27 Jahre Klassenkampf im Kiez – Stadtfeld bleibt widerständig!

Hiermit möchten wir Euch einen lesenswerten Text der „Proletarischen Autonomie Magdeburg“ empfehlen:

27 Jahre Klassenkampf im Kiez – Stadtfeld bleibt widerständig!

Bevor wir so richtig ins Thema einsteigen, werden wir einige wenige Worte über die Wohnungspolitik der DDR verlieren, um so die Entwicklung Stadtfelds ab 1990 besser verstehen zu können.

Die DDR setzte in ihrer Wohnungspolitik aus Kosten- und Effektivitätsgründen vorrangig auf den Bau von Neubauten, wodurch die Altbauten vernachlässigt wurden. Dies wiederum führte dazu, dass die Altbauviertel in keinem sonderlich guten Zustand waren. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das „Instandbesetzen“ von Altbauwohnungen in der DDR nicht illegalisiert wurde. Das hieß, wenn mensch eine leer stehende Altbauwohnung eigenständig bezog und in Eigenregie sanierte bzw. Instand setzte, konnte mensch diese legalisieren. Bei aller Kritik an der DDR, wurde Wohnen dort als Grundbedürfnis betrachtet und war entsprechend wie die Grundnahrungsmittel sehr günstig. Die Miete einer 3- Raumwohnung bewegte sich im Neubau bei um die 70 (Ost-)Mark, im Altbau sogar bei nur ungefähr 30 Mark (bei einem Durchschnittsgehalt/Lohn von 1000 Mark). Einzelne „instandbesetzte“ Wohnungen gab es also schon zu DDR- Zeiten und dies auch in Stadtfeld.

Diese hier beschriebenen sozialen Verhältnisse änderten sich nach der Einführung der Diktatur der Banken und Konzerne im ehemaligen Ostblock, bzw. dem (vorübergehenden!!!) Siegeszug des Imperialismus natürlich gravierend. Was 1989 als antiautoritäre Proteste gegen die repressive Seite der DDR begann, führte leider nicht zu einer Weiterentwicklung dieser, sondern endete ja bekanntlich in der Annexion der DDR durch das westdeutsche Kapital und dessen Staat BRD. Das sogenannte Volkseigentum wurde durch die Imperialisten mit Hilfe der Treuhand verschachert, einverleibt usw., was im Osten zu Deindustrialisierung und damit einhergehenden sozialen Grausamkeiten führte. (Wofür der Chef der Treuhand in Übrigen von einem Kommando der RAF erschossen wurde.)

Auch die Häuser und Wohnungen, im Kapitalistensprech Immobilien, wurden an die (westdeutschen) „Besitzer“ von vor 1949 (Gründung der DDR) „zurückgeführt“ bzw. verramscht.

Entwicklung Stadtfelds zu einem linken Bezirk Anfang der Neunziger

Als Anfang der 1990er die BRD im Osten die Wirtschaft und auch den Wohnungsmarkt von Staatseigentum in Privatbesitz umwandelte, entstanden in den ersten Jahren kurzzeitig gute Bedingungen für autonome proletarische Initiativen in den Altbauviertel der ehemaligen DDR, so auch in Stadtfeld. Viele Häuser und Wohnungen standen leer- in sehr vielen Fällen waren die Eigentumsverhältnisse der Immobilien noch ungeklärt. Hinzu kam, dass die Repressionsorgane im Osten der Republik noch nicht auf der Höhe waren und mit vielen für sie neuen Phänomenen, wie z.B. (auf einmal verbotenen) Hausbesetzungen (aber auch „banden mäßig organisierte“ Enteignung u.ä.) nur schwerfällig zu Recht kamen. Ehemalige „Volkspolizisten“, neue Staatsanwälte, Richter usw. mussten sich erst in die neue Gesetzeslage „einarbeiten“ und trauten sich anfangs weniger „durch zu greifen“. Für einige dürfte auch unklar gewesen sein ob und wie Ihr Berufsleben in dem „neuen Staat“ eine Fortsetzung findet. Diese Bedingungen gaben unserer Klasse gewisse Möglichkeiten.

Den bis hier beschriebenen Verhältnissen entsprechend waren die Altbauviertel der ehemaligen DDR, wie Stadtfeld Anfang der 1990er Wohnort der Unterschichten- (ungelernte) ArbeiterInnen, Arbeitslose, MigrantInnen, Punks usw. Die billigen Mieten und der vorhandene Leerstand ganzer Häuser zog zusätzlich eine linksradikale und antifaschistische Bewegung an, die sich in Stadtfeld festsetzte und hier eine sozialrevolutionäre Kultur und Praxis entfaltete. In dieser Zeit entwickelte sich der Stadtteil auch zur „No-Go-Area“ für Nazis, bis heute. Die Faschisten wurden/ werden hier direkt körperlich konfrontiert und verjagt. Fast täglich kam es zu kleineren und größeren Zusammenstößen, wobei einige Straßenschlachten mit Faschisten und der Staatsgewalt bis heute legendär sind. Zu nennen wären da z.B. der Angriff von Faschisten auf ein besetztes Haus in der Arndstraße (im Jahr) 1992, welcher mit Steinen, Mollies u.ä. zurückgeschlagen wurde, der Angriff von Nazis auf die Raabestr. 20, der einige der Angreifer direkt ins Krankenhaus beförderte, die Straßenschlacht mit Nazihools vor der (Diesdorferstr.) 208. Diese Aufzählung ließe sich beliebig lang fortsetzen, einfach weil die Auseinandersetzung eine alltägliche war. Die Hauptlast dieser Selbstschutzpraxis im Kiez wurde zu dieser Zeit von den Punks getragen, wobei auch Autonome und andere antifaschistische Subkulturen ihren Anteil daran hatten und Stadtfeld mit zu dem gemacht haben was es heute ist- NAZIFREI!!! Die besetzten Häuser und linken Hausprojekte waren und sind dabei, neben den Olvenstedter Platz, dem damaligen Treffpunkt der Punks, Ausgangspunkte des Widerstands.

Unser Kiez war also Anfang der 1990er ein unterschichtsdominierter Stadtteil, der im Laufe der 90er immer stärker linksradikal und linksalternativ geprägt wurde. Es entstanden dutzende besetzte und legal erkämpfte Hausprojekte, schwarz bezogene Wohnungen u.s.w., welche regelmäßig durch die Staatsmacht geräumt wurden, worauf wiederum neue entstanden (siehe dazu Chronik der besetzten Häuser). Auch eine Vielfalt an linksradikalen Gruppen gingen aus Stadtfeld hervor.

Die Gründe hier Häuser zu besetzen waren also von Anfang an sowohl politischer als auch sozialer Natur. Die Einen hatten schlicht keine Kohle für Miete, die Anderen sahen aus politischen Gründen nicht ein, irgendwelchen Miethaien ihren Lohn/ ihre Stütze in den Hals zu schmeißen. Und natürlich traf auf die Meisten beides zu.

Der Klassenkampf von oben intensiviert sich ab Mitte der 1990 im Kiez

Mitte der 1990er dreht sich der Wind- der Klassenkampf von oben intensiviert sich nun auch im Viertel. Die Verfolgungsbehörden haben sich jetzt auch im Osten des neuen Großdeutschlands eingespielt und laufen auf repressivem „Normalbetrieb“ der BRD. Die ehemaligen Staatsbetriebe sind verscheuert und die Eigentumsverhältnisse der Häuser weitgehend geklärt. So ist das auch in unserem Kiez. Hinzu kommt noch, dass Stadtfeld direkt an die Innenstadt grenzt und somit für das Kapital besonders interessant ist. Höhere Mieten- höhere Profitmöglichkeiten. Die Innenstädte sind im Kapitalismus ja bekanntlich als Konsummeilen konzipiert und als Wohnorte, (fast ausschließlich) der Mittel- und Oberschicht vorbehalten. Damit verbunden sind Verdrängungsprozesse der alteingesessenen proletarischen Bevölkerungsteile in die „Ghettos“ am Stadtrand (z.B. Olvenstedt, Nord, Reform…). Diese vollziehen sich im Zuge der von den Immobilienhaien forcierte sogenannte „Aufwertung“ (Sanierung) und den damit verbundenen Mieterhöhungen. In späteren Jahren kommt noch der großflächigen Abriß ehemaligen „Volkseigentums“ in den erwähnten Neubaugebieten hinzu. Durch diesen massiven Abbau Tausender bezahlbarer (Sozial-)Wohnungen werden die Mietpreise in Magdeburg zu Gunsten der Immobilienwirtschaft stabilisiert bzw. erhöht. Und nicht nur die großen Bauriesen und Immobilienfirmen wittern hier das große Geschäft.

Zum Beispiel hat dass Land-Sachsen, wie andere neue Bundesländer die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau überwiegend an „Häuslebauer“ heraus gegeben. So hatte der Freistaat Sachsen von den 90 Millionen Euro, die er 2016 aus dem Sozialwohnungstopf des Bundes erhalten hatte, etwa 70 Prozent für die Förderung des Eigenheimbaus ausgegeben. Wir sind uns sicher das es in Sachsen-Anhalt oder anderen „neuen“ Bundesländern nicht anders aussieht

Auch die (hauptsächlich westdeutsche) Mittelschicht entdeckt den Wohnraum im Osten als lukrative Altersvorsorge für sich. Viele Wohnungen und Häuser auch in Stadtfeld gehören heute ihnen und werden von regionalen Hausverwaltungen zu unverschämten Preisen für sie vermietet.

Die (Luxus-)Sanierung unseres einst sehr proletarischen Viertels beginnt zu dieser Zeit- die Mieten steigen explosionsartig (z.T. um mehrere Hundert Prozent). In diesem Prozess werden die besetzten Häuser und die schwarz bezogenen Buden nach und nach durch die Bullerei geräumt. In weniger als 10 Jahren wird Stadtfeld zu einem mittelschichtsgeprägten und überdurchschnittlich teuren Stadtteil.

Natürlich vollzieht sich das ganze nicht ohne Widerstand. Häufig eingesetzte Mittel sind dabei Graffities und Farbbomben gegen sanierte Häuserfassaden, sowie Neubesetzungen. Häufig folgten Häuserräumungen, Demonstrationen und ähnliches. So wurden auch die legalen Wohn- und Kulturprojekte, wie die ehemalige U8 (Uhlandstr.) und das Heizhaus durch massive Straßenpraxis, wie z.B. tägliche Straßenblockaden durchgesetzt. Bei beiden Projekten wollte sich die Stadt mehr Ruhe auf Stadtfelds Straßen „erkaufen“. Das selbe galt auch für die Raabestr.20.

Schwerpunkt der politischen Arbeit der linksradikalen Gruppen lag jedoch, bedingt durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, wie im vorigen Absatz beschrieben beim Antifaschismus.

Allerdings ist anzumerken, dass die Widerstandsbewegung in 108 die Dimension des Angriffs von oben zu spät realisierte. Zu beginn der Sanierungswelle Anfang/ Mitte der 1990er wäre die „Yuppisieung“ unseres Viertels durch ganz massiven Widerstand eventuell zu verhindern gewesen. Zum Ende der 90er gab es in Stadtfeld keine besetzten Häuser mehr. Als Anlaufpunkt der linken und subkulturellen Szene blieb nur das Heizhaus übrig, welches bis heute mehr wie ein soziales und kulturelles Zentrum als ein „Jugendclub“ funktioniert.

Dies änderte sich im Jahr 2000 durch die Besetzung eines Gebäudekomplexes in der Gr. Diesdorfer Straße 15.

2000er oder das Ulrike- Meinhof- Haus und der Kampf ums Viertel

Im Frühjahr 2000 besetzten ein gutes Dutzend AktivistInnen des „Autonomen Zusammenschlusz (AZ)“ das Hinterhaus der Diesdorferstr. 15. Das von den BesetzerInnen „Ulrike Meinhof- Haus“ getaufte Objekt war von Anfang an als ein sozialrevolutionäres Projekt konzipiert, welches den Stadtteilkampf im Viertel vorantreiben sollte. Die Besetzung wurde als Enteignung leerstehenden Wohnraums und deren Vergesellschaftung durch die NutzerInnen verstanden. Das von der Bewegung liebevoll „Ulrike“ genannte Haus begriff sich also als Teil des Klassenkampfes: „Wir und unsere Klasse sind in Permanenz dem Klassenkampf von oben ausgesetzt in Form von Mietwucher und Verdrängung der Bevölkerungsteile ohne viel Kohle aus Stadtfeld. Unsere Antwort heißt Widerstand und Klassenkampf von unten- Mieten drücken, Häuser besetzen, Enteignungen von Lebensmitteln, Nulltarif, Angriffe auf Besitz und Symbole der Mittel- und Oberschicht!“

Die „Ulrike“ entwickelte sich schnell zu einem Anziehungspunkt der Widerstandbewegung in Stadtfeld, Magdeburg und darüber hinaus. Das Projekt wuchs schnell an und im selben Jahr wurde dann auch das Vorderhaus mit besetzt. Das Haus war Wohnort für bis zu 35 Personen und wurde Ausgangspunkt für vielfältige sozialrevolutionäre Initiativen, von Demonstrationen und Kundgebungen, über Briefkastenverteilungen (mehreren Tausend jeden Monat), bis hin zu militanten Aktivitäten uvm. Mit der Zeit entstanden in der „Ulrike“ ein/e Cafe/ Kneipe, ein Umsonstladen, Versammlungsräume, ein Infoladen und mehr. Es fanden wöchentlich Veranstaltungen und Konzerte statt, zeitweilig wurden täglich Volxküchen organisiert.

Das Überleben wurde von den BewohnerInnen versucht kollektiv zu organisieren. Dazu gehörte das gemeinschaftliche „Klauen gehen“ in Supermärkten (nicht in kleinen Läden!), das gemeinsame Besorgen „kostenloser“ Kohle, Holz und anderer Brennstoffe für die Winter, das Organisieren antifaschistischer Patrouillen usw.

Während der fast dreijährigen Besetzung des „Ulrike Meinhof- Hauses“ wurden mehrere größere Angriffe von Bullen und Faschisten erfolgreich zurückgeschlagen und der Kampf gegen „Gentrifizierung“ (soziale Verdrängung) zu einem Dauerthema der Stadtfelder/ Magdeburger Widerstandsbewegung gemacht.

Die Entstehung der „Ulrike“ rief natürlich sehr schnell die Staatsgewalt auf den Plan. Die dynamischen Prozesse rund um das Hausprojekt sollten durch die dann folgenden Repressionsschläge gebrochen werden. Die Gruppe „Autonomer Zusammenschlusz“, wie oben erwähnt ein untrennbarer Teil des Hausprojektes, galt dem Verfassungsschutz ab 2000 als aktivste linksradikale Gruppe in Sachsen- Anhalt. Im Jahr darauf ermittelte das LKA (Landeskriminalamt)unter verschiedenen Vorwänden. Im Jahr 2002 schlägt dann das BKA (Bundeskriminalamt) mit der Terrorismus- Keule (§129a Gründung einer terroristischen Vereinigung im Inland) gegen die Gruppe zu.

Im Zuge der Repressionsschläge wurde im September 2002 die „Ulrike“ von mehren Hundertschaften geräumt und 24 Stunden (nachts mit riesigen Scheinwerfern ausgeleuchtet) mit hohen technischen und personellen Aufwand durchsucht. Dieses Vorgehen rief auch in der Nachbarschaft Empörung und erheblichen Widerstand seitens der Stadtfelder Bewegung hervor. Der Räumung folgten Demonstrationen, Kundgebungen, Straßenblockaden, Versuchte Neubesetzungen, militante Aktionen und vieles mehr. Die ehemalige „Ulrike“ ist bis heute nicht frei von Graffitis und Farbeiern. Dieser Kampf zog sich mehrere Monate bis zur Verhaftung 3 ehemaliger Besetzer nach §129a (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung) im November 2002. In Folge dieser massiven Repression war die Stadtfelder/ Magdeburger Widerstandsbewegung mehrere Jahre gezwungen sich auf die Antirepressionsarbeit und die Unterstützung der Gefangenen zu konzentrieren, woraus später das „Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen- Magdeburg“ entstand. In dieser Zeit schlief der Abwehrkampf gegen die Aufwertung des Viertels weitestgehend ein.

Erst in den Jahren 2007/ 2008 nehmen sozialrevolutionäre Gruppen wie „Zusammen Kämpfen“, das „Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen“, die lokale Struktur der Kommunistische Partei (DKP) und andere den Klassenkampf im Stadtteil in organisierter Form wieder auf.

Der Stand der Dinge? la lotta continua!- Soziales Zentrum/ Infoladen bleibt!

Auch in den letzten 10 Jahren hat sich das Kräfteverhältnis im Kiez zu Ungunsten der einfachen ArbeiterInnen und Arbeitslosen verschoben. Es ist „schick“ in Stadtfeld zu wohnen und dies zieht das entsprechende, zahlungskräftige Klientel an. Neue Luxusbauten, wie am Schlachthof sprießen aus dem Boden während es unserer Klasse immer schwerer fällt im Viertel bezahlbaren Wohnraum zu bekommen, der nicht die Hälfte und mehr des Lohn auffrisst. Eine völlige Aufwertung ist dem Immobilienkapital dennoch nicht gelungen und dies aus hauptsächlich den folgenden drei Gründen:

  1. Besteht nicht die Nachfrage nach der Masse an Luxuswohnraum in Magdeburg. Zumal es auch andere „attraktive“ Gegenden für solche Wohnungen z.B. an der Elbe gibt.
  2. Wurden viele Häuser sehr schlecht saniert, so dass in diesen z.B. der Schimmel vermehrt wieder zum Vorschein kam, oder wie im März 2014 in der Immermannstraße eine ganze Feuertreppe, auf der sich Menschen aufhielten abstürzten, was bei den betroffenen schwerste Verletzungen hervorrief. In einigen dieser Häuser sind die Mieten also wieder erschwinglicher.
  3. Haben sich die Radikale Linke, Punks und andere alteingesessene Teile unserer Klasse hier hartnäckig gehalten.

Nach wie vor sind die große Mehrheit der BewohnerInnen Stadtfelds normale ArbeiterInnen, StudentInnen, Arbeitslose und so weiter, auch wenn die privilegierteren Schichten das Bild hier stark mit prägen. So reißt der Widerstand in Stadtfeld einfach nicht ab. Immer wieder bringt der Kiez Ansätze autonomer proletarischer Organisierungen hervor wie „Zusammen Kämpfen“, eine lokale Struktur der Kommunistischen Partei (DKP) oder „Proletarische Autonomie“. Gruppen die den Stadtteil als Schwerpunkt ihrer Praxis verstehen und die steigenden Mieten und die Verdrängung sozial schwacher Bevölkerungsteile thematisieren, Gruppen die für eine klassenlose und herrschaftsfreie Gesellschaft kämpfen. So fanden die meisten Demonstrationen und Kundgebungen, wie der revolutionäre 1. Mai oder die „Mieten runter- Löhne rauf“- Demos am 3. Oktober, im Stadtteil statt oder endeten hier. Seit vielen Jahren organisieren verschiedene autonome, anarchistische und kommunistische Initiativen das „Stadtfeld Sommerfest“, Fußballturniere unter verschiedenen Mottos, verteilen tausende von Flugblättern zu verschiedenen Themen in den Briefkästen usw. Im Jahr 2016 kommt es zu dem Versuch, neben dem Heizhaus und dem Infoladen ein weiteres soziales Zentrum, das „ArbeiterInnen und Jugendzentrum Alex“ aufzubauen. Dieser scheitert allerdings auf Grund von Intervention der Repressionsorgane.

Ein wichtiger Ausdruck sozialrevolutionärer Politik in Stadtfeld in den letzten 10 Jahre war Aufbau und Erhalt des sozialen Zentrums in der A.- Puschkinstr. 20. Dieses Projekt entstand 2008 mit der Eröffnung des Infoladens, einer zu einem symbolischen Preis angemieteten Ladenfläche, welche in Eigenregie saniert wurde. Später wurden im selben Gebäude 2 leer stehende Wohnungen, sowie der Dachboden besetzt. In den besetzten Räumlichkeiten wurden eine Werkstatt, Wohnraum für Obdachlose, sowie ein großer Sportraum mit vielen Geräten zur kostenlosen Nutzung eingerichtet. Gerade die sozialen Selbsthilfeprojekte, wie der Sportraum, die wöchentliche Volxküche, das Sonntagsfrühstück und die Rechtsberatung werden bis heute von vielen wahrgenommen. Im Infoladen wurden und werden bis heute dutzende politische und kulturelle Veranstaltungen organisierten. Sowohl für linke Gruppen als auch für proletarische Jugendliche ist das Haus sozialer Treffpunkt und politische Heimat geworden. Das Projekt hat mittlerweile mehrere Faschoangriffe und 3 große Razzien bzw. Überfälle der Repressionsorgane erlebt. Am 14. Januar 2012 zum Beispiel, dem Tag des jährlichen Naziaufmarsch fungierte der Infoladen als Anlauf- und Informationspunkt für AntifaschistInnen in der Stadt. Als es zu willkürlichen Übergriffen und Festnahmen seitens der Bullen vor dem Haus kam, setzten sich die NutzerInnen und anwesenden AntifaschistInnen so massiv zur Wehr, dass die eingesetzte Hundertschaft anständig etwas ab bekam und sich zurück ziehen musste. Was folgte war eine fast 10 Stundenlange Belagerung des Sozialen Zentrums und des Stadtteils durch mehrere Hundertschaften inklusive zwei Räumpanzern. Im Nachgang wurde von der überwiegenden Mehrheit der Nachbarn Unverständnis bis Ablehnung für den Polizeieinsatz, gegenüber den Hausbewohnerinnen deutlich gemacht Den Bullen ist es in diesem Falle bis zum freiwilligen Verlassen der GenossInnen nicht gelungen in das Haus einzudringen.

Im Jahr 2013 wird das Haus an Miethaie in Berlin verkauft. Diese haben vor das Objekt „auf zu werten“ und danach sehr viel teurer und an zahlungskräftige, neue MieterInnen zu verscheuern. Als erstes werden Hausflur und Fassade schlecht und unter ausbeuterischen Bedingungen für die vornehmlich aus Osteuropa stammenden Arbeiter saniert, dann folgen der Dachboden und die davor besetzten Wohnungen. Die Mieten der beiden sanierten Wohnungen liegen heute fast doppelt so hoch, wie vor der Sanierung. Der Raum im sozialen Zentrum ist also schon enger geworden. Sowohl die Wohnung für Obdachlose, als auch die Werkstatt sind verloren. Dennoch lief es für die neuen Besitzer nicht wie Gewünscht. Außenfassade und Hausflur werden regelmäßig „abgewertet“ und der Dachboden wird immer wieder für die NutzerInnen zulänglich gemacht. Bei den neuen Vermietern dürfte sich die Einsicht durchgesetzt haben, dass mit dem Haus vorerst nicht das dicke Geschäft zu machen ist. Dies erklärt den dritten Vermieter wechsel in 3 Jahren, diesmal an einen Herren aus Wien. Im März 2018 läuft der Mietvertrag für den Infoladen aus. Natürlich werden wir versuchen ihn zu verlängern. Sollte uns dies nicht gelingen steht es für uns außer Frage, dass wir als NutzerInnen den Laden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen werden. Das ist für uns nicht verhandelbar: Infoladen bleibt! Wir bleiben alle! Stadtfeld bleibt proletarisch!

Wir sind davon Überzeugt das wir nicht nur unsere bereits erkämpfen Erfolgen im Stadtteil halten können, nein wir denken sogar das wir mit vereinten Anstrengungen große Teile des Kiezes zurückgewinnen können. Die unvereinbaren Interessen der Vermieter, Bosse, Bürokraten und Kapitalisten und uns als MieterInnen, Lohnabhängige, Arbeitslose also Unterdrückte können mit nichts weniger als der sozialen Revolution aufgelöst werden. Der Vermieter will den MieterInnen von Natur aus immer mehr abknöpfen genauso wie der Chef den Angestellten immer weniger bezahlen will was natürlich das genaue Gegenteil unserer Interessen ist. Durch ein Zusammenführen der verschiedensten Widerstandsformen können wir aber für uns als Klasse wieder Luft zum atmen erkämpfen. Dies bedeutet das wir uns nicht spalten lassen dürfen und unseren Kampf auf die Prinzipien der Selbstorganisation, Solidarität und des Widerstandes zielt.

Eines der Werkzeuge die wir gemeinsam entwickeln sollten, ist ein proletarischer Stadtteilrat in dem wir als Klasse gemeinsam unserer Problem analysieren können und daraus kollektiven Widerstand entwickeln.

Wir werden den Klassenkampf im Viertel in den kommenden Monaten intensiven. Unterstützt den Widerstand, beteiligt euch an den kommenden Aktivitäten und entfaltet eigene Initiativen!

Klassenbewusstsein entwickeln- Klassenkämpfe entfalten- Proletarische Autonomie erkämpfen!!!

Proletarische Autonomie- Magdeburg, Sommer 2017

(Unvollständige) Chronik besetzter und „legaler“ Häuser in Stadtfeld

1990:

– Besetzung des (ehemaligen Stasi-) Knast (damals „Hauptzentrale“ der Punks aus allen Stadtteilen)

1991/ 92:

– Immermanstr. 6 (hauptsächlich Punx)

  • Immermannstr. 31 (hauptsächlich Autonome)
  • Arndstr. (Punx)

1993:

  • Maxim Gorki Club beim Stadtbad (Frühling)
  • Hotel geheimer Rat; Ende Sommer nach 3 Monaten Räumung (ca. 10 Leute)

1994- 2.1.1995:

  • Friesenstr. 52 (wurde 1 mal Geräumt und wieder besetzt und am 2.1. endgültig geräumt)

1995:

  • Friesenstr. 35
  • U8 (Uhlandstr. 8) und Heizhaus (beide legal mit Verträgen) werden mit Strassendruck durchgesetzt
  • Gr. Diesdorferstr. 246, wurde 1996 geräumt

1996- 1997:

  • Friesenstr. 57 (ca. 10 Leute)
  • Friesenstr. 55

1997- 1998:

  • Raabestr. 20; wurde als Ausweichobjekt für die Friesenstr. 57 durchgesetzt und hatte legale Verträge (ca. 20 Leute)
  • Gellertstr. (legal angemietet)

1998- 2000

  • Villa (Gr. Diesdorferstr.) als Ausweichobjekt für Raabestr. 20

1998- 2002:

  • (Gr. Diesdorferstr.) 208; legal angemietet (ca. 20 Leute)

2000- 2002:

  • „Ulrike“ (Gr. Diesdorferstr. 15); siehe oben

2008- FÜR IMMER!

  • Soziales Zentrum/ Infoladen (A.- Puschkinstr. 20); siehe oben

2016:

  • ArbeiterInnen und Jugendzentrum „Alex“

 

Permanent link to this article: http://zusammenkaempfen.bplaced.net/2017/08/27-jahre-klassenkampf-im-kiez-%e2%80%93-stadtfeld-bleibt-widerstandig/