrichtung von so genannten Arbeiterräten vor, die als „Ausdruck der Volksmacht für die protagonistische Partizipation im sozialen Prozess der Arbeit“ definiert werden. Die genauere Funktionsweise der Räte muss jedoch in einem eigenen Gesetz geregelt werden. Sehr deutlich schreibt das Gesetz eine Koexistenz von Gewerkschaften und Arbeiterräten fest.

Da das neue Gesetz so genannten „Organcharakter“ hat und damit Verfassungsrang erhält, muss zunächst der Oberste Gerichtshof (TSJ) diesen Status bestätigen. Fällt dessen Entscheidung positiv aus, dann bedarf es einer Zweidrittelmehrheit im Parlament, um das Gesetz zu ändern.

Bereits 2007 war eine Reform der Arbeitsgesetzgebung teil einer umfassenden Verfassungsreform. Diese sah unter anderem die Reduzierung des Arbeitstages auf sechs Stunden vor. Im Referendum über die Reform siegten jedoch die Gegner mit einer hauchdünnen Mehrheit.

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