1 Jahr illegal – Schöne Grüße! Verfasst von: smily.

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12 Monate ist es nun schon her als ich mich dazu entschloss die mir durch Stuttgarter Justizbehörden erneut verhängte Haftstrafe nicht anzutreten und mir dass was mir zusteht
– meine Freiheit – stattdessen einfach selbst zu nehmen.

Heute kann ich sagen dass sich dieser Schritt auf jeden Fall gelohnt hat und ich mit dieser Entscheidung gut leben kann.
Der Kampf geht weiter – drinnen und draußen!

Vorab:
Ich bringe das hier zu Papier für alle Genossen die sich hinter Gittern befinden und sich bis heute nicht haben brechen lassen – Grüße an Thomas Meyer-Falk gleich auch mal an dieser Stelle – und alle linken Aktivisten die man mit Hilfe von u.a. Gesinnungsparagraphen zu kriminalisieren ersucht (aktuell gerade auch ein weiteres Mitglied von RASH Stuttgart). Alle politischen Gefangenen weltweit und alle, die sich für den Kampf um Befreiung und für eine revolutionäre Perspektive einsetzen. Aber auch für jene, die immer schon davon geträumt haben nur einmal aus ihrem bürgerlichen Leben auszubrechen und nicht mehr so zu funktionieren wie das Vater Staat mit repressiven Mitteln in einer kapitalistischen Zwangsgesellschaft abnötigen will, in der der Hauptfeind für den Unterdrückungsapparat links steht. Natürlich geht das auch raus an alle Genossen, Fam & Friends, die bis heute an meiner Seite stehen, sich weiterhin solidarisch zeigen und sich für den Kampf in kapitalistischer „Freiheit“ entschieden. Gleichzeitig möchte ich die Gelegenheit nutzen um auch von meiner Seite aus nochmal an unsere verstorbene Genossin Alex zu erinnern. Der Antirepressionsbereich war eines ihrer Hauptthemen in ihrem politischen Leben und auch sie trug ihren Teil dazu bei dass mir die Stammheimer U-Haft Situatuion 2012 unterm Strich mehr gutes als schlechtes brachte und ich diese Zeit produktiv nutzen konnte. So tat sie es auch zahlreichen anderen Genossen gleich und war am Ende selbst von staatlicher Repression betroffen. Liebe Genossin, folgendes geht auch und besonders an Dich. Danke für alles was Du für uns und die Bewegung getan hast. In unseren Kämpfen wirst Du immer weiterleben!

Politische Hintergründe
Eine Kneipenschlägerei im Verhältnis 1:8 vom Sommer 2011 sollte den Grundbaustein einer Repressionswelle gegen mich legen. Exemplifizierend. Denn einen Linksruck innerhalb der Skinheadszene hielten offensichtlich nicht nur „unpolitische“ oder rechtsradikale Anteile selbiger für bedenklich.
Stellvertretend für die sich selbst als Grauzone definierenden Oi! Skins – Section Stuttgart und ihrer „Kampfansage“ an RASH „und Teile der Antifa,“ traten die Knalltüten Thilo Storz (heute noch so unpolitisch, dass er sich mit Thor Steiner tragenden Punks am Stuttgarter Hauptbahnhof die Zeit vertreibt und sich bereits privat mit dem Staatsschutz zum Kaffee trifft), Janko Liebmann und Malte Möllendorf dann im Februar 2012 als belastende Zeugen gegen mich vor Gericht auf. Ganz im Sinne ihres traditionellen „Way of Life“ unpolitischer Skinheads versteht sich. Vorsätzliche schwere Körperverletzung gegen mich war angeklagt. Weitere Anklagepunkte waren Sachbeschädigung und Beleidigung bzgl. eines antifaschistisch gelabeltem Grauzonenkonzertes, wo Marlene Rottler eigens angefertigte Hetzflyer gegen mich an den Mann brachte (die teilweise auch in der Stuttgarter Innenstadt auslagen), sowie eine weitere Sachbeschädigung – ACAB-Graffiti auf einem Einsatzfahrzeug der Stuttgarter Polizei. Die in ihrer Ehre gekränkten Beamten mussten noch die ganze Nacht damit durch die Innenstadt gurken, da kein Ersatzfahrzeug auffindbar war.
Die politische Abteilung der Stuttgarter Staatsanwaltschaft nahm sich dem Fall an. Staatsanwalt Biel (bekannter Linkenhasser) und Staatsschutz Sitzler (Dezernat 2.2, auch bekannt für seinen ganz persönlichen Kampf gegen links) gaben sich hierfür mal wieder die Klinke in die Hand.
10 Monate Stammheimer Zuchthaus brachte mir das alles dann ein, die ich schon 2 Wochen vor Urteilsverkündung in erster Instanz abzusitzen begann.
Die Stuttgarter Grauzone feierte sich hierfür.
Zumindest einer…

Wenige Monate nach meiner Entlassung Ende 2012 war es der Stuttgarter Staatsanwaltschaft dann ein besonderes Anliegen mir jegliches politische Engagement zu verunmöglichen. Den von den Behörden anschließend beantragten Bewährungswiderruf (9 weitere Monate Knast) – weil ich Rechtsmittel einlegte und meine Strafe nicht akzeptierte – begleiteten schnell weitere Anklageschriften und Ermittlungsverfahren gegen mich. 01. Mai 2013 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und August 2013 gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung. Für ersteres reichte es, dass ich mir meine rote Fahne am Tag der ArbeiterInnen nicht einfach so von aufgewiegelten Staatsbeamten wegnehmen lassen wollte. Da konnte der Lümmel noch so dran zerren, es sollte nichts nützen. Die Exekutive nahm sich an jenem Tag vor Ort ganz andere Dinge raus. Die Anklage der Stuttgarter Staatsanwaltschaft hierfür stützt sich auf „Erkenntnisse“ der Polizei, die im Nachhinein ihren Knüppeleinsatz zu legitimieren versuchten. Zu zweiterem ist zu sagen dass es letzten Sommer gelungen ist einen NPD-Infostand in Stuttgart-Weilimdorf zu verhindern, der von der Stadt Stuttgart genehmigt war. Das führte zu einem weiteren Hausbesuch bei mir durch die Staatsschutzbande. In meiner Abwesenheit wurden Informationsträger, eine Jogginghose und ein Baseballschläger beschlagnahmt. Auch hier stützt sich alles wieder nur auf irgendwelche Einschätzungen von Staatsseiten bzw. oben bereits genannten Funktionären, die sich hierfür erneut zuständig zeigten. Was aus all dem jetzt konstruiert wird ist noch nicht genau zu sagen, da bisher weder etwas eingestellt wurde noch ein weiterer Gerichtsprozess stattfand. Da unsere Klasse aber erfahrungsgemäß sowieso immer um jeden Preis abgeurteilt werden soll, rechne ich bei Strafzusammenzug mit etwa 1 ½ – 2 ½ Jahren geschlossenem Vollzug, den sich die Repressionsorgane jetzt erst mal abschminken können.

Warum diese Entscheidung?
Sicher wäre es auch ein überschaubarer Zeitraum an Haftstrafe gewesen, der nicht sonderlich beeindruckt hätte, trotz alledem was mir Funktionäre der Klassenjustiz nach dem Bewährungswiderruf-Konstrukt noch zusätzlich auf Biegen und Brechen reinballern wollten. Doch muss man im Leben auch immer mal wieder etwas neues probieren. Mir geht es hierbei auch nicht um die Strafe, sondern ums Prinzip. Wenn es um die Verurteilung von linken Aktivisten geht, wird ständig großzügig über Widersprüche und entlastende Details hinweggesehen und auf Beweisführung gänzlich verzichtet. Selbst wenn es hier „nur“ um 9 Monate Knast gehen sollte, so hätte ich diese wegen den weiteren Ermittlungsverfahren garantiert im geschlossenem Vollzug verbracht. Soviel dann auch gleich nochmal zur Aussage der zuständigen Richterin für den Bewährungswiderrufsbeschluss im Sommer 2013 „studieren kann man auch im Knast.“ Nicht dass ich etwas anderes erwartet hätte, doch im September 2013 dann vor dem Knasttor der JVA Rottenburg noch um Einlass zu bitten – auch wenn man so etwas sportlich sehen kann – schien mir nach allem was passiert ist jedenfalls nicht geboten. Weder an Verhältnismäßigkeit für das was man mir vorwerfen will, noch an Lust und Laune, geschweige denn an irgend einer Einsicht.
So entschied ich mich dafür der Nichtanerkennung meiner Strafe im Ganzen nunmehr auf diesem Weg Ausdruck zu verleihen. Zum juristischen Kartenspiel sei noch gesagt dass vor dem Hintergrund eines Ku Klux Klan-Skandals im süddeutschen Polizeiapparat, oder eines sogenannten Verfassungsschutzes der einen NSU finanziert und gedeckt hat, doch eigentlich erst mal andere bestraft werden sollten, statt dass man sie weiter die Karriereleiter hochsteigen lässt, falls einem überhaupt noch daran gelegen ist irgend einen demokratischen Anschein zu wahren, auf den wir sowieso schon lang nicht mehr reinfallen.

Ihr Kampf gegen links hat genauso Tradition wie staatliche Verwicklungen auf der anderen Seite und ist Ausdruck ihrer Angst in Zeiten der Krise. Ein Drehtüreffekt im Knastsystem natürlich gewünscht. Dort lässt sich ja bekanntlich aus der Not der Gefangenen noch ein gutes Geschäft machen. Wer da noch an Resozialisierung o.ä. glaubt scheint reichlich blauäugig.
Die 2012 vor dem Amtsgericht von Verdunklungs- verfassungswidrig umgewandelte Fluchtgefahr als Haftgrund gegen mich sei dem Staatsapparat nun jedenfalls hiermit endlich gegönnt, die tausche ich bis auf weiteres gegen meine Freiheit ein!

Was hat sich verändert und was bleibt?
Diesen Abschnitt würde ich ganz besonders gern für unsere Genossen hinter Gittern länger gestalten, ich möchte aber um Verständnis bitten dass ich aus Sicherheitsgründen nicht ganz so ausführlich über meine Situation schreiben kann wie ich eigentlich will. Jedenfalls geht es mir gut soweit und ich bin fit. Wenn ich mir überlege was ich bis jetzt allein schon in einem Jahr alles erlebt habe, möchte ich keinen Tag davon missen. Auch wenn es bis hierher nicht immer leicht war. Ehrlich gesagt hätte ich auch niemals gedacht dass das überhaupt so lang gut geht. Unversucht wollte ich es trotzdem nicht lassen. Und zweifelsohne bleibt es weiterhin spannend. Im Gegensatz zum Knast ist für mich jeder Tag anders und birgt neue Abenteuer.
Keine Struktur, keine Zwänge. Mein ganzes bürokratisches Dasein – alles wertlos. Endlich!
Allein das macht schon frei!
Dafür: Das Leben in seinem elementarsten spüren, mit allen Höhen und Tiefen, genau das macht diese Variante des politischen Kampfes für mich wertvoll und interessant. Und genau das ist es doch wovon vermutlich nicht nur Menschen hinter Gittern träumen. Erträumt hätte sich die Gegenfront hier vermutlich anderes. Zu gern hätte ich da nur vor einem Jahr die Gesichter involvierter Akteure gesehen als sie realisieren mussten dass nun in der JVA doch erst mal noch ein Bettchen frei bleibt. Und das jetzt nicht mal weil sie es so wollten. Das gibt mir grundlegend ein gutes Gefühl aus dem ich immer wieder viel Kraft schöpfen kann. Was es anfangs – ähnlich wie im Knast – zu überwinden galt, war erst mal auch – trotz der neugewonnenen großen Freiheit – ein wiederkehrendes Gefühl der Isolation. Jeder kann sich wahrscheinlich vorstellen dass Semesterferien anders aussehen dürften. Mit individueller Strategie und gemeinsam muss auch in dieser Situation jenes Isolationsgefühl durchbrochen werden. Auch ist es wichtig sich unter gegebenen Umständen selbst eine gewisse Struktur zu schaffen um sich nicht zu verlieren.
Das habe ich im Knast mit lesen, trainieren und schreiben geschafft.
Nun stehen mir x weitere Varianten zur Verfügung…
Was also 2012 schon im Stuttgarter Hochsicherheitstrakt geklappt hat, das klappt jetzt erst recht! Ihre Mauern können uns nicht trennen und was bleibt ist der gemeinsame Kampf. Zu verlieren gibt es nichts als unsere Ketten.
Eine Welt zu gewinnen!

Abschließend:
Und nur um das nochmal festzuhalten, mir geht es hierbei weder um die Wichtigkeit meiner Person noch darum darzustellen welch unglaubliches Unrecht mir widerfahren ist, das mich letztendlich in die Illegalität getrieben hat, um mich hier in irgend einer Opferrolle zu präsentieren. Was sie wollen wissen wir, haben es schon an unzähligen anderen Beispielen gesehen und kennen es. Wenn man sie dazu zwingt ihre demokratische Maske abzulegen, wissen wir was sich für eine Fratze entblößt.

Somit juckt mich das persönlich alles auch herzlich wenig. Vielmehr geht es mir hierbei darum einmal mehr offenzulegen mit welch einer Intensität antikommunistisch geprägte Institutionen der BRD gegen linke Strömungen vorgehen währenddem auf anderer Seite doch regelmäßig differenzierter verfahren wird. Vor allem aber auch darum, aufzuzeigen dass es Alternativen zum Knast geben kann und es immer möglich ist den Mythos der Allgegenwart des Systems in irgend einer Form zu zerschlagen. Natürlich geht es auch darum, (bekannte) Einzelpersonen oder Parteien die sich hierfür zusehens gern die Ehre gegeben haben beim Namen zu nennen und sie aus ihrer Anonymität zu holen. Doch auch wenn es für uns als linke Aktivisten immer wichtig bleiben wird genau das zu entlarven, kann es uns hierbei aber auch nicht nur darum gehen einzelne Fehler im System zu benennen, damit rechte dann endlich auch mal genauso hart wie linke bestraft werden, oder ein Biel, ein Sitlzer, eine Richterin Neuffer, Beamter XY whatever dann irgendwann mal abtreten werden, während an der juristischen Fakultät, oder in der Beamtenschule schon wieder das nächste Unkraut nachgezüchtet wird. Staatliche Repression ist Teil des Kapitalismus. Den wollen wir abschaffen. Ohne ihn wären die Knäste leer, viele Beamte arbeitslos und diverse Firmen wie hierzulande die Daimler AG könnten mit dem Geschäftsmodell Ausbeutung der Gefangenen in Stammheim durch Produktionsarbeit (60 ct./Std. abzüglich Unkosten 30ct./Std.) auch keinen Zaster mehr machen.

Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung muss daher unsere Perspektive bleiben, die wir zu diesem Zweck komplett umgestalten werden. Wenn das Schweinesystem selbst schon der Fehler ist, sollte man dieses irgendwann auf den Kopf stellen um einen wirklichen Umschwung zu schaffen!

„Ich habe ja nichts gegen die Klassenjustiz. Mir gefällt nur die Klasse nicht, die sie macht. Und dass sie noch so tut, als sei das Zeug Gerechtigkeit – das ist hart und bekämpfenswert.“
Kurt Tucholsky

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