Warum Militanz gegen Faschisten notwendig bleibt

In Gedenken an Frank Böttcher, Torsten Lamprecht und alle Opfer faschistischer Gewalt!

In Zeiten von wachsender faschistischer Gewalt und Wahlerfolgen rassistischer Parteien, scheinen viele bürgerliche Zeitgenossen im Dialog die beste Möglichkeit entdeckt zu haben, Faschisten und Rassisten wirksam zu bekämpfen. Es häufen sich schlaue Kommentare zum angeblich besten Umgang mit offenen Rassisten, „Rechtspopulisten“ und Faschisten. Da werden hier in Magdeburg schon mal StudentInnen, die eine Sitzblockade gegen die AfD organisieren, als Feinde der Meinungsfreiheit oder gar „Linksfaschisten“ (was immer das sein soll) erkannt. Es kommt zu einer Relativierung faschistischer Gewalt, die seit der Einverleibung der DDR  mehr als 200 Todesopfer gefordert hat. Zum 20. Todestag von Frank Böttcher und dem 25. Jahrestag des Mordes an Torsten Lamprecht scheint es an der Zeit zu sein, ein paar, für viele vielleicht unbequeme, Fakten wieder auf den Tisch zu legen.
Magdeburg hat seit 1992 mindestens vier Todesopfer faschistischer Gewalt zu beklagen. In diesem Kontext wurden hier viele AntifaschistInnen politisiert. Die Morde an Frank und Torsten, aber auch an Rick und Farid haben hier vielen Jugendlichen gezeigt, dass es notwendig ist, sich selbstständig und militant gegen Faschisten zu wehren. Sich auf die Polizei zu verlassen bedeutet hier ganz klar, sein eigenes Todesurteil zu unterschreiben. Der Staat hat nicht erst seit der Morde des NSU das Gewaltmonopol zu Gunsten der Neofaschisten verschoben. Zu oft wurde seitens der Polizei relativiert oder wie bei dem Mord an Torsten Lamprecht, sogar noch zugeschaut als Menschen regelrecht gelyncht wurden. Vertreter_innen der gewaltlosen Auseinandersetzung sprechen von politischem Dialog. Angeblich müsse man mit den Rassisten ja nur reden. Mit Gesprächen und Argumenten ließe sich das Weltbild von beispielsweise AfD-Anhänger widerlegen. Das ist schlichtweg falsch und äußerst gefährlich.  Den während im Landtag noch über Poggenburgs Äußerungen zum  „wuchernden  Linksextremus am Volkskörper“ diskutiert wird , ist der rassistische Mob unlängst auf den Straßen präsent. .Jede Diskussion mit ihnen bring ihnen nur noch eine Plattform und mehr Aufmerksamkeit für ihr menschenverachtendes Weltbild. Das wiederum führt langfristig zur Akzeptanz ihres Weltbildes als Teil der öffentlichen Meinung im demokratischen Diskurs. Das ist eine Entwicklung, die es zu verhindern gilt. Faschismus ist ein Verbrechen, aber keine Meinung.
Dass zu viel Akzeptanz und Gespräche ihnen nur noch mehr Aufwind geben, zeigt auch wieder die Magdeburger Geschichte. So hat beispielsweise die akzeptierende Jugendarbeit hier im Osten viel dazu beigetragen, Nazistrukturen überhaupt erst zu etablieren. Eine „gutes“ Beispiel ist die „Initative gegen das Vergessen“, die in den Räumen einer nach dem Konzept der akzeptierenden Jugendarbeit arbeitenden Einrichtung entstand. Das Ergebnis waren fast zwei Jahrzehnte organisierte Nazistrukturen in Magdeburg.

Mit Nazis diskutieren?

Haben die Leute, die solche Thesen anbringen, überhaupt schon mal einem wirklichen Faschisten gegenübergestanden? Die Realität auf der Straße sieht anders aus. Diese Menschen sind nicht an einer Diskussion interessiert. Ihr Ziel ist alle, die nicht in ihr Weltbild passen, zu bekämpfen und wenn es die Bedingungen hergeben, auch zu töten. Das ist die Vergangenheit und die Gegenwart. Gewalt, Ausgrenzung und Mord sind ein integraler Bestandteil faschistischer Ideologie und nicht das Produkt einzelner verwirrter Täter, die es durch Diskussionen zu bekehren gilt.
Vielleicht ist es für viele in ihrer bürgerlichen Wohlfühlmentalität schwer einzugestehen, aber das was NPD, AfD und andere Faschisten von sich geben, ist kein Populismus oder Stimmenfang. Wenn diese Leute sagen, man sollte an der Grenze auf Frauen und Kinder schießen, sollten wir das ernst nehmen und nicht als Wahlkampfmethoden abtun. Diese Typen meinen was sie sagen, und sollten sie an die Macht kommen, werden sie diese Aussagen auch wahr machen. Das sollte nicht verharmlost oder relativiert werden. Nazis und Rassisten sind eine reale Gefahr für alle freiheitsliebenden Menschen. Die unvollständige Statistik belegt für 2016 mehr als 1749 Straftaten von Faschisten in Sachsen- Anhalt und sie steigt weiter an. Das scheint  in Magdeburg von vielen nicht mehr ernst genommen zu werden. Vielmehr verliert sich „der anständige Demokrat“ in Anschuldigungen gegenüber denen, die Widerstand gegen diese grassierenden Zustände leisten.
Warum bekommt die Diskussion um eine verhinderte AfD-Veranstaltung an der Uni mehr Aufmerksamkeit, als die Tatsache, dass Rassisten nur wenige Tage zuvor ein bewohntes Haus in Magdeburg Neustadt anzündeten? Sind wir mal ganz ehrlich: Hätten es die AntifaschistInnen bei der Aktion in der Uni wirklich darauf angelegt, hätten sich der selbstgerechte Herr Poggenburg und seine Anhänger ganz schnell in der Notaufnahme wiedergefunden. Dann erst hätten die bürgerlichen Vertreter wirklich einen Grund gehabt, sich in Facebook-Kommentaren und der Volksstimme auszuheulen. Allein der Besonnenheit und Zurückhaltung der Anwesenden ist es doch zu verdanken, dass Pogge & Co noch grinsend den Saal verlassen durften. Da hindert sie natürlich nicht daran im Landtag über „Linksextreme Gewalt“ & „Linksfaschismus“ rum zu heulen, während ihre Wähler weiter Häuser anzünden in denen Menschen wohnen.
Wo bleiben denn die Massen an Zivilgesellschaft um den Faschos klar zu zeigen, dass sie kein Teil der Gesellschaft sind? Wer macht denn wirklich aktiv etwas gegen rassistische Übergriffe?
Die Zivilgesellschaft, wie sie sooft auch bei der „Meile der Demokratie“ beschworen wird, ist leider sehr schwach. Was es real gibt, ist ein Anteil von annähernd 25% aller Wähler die hier in Sachsen Anhalt die AfD gewählt haben. Da helfen auch keine geschönten Besucherzahlen der Bratwurst- essenden- Antifa im Januar auf der Meile. Ganz realitätsfremd wird es, wenn dann auch noch behauptet wird, die „Meile der Demokratie“ hätte etwas konkretes zum Niedergang des jährlichen Naziaufmarsches in Magdeburg beigetragen. Nein, die OrganisatorInnen haben doch eher zur Diffamierung von Sitzblockaden und effektivem Widerstand und schließlich zur Gleichsetzung von Faschisten und Gegenprotesten beigetragen. Wieder wird die Meinungsfreiheit als ein Art Totschlagargument missbraucht. Ergebnis war, dass den Nazis, im Namen der Meinungsfreiheit, jahrelang der Weg frei geprügelt wurde und AntifaschistInnen kriminalisiert wurden und werden. Während sich zeitgleich die bürgerlichen Vertreter, fernab des Geschehens, gegenseitig auf die Schultern klopften.

Wohlfühlmentalität

Ähnlich realitätsfremd ist die Wahrnehmung vieler Menschen, die in „alternativen“ Vierteln wie Stadtfeld in Magdeburg wohnen. Der alternative Lifestyle ist hier wichtig. Viele Menschen leben in Stadtfeld, weil es hier „bunt und hip“ ist, aber auch, weil es hier bedeutend weniger offen auftretende Faschos als in anderen Vierteln gibt. Doch auch das liegt nicht an der angeblich so aktiven Zivilgesellschaft. Dass Rassisten und Co. hier eher mal einen Bogen um das Viertel machen oder sich gar verstecken, liegt an militanten AntifaschistInnen, HausbesetzerInnen und Punks, welche ihnen seit den 90iger Jahren das Viertel streitig gemacht haben. Sie alleine, nicht die Polizei oder irgendeine Bürgerinitiative haben die offen auftretenden Faschisten offensiv auf den Straßen bekämpft und größtenteils vertrieben. Antifaschisten, die sich nicht zu schade waren und sind, auch mal mit der Faust zu zeigen wo eine Grenze ist Sie alleine haben viel riskiert, um dieses Viertel für alle etwas sicherer zu machen. Fascho und Rassist zu sein darf keinen Spaß machen. Es muss bedeuten, auch mit den Konsequenzen zu leben. Und das ist nicht der Dialog, sondern auch mal anständig eine aufs Maul. Ein Rassist mit gebrochenen Knochen wird dadurch sicherlich nicht von seiner Ideologie ablassen, aber das macht er durch eine Diskussion auch nicht. Allerdings bedeutet ein Fascho in einem Krankenhaus: kurze Zeit etwas Ruhe für die Menschen, die sie tagtäglich angreifen und verletzen. Ein Nazi mit zwei gebrochenen Armen kann kein Flüchtlingsheim anzünden. Ein Nazi mit einem angezündeten Auto weiß, dass sein Handeln persönliche Konsequenzen haben kann.

Nicht jeder/e muss Gewalt im Kampf gegen Nazis selbst anwenden, wenn er nicht dazu in der Lage oder/und willens ist. Allerdings sollte er/sie nicht die Menschen verurteilen, die es tun, sondern sie argumentativ stützen denn – „Gewalt gegen Nazis wirkt“. Sicherlich ist Gewalt lediglich ein Mittel, darf aber nie Selbstzweck oder gar Fetisch werden. Ebenfalls ist Gewalt alleine nicht die Lösung für die komplexen Verhältnisse von Faschismus und kapitalistischem Normalzustand.
Das kann nur der Widerstand gegen die allgemein herrschenden Zustände sein. Auch wir verteidigen die Losung: Die beste Antifa-Politik ist immer noch klassenkämpferische Politik. Also Basisarbeit im Viertel, Selbstorganisierung der Betroffenen von Unterdrückung und Ausbeutung.
Und natürlich ganz klar der offensive Klassenkampf gegen das ausbeuterische System des Kapitalismus. Dazu gehört aber auch der militante antifaschistische Selbstschutz.

Anlässlich des 20. Todestags von Frank Böttcher und dem 25. Jahrestag des Todes Torsten Lamprechts rufen wir alle AntifaschistInnen auf:

Vergesst die Toten nicht und ihre Geschichte!
Nichts und Niemand wird vergessen!
Schlagt die Faschisten wo ihr sie trefft!

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