Am Ostersamstag, den 30. März um ca. 18 Uhr sind drei Personen auf dem Rückweg ins Lager Vockerode. Sie treffen auf mehrere alkoholisierte Männer, die sie mit den Rufen „Neger“ und „dreckige Ausländer“ beschimpfen. Sie beachten sie zuerst nicht und setzen ihren Weg fort. Als die ersten Bierflaschen fliegen, fangen sie an zu laufen. Sie werden verfolgt und flüchten sich in einen der Blocks des Lagers.
Dort warten sie ca. 20 Minuten, dann gehen sie in ihre eigenen Zimmer, die sich in einem anderen Block befinden. Von dort aus beobachten sie einen weißen „Hundefänger“, der in der Nähe der Sparkasse parkt. Die wartenden Männer sind maskiert und drei von ihnen umkreisen die Wohnblocks mit Fahrrädern, während der Fahrer im Auto wartet.
Nach einiger Zeit gibt es wieder Lärm, sie hören, dass die Nazis nun vor dem Block skandieren: „dreckige Neger“, „ Ihr kommt hierher um unser Geld zu holen“ und „Ausländer raus“.
Zwei Nazis verschaffen sich Zugang zum Haus, ein dritter wartet vor dem Eingang. Sie treten eine Wohnungstür im ersten Stock ein. Dort befinden sich zwei Menschen, die von den Nazis angegriffen werden. Sie werden geschlagen und u.a. mit der Äußerung bedroht: „Im Sommer werden wir hier alles kaputt schlagen!“.
In dieser Situation verlassen nun auch andere Menschen die Blocks, um die drei an der Flucht zu hindern. Der Fahrer verschwindet mit dem Auto.
Die Polizei von Gräfenhainichen jedenfalls wird um 19.50 Uhr benachrichtigt. Sie trifft eine halbe Stunde später mit 8-10 Beamten ein. Sie fotografiert neben der eingetretenen Tür auch den Mann, der den Polizisten auf deren fragen was geschah, Rede und Antwort steht. Auf dessen Frage, was das solle, bekommt er keine Antwort.
Der Sicherheitsdienst reagiert auf mehrmaliges Klingeln nicht. Er verlässt sein Zimmer erst kurz bevor die Polizei eintrifft.
Die Nazis werden außer Sicht- und Hörweite der versammelten Menge gebracht. Sie sind weiterhin aggressiv und einer geht einen Beamten an, nachdem er fotografiert wurde. Ebenfalls vor den Augen der Polizei wird einem der Flüchtlinge ein Faustschlag ins Gesicht versetzt. Daraufhin wird dieser (!) von der Polizei aufgefordert, ruhig zu bleiben. „Wenn ich ihn geschlagen hätte, glaube ich nicht, dass ich heute hier wäre“, kommentiert er.
Nicht genug damit, dass sich kurz nach dem Umzug der Flüchtlinge nach Vockerode eine Bürgerinitiative gründete, die sich zwar von NPD und Neonazis distanzierte, ansonsten aber Rassismen und Vorurteile bediente und z.B. forderte die Zahl „der Ausländer auf ein erträgliches Maß zu reduzieren“. Nicht genug damit, dass die NPD auf diesen Zug aufsprang und seit Monaten im Zwei-Wochen-Takt Infostände anmeldet. Da Verantwortliche des Landkreises es nicht für nötig halten, die BewohnerInnen des Lagers über den Stand der Dinge zu unterrichten, sind sie ständiger Ungewissheit und einem permanenten Angstzustand ausgeliefert.
Vor wenigen Wochen, nach der Nazidemo in Dessau am 10. März, traf sich abends schon eine Gruppe Nazis in einer Wohnung in unmittelbarer Nähe des Lagers.
Die Menschen, die gezwungen sind im Lager Vockerode zu leben, sehen sich nach den Angriffen auf ihr Leib und Leben nun einer noch stärkeren Bedrohung ausgesetzt. Die Situation ist spätestens jetzt eskaliert und unter keinen Umständen länger hinzunehmen. Der Sicherheitsdienst ist offensichtlich auch nicht in der Lage, die Menschen dort zu schützen, wie der gestrige Abend demonstriert. Wir werden nicht warten, bis Schlimmeres passiert.
Wir fordern die Schließung des Lagers Vockerode!
Flüchtlingsinitiative Wittenberg, 31. März 2013