Wider der Enttäuschung – ein kurze Stellungnahme zur Demo Students For a Future Without Racism Vol. II vom 16.12.2017 in Magdeburg
Im November 2015 hat sich das Bündnis der SchülerInnen und StudentInnen zum ersten Mal die Straße genommen, um gemeinsam gegen Rassismus zu protestieren. Ein Vorhaben, welches wir begrüßten und solidarisch begleiteten. Nun, zwei Jahre später beteiligten wir uns ebenfalls an der Demonstration und lasen die Stellungnahme, die offensichtlich nach einer offensiven und kämpferischen Demo folgen musste. Eine Stellungnahme mit der sich die Organisatoren/innen der Demonstration von der Mehrzahl der Teilnehmer/innen distanziert.
„Wir fragen uns, warum einige Vertreter*innen der autoritären MLPD und Palästina-Fans sich das Recht herausnehmen, die Demo für ihre Zwecke zu vereinnahmen.“
aus der Erklärung der Organisatoren/innen
So klingt es in der Stellungnahme. Dazu unsere Bedenken. Immerhin hat Eure Initiative noch während des Bundestags-Wahlkampf Werbung für die bürgerlichen Parteien CDU, SPD, gemacht, um somit einen Rechtsruck hin zur AFD etwas entgegen zustellen. Dies zeigt eure inhaltliche Widersprüchlichkeit deutlich. Der Kampf gegen „Rassimus und Weltoffenheit“ im Rahmen eines bürgerlichen Engagements scheint ausreichend genug, um im Nachhinein VertreterInnen der MLPD und Israel kritische Menschen zu denunzieren.
Zur Politik der MLPD wollen wir uns nicht äußern, da haben wir alle unsere Erfahrungen gemacht. Aber zumindest kann Mensch dieser Partei, eine eindeutig klare Haltung gegen den Rassismus und für die internationale Solidarität, zugestehen.
Wir wehren uns gegen den Vorwurf, die Demonstration für unsere Zwecke genutzt zu haben, denn Solidarität mit den Menschen, die in dem vom Staat Israel besetzten oder dessen „Vormundschaft“ stehenden Gebieten leben, auszudrücken, ist eine antirassistische und internationalistische Grundfrage.
Mit diesem Verhalten reihen sich die Organisatoren ganz in die staatlichen Vorgaben a la De Maizire und andere staatlicher Amtsträger ein und versuchen zumindest, diese, offizielle Staatspolitik, in der Demonstration umzusetzen. So verwundert es auch nicht, dass hohe Politiker dieses Landes nun einen Antisemitismus-Beauftragten fordern und Israel kritische Stimmen auf den Straßen mit den Mitteln der Repression klein gehalten werden sollen. Und das auf einer Demonstration gegen Rassismus.
Der Staat Israel ist kein Bezugspunkt einer emanzipatorischen Linken
Wer sich gegen Rassismus einsetzt, darf bei Palästina nicht aufhören. Die imperiale Politik der Besatzungsmacht Israel ist zutiefst rassistisch, Nicht-Jüdischen Menschen, allen voran Palästinenser, werden elementare Rechte entzogen.
Tausende Palästinenser, darunter Hunderte Kinder, werden zum Großteil in israelischen Gefängnissen gefangen gehalten, werden gefoltert, bedroht, misshandelt in unfairen Prozessen verurteilt oder in außergerichtlichen „Verfahren“ hingerichtet. Hinzu kommt die rechtswidrige Administrativhaft, wobei die Menschen ohne Anklage und Verfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden. Wir verweisen hier ausdrücklich auf den Bericht von Amnesty- International*, einer Gruppe die weder des Linksradikalismus, geschweige denn des Antisemitismus, verdächtig ist.
Das Staatsangehörigkeits- und Einreisegesetz beraubt die arabische Minderheit ihrer bürgerlichen Freiheitsrechte und zielt ausschließlich darauf ab, die Anzahl der Palästinenser mit permanentem Aufenthaltsrecht bzw. israelischer Staatsangehörigkeit gering zu halten. Das Staatsbürgerschaftsrecht in Israel entspricht dem völkischen Abstammungsprinzip, ähnlich dem der BRD. Das im Gegensatz zu bürgerlichen Staaten wie Frankreich und der USA, in dem das Territorialprinzip angewendet wird. **
Fast täglich entstehen neue israelische Siedlungen, verbunden mit der massenhaften Vertreibung von Palästinenser, die täglichen Schikanen an den unzähligen Checkpoints, die ein halbwegs normales Leben von Grund auf nicht ermöglichen sollen. Die Liste ließe sich beliebig fort führen, doch das ist nicht der Anspruch dieser kurzen Stellungnahme.
Die Palästina-Fahne ist für uns ein Symbol, ein Symbol des Kampfes der palästinensischen Bevölkerung gegen Ausbeutung und Unterdrückung des israelischen Staates und der „westlich“, imperialistischen Herrschaften dieser Welt. Es ist ein internationaler Befreiungskampf, den es zu unterstützen gilt. Die Besatzung Palästinas macht nur koloniale Bestrebungen deutlich, die auf tiefem Rassismus wurzeln.
Uns ist bewusst, das sich in diesen Widerstand inzwischen durchaus auch nicht – emanzipatorische, klerikale und reaktionäre Kräfte befinden und diesen zeitweilig sogar dominieren. Die Ursache dafür liegt aber eindeutig in der Politik der westlichen Staaten, die ein politische Lösung, unter anderem die zwei Staaten Lösung, seit über 30 Jahren verhindert haben. Seit dem 6. Dezember, als Trump ankündigte die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, gibt es bereits mehr als 3000 Verletzte und mehr als 350 Gefangene, mindestens 11 Palästinenser wurden getötet. Die Intensität und auch Emotionalität des Widerstandes zu diesem Beschluss des US Präsidenten ergibt sich daraus, das damit erneut, und offensichtlich endgültig, gezeigt wird, dass der „Westen an einer Lösung auf dem Verhandlungsweg“ kein Interesse zeigt. An dieser Stelle möchten wir auch ausdrücklich an die „Aufbauhilfen“ des Staates Israels und anderer westlicher Staaten für solche klerikal – reaktionären Organisationen, wie die Hamas, erinnern.***
Diese Entwicklung macht eine Solidarität mit den Menschen, die in den durch den Staat Israel besetzten und verwalteten Gebieten**** leben, mehr als notwendig, gerade auf einer Demo gegen Rassismus.
Keine Zusammenarbeit mit Polizei
Genauso erschreckend ist das Vorgehen einiger der Organisatoren, die gern mit Hilfe der anwesenden Staatschutz- und Polizeibeamten versucht hätten, die Demo-TeilnehmerInnen zu klassifizieren (ein zu sortieren nach politisch korrekt oder unkorrekt, sowie gewaltfrei oder nicht gewaltfrei) und der Versuch, Teilnehmer mit Hilfe der Polizei von der Demo entfernen zu lassen. Mit diesem Vorgehen ist doch deutlich geworden, dass die staatlichen Stützen des institutionellen Rassismus seitens der Organisatoren als legitime Durchsetzer der eigenen Forderungen anerkannt und nützlich sind. Damit werden den staatlichen Repressionsorganen Tür und Tor geöffnet, was es zu verhindern gilt! Wir sehen die Organisatoren in der Pflicht, sich zu diesen Vorfällen zu äußern und für eine transparente Aufarbeitung zu sorgen.
Die Kämpfe verbinden!
Wir begrüßten den Aufruf zum antikapitalistischen Block und erfreuten uns über die hohe Teilnehmerzahl. So ist es möglich gewesen, die Demonstration mit antikapitalistischen Inhalten auf zu werten und einen offensiven, kämpferischen Charakter zu verleihen.
In diesem Sinne:
Hoch die internationale Solidarität!
Freiheit für Palästina!
Zusammen Kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung!
* AI-Reports 2016/17, der vollständige Bericht liegt bisher nur auf englisch vor unter https://www.amnesty.org/en/latest/research/2017/02/amnesty-international-annual-report-201617/
** Für die Anerkennung der Staatsbürgerschaft gibt es in den bürgerliche Staaten zwei Grundprinzipien. Zum einen das Abstammungsprinzip (Blutsverwandtschaft), in dem diejenigen die Staatsbürgerschaft bekommen, die von einen Staatsbürger gezeugt werden. Zum anderen das Territorialprinzip, nach dem diejenigen Staatsbürger sind, die auf dem jeweiligen Territorium des Staates geboren werden. Natürlich werden dies Prinzipien in den bürgerliche Staaten stets in beiden Formen angewandt, entscheidend ist jedoch welches Prinzip vorherrscht.
***Die PLO (Palestine Liberation Organization, gegründet 1964), eine Dachorganisation von verschiedenen politischen, gewerkschaftlichen und sozial-kulturellen Vereinigungen, vertrat in ihrer Mehrheit ein weltlich, sozial staatlich und bürgerlich demokratisches, (stark an das politische und soziale System von Schweden orientiertes) Gesellschaftsmodell. Dagegen wurden von den westlichen Länder, einschließlich dem Staat Israel, solche klerikal-reaktionären Organisationen, wie die Hamas aufgebaut, um die politische Autorität und Verhandlungsfähigkeit der PLO nach innen und außen in Frage zu stellen. Diese Konzept der westliche Staaten war durchaus erfolgreich.
****Dazu gehören auch die „Autonomiegebiete“, die faktisch unter politischer und ökonomischer Vorherrschaft des Staates Israel stehen.