Ende September veranstaltet ihr das „Ausgeladen-Festival“ in Hamburg. Was hat es damit auf sich?
Aaron: Es ist ein Festival für Rap, Punk und Gegenkultur, mit dem wir auch ein Zeichen gegen die Ausladepolitik der linken Subkultur setzen. Das Projekt geht zurück auf die Ausladung der satirischen Rap-Crew King Veganismus One & Dr. Alsan vom „Aufstand Festival“ in Nordrhein-Westfalen Anfang des Jahres. Die Veranstalter haben die Band wegen der Zeile „Täterenkel nehmen meinen Namen angewidert in den Mund als wär’s ein haariger Sack, und geben mir für alles die Schuld als wäre ich Palästina“ rausgeschmissen, weil ihnen das nicht „israelsolidarisch“ genug war. Außerdem hatte sich die Crew mit dem kommunistischen Rapper Taktikka solidarisiert, als die Presse letztes Jahr seinen angeblichen Namen und Arbeitgeber publik gemacht hatte, um ihn plattzumachen. Es ging darum, trotz aller Differenzen angesichts des Rechtsrucks in der Gesellschaft gegen Repression zusammenzustehen. Die Veranstalter haben aber jede Auseinandersetzung über die Ausladung verweigert. Darüber haben sich dann auch andere Bands beschwert, woraufhin sie ebenfalls gekickt wurden. Das war sehr lustig, weil die Veranstalter am Ende jede Kritik rigoros unterbunden und sich total lächerlich gemacht haben. Die Idee, mit einem „Ausgeladen Festival“ zu kontern, war ursprünglich nur als Scherz gedacht. Aber das Feedback war so gut, dass wir es jetzt wirklich machen!
Das Ganze klingt erstmal ziemlich nach einem linken Szenestreit. Ist das Festival denn überhaupt etwas für Leute, die der ‚linken Szene‘ eher fern sind?
Dennis: Klar! Es spielen ja auch Acts, die nicht aus dieser Szene kommen. Und die Ausladepolitik trifft auch Leute, die kritisch denken, aber nichts mit der Szene zu tun haben. Wir richten uns einerseits gegen die Ausladepolitik, die internationalistische und andere linke Künstler wie zum Beispiel MC Albino, Vizzion oder die Punk-Band Mono für Alle! trifft. Aber auch gegen die Ausladungen, bei denen sich Linke verbissen von Künstlern, die kritische Botschaften haben, abgrenzen und sie verprellen, statt den Austausch zu suchen. Erst letzte Woche ist zum Beispiel Morlockk Dilemma, der viele systemkritische Texte hat, wegen seiner bewusst krass überzeichneten Battle-Rap-Texte von einer Rojava-Soliparty der „Revolutionären Jugend Gruppe“ in Bern ausgeladen worden. Was für ein Schwachsinn!
Aaron: Wir machen das Ganze zwar auch als politisches Projekt, es wird zum Beispiel Redebeiträge und ein Podiumsgespräch geben. Aber die Musik steht im Vordergrund – wer also nur die Acts sehen und Party machen will, ist genauso willkommen. Insofern stimmt es, dass der Ursprung des Festivals eine Auseinandersetzung mit der „linken Szene“ ist, beziehungsweise mit denen, die dort mittlerweile den Ton angeben. Aber es soll kein Festival werden, bei dem wir alle gemeinsam jammern. Wir finden, man muss raus aus der Defensivposition und sich unabhängig machen, statt sich immer nur an dieser Szene und ihrer Kultur abzuarbeiten.
Dennis: Dieser „Szenestreit“ war für uns also eher der Anlass, das Projekt zu starten, weil wir da endgültig die Schnauze voll hatten. Wir wollen die zusammenbringen, die eine andere linke Kultur wollen und Rap- und Punk-Fans ansprechen, die kritisch eingestellt sind, aber eben nichts mit der „linken Szene“ anfangen können. Ob das klappt, wird sich zeigen.
Was müsste linke Kultur denn leisten, um nicht nur Teil einer sehr abgeschlossen Szene zu sein? Wie erreicht sie etwa andere Teile der Arbeiter_innenschaft?
Aaron: Naja, sie müsste überhaupt erst mal etwas anderes sein wollen als eine solch abgeschlossene Szene. Der Großteil der linken Subkultur zielt doch gar nicht darauf, die Gesellschaft oder irgendwen außerhalb des eigenen Milieus zu erreichen, sondern auf den Rückzug in die eigene Blase und in angebliche „Freiräume“. Das ist in der Kultur dasselbe wie in der politischen Ausrichtung der Leute. Dabei wäre doch genau jetzt die Zeit dafür! Ich sehe aber leider nur wenige radikale Linke, die jetzt ernsthaft versuchen, die „normale“ Bevölkerung mit einer kritischen Kultur zu erreichen. Klar, es reden neuerdings alle davon, dass man mal das eigene Dasein als Szene hinterfragen müsste und so. Aber das ist auch ein Hype. Wer zieht denn wirklich Konsequenzen und bemüht sich um eine Kultur, die linke Werte vermittelt und trotzdem zugänglich ist und Leute anspricht?
Dennis: Es fehlen auch die Inhalte, mit denen man die Leute erreichen könnte. Wo in der linken Kultur wird denn bitte der Alltag und das Leben der einfachen Malocher repräsentiert? Ist doch leider kein Wunder, dass die Menschen dann nichts mit Linken anfangen können und im Zweifelsfall lieber zu den Rechten gehen. Viele Themen, die einen Großteil der Gesellschaft beschäftigen, kommen auch gar nicht vor. Krieg und Frieden zum Beispiel, oder soziale Ungleichheit und Ausbeutung durch die Herrschenden. Damit könnte man die, die wirklich Wut auf das System haben, ansprechen. Aber das, was einem in den meisten Städten als linke Kultur begegnet, blendet genau das aus. Da geht es nicht um Systemkritik, sondern allein um Botschaften an das eigene Milieu.
Aaron: Deswegen müsste man die Frage auch anders stellen, finde ich. Es ist jetzt nicht die Linke, die die Arbeiter und Arbeiterinnen mit irgendwas „erreichen“ soll. Sondern die Linken müssen zusehen, dass sie sich mal wieder von der Lebensrealität der Bevölkerung erreichen lässt und ihnen zuhört. Dann kann eine gemeinsame Politik und Kultur entstehen. Und damit meine ich nicht nur Musik und Party-Events, sondern auch Alltagskultur – Kneipen, Sportvereine, Stadtteilläden, so etwas. Gegenkultur ist mehr als nur Musik und Kunst.
Das sind sehr hohe Ansprüche. Und ihr glaubt, euer Festival wird sie erfüllen?
Aaron: Nein, ganz sicher nicht! Da muss man realistisch sein und auch die Erwartungen herunterschrauben. Mit einem einzigen Festival kann man das auch nicht. Rap und Punk sind sowieso Genres, mit denen du nur einen bestimmten Teil der Gesellschaft erreichst. Aber das Festival ist ein erster Schritt und ein Experiment. Wir wollen ein Zeichen setzen und Leute zusammenbringen, und dann sehen wir, was passiert. Wir wollen das Festival nächstes Jahr aber noch einmal machen und das Konzept dann noch ein bisschen überarbeiten. Mit mehr Diskussionen und einer klareren Botschaft.
Wie ist die Resonanz bisher? Erwartet ihr einen Ansturm?
Dennis: Die Resonanz ist gut! Ob es einen Ansturm gibt, müssen wir abwarten. Der Vorverkauf lief jedenfalls gar nicht übel. Uns zeigen auch viele, dass sie das Projekt politisch geil finden und sich auf die Konzerte freuen. Mir haben Leute gesagt, dass so etwas überfällig war und sie genauso genervt von diesem ganzen Szene-Scheiß sind wie wir. Und es gibt jetzt schon Bands und Künstler, die sich für nächstes Jahr melden und spielen wollen. Ein paar Hater gibt es natürlich auch. Aber deren Diffamierungen sind ziemlich peinlich und beweisen eher, wie sehr ihre Szene politisch am Ende ist. Deswegen sind die kein großes Problem.