Todesfälle und Erkrankungen aufgrund extremer Überbelegung. Humanitäre Krise geht in mehreren Gefängnissen weiter
Von Hans Weber
amerika21.de
Plakat zu den politischen Gefangenen in Kolumbien (Quelle)
Bogotá. Die 2.400 Insassinnen des Gefängnisses „El Buen Pastor“ in Bogotá haben am Montag einen Hungerstreik begonnen. Sie prangern an, dass die Lebensbedingungen dort unterhalb jeglicher Menschenrechtsstandards liegen. In Zellen, die für zwei Personen gebaut wurden, müssen zur Zeit sechs oder sieben Frauen schlafen. Den Häftlingen würden elementare Hygieneartikel und seit drei Monaten auch die medizinische Versorgung verweigert. Demzufolge seien zwei Frauen in den letzten zwei Wochen gestorben und eine Welle von Windpockenerkrankungen sei entstanden.
„El Buen Pastor“ ist aber kein Einzelfall bezüglich der Überbelegung. Das Gefängnis Villahermosa in der Stadt Cali beherbergt 6.000 Inhaftierte, obwohl es für 1.200 Häftlinge geplant wurde. In „Ternera“, in der Stadt Cartagena, gibt es 2.000 Männer, doch die Einrichtung hat Platz für 1.200. Noch extremer ist die Situation im Gefängnis „La Modelo“ in Bogotá, wo Funktionäre des Instituts für Vollzugsanstalten und Gefängnisse (INPEC) die Einlieferung von neuen Häftlingen blockiert haben. Grund dafür war, dass dort 7.900 Sträflinge eingesperrt sind, obwohl die Anstalt nur eine Kapazität für 2.900 besitzt.
Auch die Insassen des Gefängnisses von Villavicencio im Bundesstaat Meta haben Anfang August einen Hungerstreik erklärt, weil sie medizinisch nicht versorgt werden. Verletzte mit Stich- und Schusswunden und an Rollstühle gefesselte Kranke sind komplett unversorgt. Es gebe hunderte von Anfragen für einen Arzttermin, die unberücksichtigt blieben, so die Sträflinge gegenüber dem Komitee für Politische Gefangene (FCSPP).
Die Leiden, die unbehandelte Krankheiten verursachen, sei eine Form von Folter, die zu Verzweiflungstaten führen kann, sagt das FCSPP. So habe ein politischer Gefangener der berüchtigten Strafvollzugsanstalt „La Tramacúa“ gedroht, einen Wächter zu töten, wenn ihm weiterhin ärztliche Hilfe verweigert wird. Der Gefangene leidet seit Wochen unter massiven Schmerzen am unteren Rücken.
In den letzten drei Jahren sind mehrere politische Gefangene in verschiedenen Gefängnissen gestorben, weil sie keine ärztliche Behandlung bekommen haben. Seit 2011 haben sich fünf von ihnen selbst umgebracht.
Laut Einschätzungen der Kampagnengruppe „Die Mauer überwinden“ gibt es in Kolumbien circa 9.500 politische Gefangene. 1.000 davon sollen den zwei Guerilla-Gruppen FARC und ELN angehören. Der Rest seien Menschenrechtler, Mitglieder von sozialen Organisationen oder Aktivisten, die durch falsche Aussagen und konstruierte Beweise als Mitglieder Guerilla bezichtigt werden.