von Organisierte Autonomie Nürnberg:
Eindrücke aus Heidenau 22.08.15 – Für organisierten Antirassismus!
Am 22.08.2015 sind wir mit GenossInnen dem Aufruf gefolgt, uns in Heidenau dem rechten Mob entgegenzustellen und Solidarität mit den Flüchtlingen zu demonstrieren. Hier ein Abriss unserer Eindrücke und der Aufruf aktiv zu werden in Zeiten massiver rechter Hetze und Übergriffe.
Nach den Ausschreitungen von Nazis und RassistInnen vor der Flüchtlingsunterkunft in Heidenau bei Dresden, am Freitag den 21.08.2015, mobilisierten Dresdner und Leipziger AntifaschistInnen in die Kleinstadt, um die Unterkunft zu schützen und Solidarität mit den Geflüchteten zu zeigen.
Während ein Teil der AktivistInnen aus Dresden und Umland angereist kam, beteiligten sich auch etliche Autos aus dem gesamten Bundesgebiet. Auch AntifaschistInnen aus Nürnberg folgten dem Aufruf, am darauffolgenden Samstag nach Heidenau zu kommen.
Im Laufe des Abends fanden sich etwa 250 – 300 AntifaschistInnen gegenüber des ehemaligen Praktiker Baumarktes, in dem die Unterkunft eingerichtet wurde, ein. Bereits am Nachmittag zogen rund 200 AktivistInnen aus Protest gegen die rechten Ausschreitungen in Form einer Demonstration vor das Heim und hießen die Flüchtlinge willkommen. Die, überwiegend aus dem autonomen Antifa-Spektrum stammenden, DemonstrantInnen hielten ihre Kundgebung überwacht und eingeschränkt von ein paar dutzend PolizistInnen ab. Nicht einmal hundert Meter weiter, quasi direkt vor dem Eingang der Unterkunft, konnten sich unbehelligt ca. 200 Nazis in kleinen Grüppchen sammeln. Zudem waren in der Umgebung mehrere Kleingruppen von Faschos unterwegs, die nach Möglichkeiten suchten Linke auszuspähen, einzuschüchtern und anzugreifen.
Insgesamt werden wohl 300 – 350 Rechte auf der Strasse gewesen sein. Eine genaue Zahl lässt sich aufgrund der unübersichtlichen Lage nur schwer bestimmen. Der Mob setzte sich überwiegend aus unter 30-jährigen Männern und Frauen zusammen. Bis kurz vor 23 Uhr blieb die Situation verhältnismäßig ruhig. Vor den Augen der Polizei kam es immer wieder zu „Sieg Heil“-Rufen gegenüber rechten Neuankömmlingen. Die Nazis fühlten sich augenscheinlich sicher, bewegten sich frei, tranken Alkohol und provozierten immer wieder Linke. Zur vollen Stunde versuchten etliche FaschistInnen zur linken Kundgebung vorzudringen. Sie scheiterten jedoch innerhalb weniger Sekunden an einer von der Polizei errichteten Polizeikette. Während die Angreifer gut hundert Meter zurück geschlagen wurden, griff ein weiterer Mob von etwa 30 Nazis die linke Kundgebung von einer anderen Seite an, zogen sich aber unvermittelt zurück, als sich ihnen AntifaschistInnen entgegenstellten.
Während der harte Kern weiter abseits kleinere Konfrontationen mit der Polizei suchte, konnte sich der Großteil der RassistInnen wieder unbehelligt direkt vor dem Tor der Unterkunft zusammenrotten. Zeitgleich wurde die schon von Beginn an mit Flutlichtern ausgeleuchtete Kundgebung der AntifaschistInnen verstärkt abgefilmt.
Einige Flüchtlinge beobachteten das Treiben vom Fenster aus. Außer vereinzeltem Zuwinken von beiden Seiten kam zu diesem Zeitpunkt kein Kontakt zwischen ihnen und den UnterstützerInnen zustande. Laut Berichten begaben sich aber zu früherer Stunde rund 20 Geflüchtete auf die linke Demonstration als diese vor dem Heim angekommen war.
Kurz nach Mitternacht wurde die linke Kundgebung beendet und die AntifaschistInnen traten unter Begleitung der Polizei den Heimweg an. Auch hier gab es vereinzelte Versuche von Nazis die Abreisenden anzugreifen.
Von Seiten der Politik gibt es keinen ernsthaften Versuch, solche Situationen erst gar nicht entstehen zu lassen. Während bei Drittliga-Fußballspielen aufgrund von teils abstrusester Gefahrenprognosen Einsatzkräfte aus dem ganzen Bundesgebiet angekarrt werden, wird in Städten wie Freital oder Heidenau den RassistInnen freier Lauf gelassen, sich zu versammeln, Menschen zu bedrohen, und sich schließlich fadenscheinig über vorhersehbare Gewaltausbrüche empört. Während Demonstrationen von Linken oder Geflüchteten massiver Repression ausgesetzt sind, bleibt es bei reinen Lippenbekenntnissen wenn es darum geht RassistInnen Einhalt zu gebieten.
Das Gewährenlassen und Unterstützen von faschistischen oder rassistischen Gruppierungen im Inneren, geht aber tatsächlich einher mit dem schmutzigen Krieg gegen Geflüchtete der an den europäischen Außengrenzen tagtäglich stattfindet.
Auf der einen Seite wird scheinheilig dazu aufgefordert, Solidarität mit Flüchtlingen zu zeigen, die es hier her geschafft haben, nicht ohne eine Unterteilung in ‚guter‘ und ’schlechter‘ Flüchtling zu betreiben, auf der anderen Seite wird seit Jahrzehnten rassistische Hetze betrieben, um dann den ‚besorgten Bürger‘ als Vorwand zu nehmen die Einwanderung weiter zu beschränken. Der Kapitalismus ist es, der Fluchtursachen produziert. Ein System, dass auf Konkurrenz und Ungleichheit basiert, bringt unweigerlich Rassismus hervor. Rassismus ist einer von mehreren bewährten Spaltungsmechanismen, der von den Herrschenden seit je her benutzt wird, um
die Menschen zu zerstreuen. Eine voranschreitende Verrohung und steigender Rassismus in der Gesellschaft verschieben den Fokus der lohnabhängigen Klasse immer weiter weg vom kapitalistischen System und seiner profitierenden herrschenden Klasse.
Doch schon heute widersetzen sich die verschiedensten Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen dieser Spaltung. Aus den unterschiedlichsten Motiven gibt es einen nicht zu vernachlässigenden Faktor an Menschen in Deutschland, die praktische Solidarität mit und für Geflüchtete organisieren. In zahllosen Gemeinden und Städten haben sich Initiativen gegründet die Flüchtlinge willkommen heißen. Auch in Freital oder Heidenau. Der gesellschaftliche Diskurs ist polarisiert. Pegida und Co. können durchaus als Gegenbewegungen zu einer erstarkten kämpfenden Flüchtlingsbewegung und einem sich verbreitenden antirassistischen Konsens verstanden werden. Eine Polarisierung bringt mehr und mehr Menschen in die Situation sich positionieren zu müssen. Diese Situation birgt Chancen, denn nur wenn sich etwas bewegt kann sich auch etwas verändern. Ob die Veränderung zu einer besseren oder schlechteren Situation führt, ist davon abhängig ob die radikale Linke in der Lage ist, eigene revolutionäre Inhalte gepaart mit einer widerständigen Praxis in den Diskurs einzubringen, vorhandene Initiativen zu unterstützen, eigene Initiativen zu entfalten und die fortschrittlichen Kräfte zu vernetzen.
Jede und jeder ist gefragt, Rassismus in all seinen Formen aktiv entgegen zu treten und praktische Solidarität mit Geflüchteten zu zeigen. Das fängt im Alltag an, ob im Betrieb, der Schule, der Uni, auf der Strasse oder auch beim Bäcker. Sprich Gegenpositionen zu rassistischer Hetze und Vorurteilen in der Gesellschaft weiter zu verankern – deren Teil wir alle sind. In der Gewissheit, dass jetzt zwar schon viele Menschen – aber vereinzelt – gegen Rassismus und für mehr Solidarität sind, müssen wir zusammenkommen, uns austauschen und organisieren. Ob vor bedrohte Unterkünfte wie in Heidenau zu fahren, um sich Nazis in den Weg zu stellen oder die kämpfenden Flüchtlinge in der eigenen Stadt zu supporten, es gibt viele Möglichkeiten aktiv zu werden. In diesem Prozess müssen wir uns als Teil der lohnabhängigen Klasse sehen und, egal in welchem Bereich und über alle vermeintlichen Unterschiede wie Herkunft oder Kultur hinweg, Klassensolidarität entwickeln, um den Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung auf allen Ebenen voranzutreiben.
Für ein Bleiberecht für Alle!
Hoch die internationale Solidarität!
Grenzen weg!
Für die soziale Revolution!
Organisierte Autonomie