Maidemonstration in La Paz. Boliviens Gewerkschaftsbund COB unterstützt den Nationalisierungskurs von Präsident Evo Morales
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Auf den Tag genau sechs Jahre nach der Verstaatlichung der Öl- und Gasvorkommen hat die bolivianische Regierung am 1. Mai auch die Kontrolle über die Stromverteilnetze des südamerikanischen Landes übernommen. Bei einer Veranstaltung zum »Tag der Arbeit« unterzeichnete Boliviens Präsident Evo Morales am Dienstag (Ortszeit) ein Dekret, wonach die Anteile des spanischen Konzerns Red Eléctrica de España (REE) am bolivianischen Stromversorger TDE enteignet und in Staatseigentum überführt werden. Die Spanier hatten bislang etwa 74 Prozent der bolivianischen Stromversorgung kontrolliert. Seine Entscheidung sei die gerechte Anerkennung für den Kampf der Arbeiter und des Volkes Boliviens um die Rückgewinnung der Bodenschätze und der wichtigsten Dienstleistungsbetriebe in Nationaleigentum, so Morales. Zugleich wies er die Streitkräfte an, die Einrichtungen des Unternehmens zu besetzen und zu kontrollieren, um Gegenmaßnahmen der bisherigen Eigentümer zu verhindern.
Im Unterschied zu den wütenden Reaktionen des Repsol-Konzerns nach dessen Enteignung in Argentinien im April scheint die REE-Führung jedoch auf Dialog zu setzen. Gegenüber der Nachrichtenagentur EFE erklärten Unternehmenssprecher am Mittwoch, man respektiere die »souveräne Entscheidung« Boliviens und setze auf ein »freundschaftliches Abkommen« mit La Paz, um einen »gerechten Preis« für die enteigneten Aktien auszuhandeln. Schärfer reagierte hingegen die spanische Regierung. Am Rande des EU-Finanzministertreffens in Brüssel kritisierte Wirtschaftsminister Luís de Guindos am Mittwoch, die Entscheidung der bolivianischen Regierung sei »negativ«. Madrid werde »überwachen«, ob REE eine »gerechte Entschädigung« erhalte.
Unterstützt wird Morales hingegen von Boliviens Gewerkschaften. Juan Carlos Trujillo, Exekutivsekretär der Bolivianischen Arbeiterzentrale COB, die zuletzt in Konflikte mit der Regierung verwickelt war, erklärte, seine Organisation befürworte die Nationalisierung, da sie den Arbeitern und dem Staat nutze. Er verwies darauf, daß die COB bei ihrem letzten Kongreß die Verstaatlichung aller produktiven Unternehmen des Landes gefordert hatte.
Auch die spanische Linke hat sich auf die Seite der bolivianischen Regierung gestellt. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Vereinigten Linken (IU) im spanischen Parlament, Alberto Garzón, erklärte, die Verstaatlichung stärke die Souveränität des südamerikanischen Landes und werde La Paz mehr Instrumente in die Hand geben, um seine Wirtschaftspolitik zu gestalten. Spanien müsse aufhören, sich von den Bodenschätzen ferner Regionen abhängig zu machen. Das Land könne sich nur entwickeln, wenn es sich seine eigenen ökonomischen Instrumente zurückhole, die privatisierten Unternehmen, so Garzón.
Unterdessen hat am Mittwoch im argentinischen Repräsentantenhaus die zweitägige Debatte um die Verstaatlichung des Ölkonzerns YPF durch Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner begonnen. Gerechnet wird mit einer breiten Zustimmung von mindestens 200 der 257 Abgeordneten. Der Senat in Buenos Aires hat die Enteignung bereits gebilligt.