Gegen die nationalistische Instrumentalisierung der Opfer von Halle

Der Attentäter von Halle hat seine Anschlagspläne und Motivation offen dargelegt. Neben seiner antimuslimischen und antifeministischen Einstellung ist er ein glühender Antisemit und Judenhasser. Der Attentäter von Halle hat seine Anschlagspläne und Motivation offen dargelegt. Neben seiner antimuslimischen und antifeministischen Einstellung ist er ein glühender Antisemit und Judenhasser.

Es ging ihm im klassischen Sinne um den Schutz der deutschen Nation vor inneren (Feminismus & Judentum) und äußeren Feinden (Zuwanderung). Er habe zunächst einen Angriff auf eine Moschee oder linkes Zentrum geplant, heißt es in seiner Anschlagserklärung. Dies mit der Begründung, diese Objekte würden weniger bewacht und verteidigt. Letztlich wählte er eine Synagoge in Halle als Anschlagsziel aus, weil Juden aus seiner Sicht die Regierung in Deutschland steuerten und daher getötet werden müssten.

Es mache für B. keinen Unterschied mehr, 100 “Golems” zu töten, wenn an einem Tag mehr als 100 weitere nach Deutschland “verschifft” werden. Er entmenschlicht Nichtdeutsche in einer brutalen Metapher. Der Begriff “Golem”  ist das hebräische Wort für „formlose Masse; ungeschlachter Mensch“. Er plante, während des Einbruchs in die Synagoge soviele Menschen wie möglich zu töten. Der 27-Jährige Stephan B. sieht sich wie andere Faschisten, IB  & „ Alt Right“ auch in einem Rassenkrieg gegen die sogenannte „Umvolkung“, den “großen Bevölkerungsaustausch”.

Sein Ziel war es, möglichst viele “Feinde” zu ermorden. Juden waren dabei das primäre Ziel seiner Mordlust. Bewusst hat der Faschist Stephan B. seinen Anschlag an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, geplant und ausgeführt. Er hoffe darauf, an diesem Tag die meisten auch nicht-religiösen Juden in der Synagoge anzutreffen, heißt es in seiner Erklärung. Zu seiner Motivation für den Anschlag sagt er außerdem, Feminismus führe zu weniger Geburten, und deswegen gebe es Masseneinwanderung. Sein faschistisches Weltbild verbindet ganz klar Antisemitismus, Rassismus sowie Antifeminismus zu einer verschwörungstheoretischen Symbiose aus inneren und äußeren Gefahren, die zum befürchteten Aussterben der weißen Rasse führen würden.

Für Faschisten sind wir alle Anschlagsziele…  

Unsere Gedanken sind bei den Opfern und Hinterbliebenen dieser abscheulichen Tat. Doch um die Motivation des Täters in aller Konsequenz und politischen Breite zu verurteilen, helfen uns keine selektiven Solidaritätsbekundungen. Die ausschließliche Stigmatisierung des Täters als antisemitisch, ist eine verkürzte Darstellung seiner Motivation. Ja, er handelte aus antisemitischer Motivation und ja, er suchte sich bewußt eine Synagoge an einem hohen jüdischen Feiertag als primäres Anschlagsziel aus. Diese Auswahl ist Ergebnis seines rassistischen Weltbildes samt brutaler Mordlust, in dem auch Muslime, Linke und FeministInnen als Feindbilder markiert sind, die demnach als Erfüllungshilfe der angeblich jüdischen Herrschaft gelten. Er selbst beschreibt sich als weißer Mann und handelte aus diesem Selbstverständnis. Stephan B. ist Faschist und sein Ziel waren wir alle. Wäre auf der anderen Straßenseite eine Moschee gewesen, hätte er auch dort getötet. Vermutlich hätte B. sehr einfach ein linkes Kulturzentrum stürmen können, wenn er der linken Szene politischen Einfluss zugeschrieben hätte. Er verzichtete auf den Versuch, weil er Antisemit ist.

Wie Antisemitismus modernisiert wird, lässt sich im vom Massenmörder Anders Breivik geprägten Begriffs des angeblichen “Kulturmarxismus“ ablesen. Breivik sprach über den „nation wrecking multiculturalist-jew“. Dieser sei das Problem, weil ein großer Teil aller Juden bereits in Europa durch Faschisten während der Shoah ermordet wurden. Deswegen tötete er 69 sozialdemokratische Jugendliche als angebliche „Kulturmarxisten“, welche er für die angeblich bevorstehende “Islamisierung“ mitverantwortlich sah. In seinen Augen waren eine zuwanderungsfreundliche Haltung und der Feminismus Wegbereiter einer fortschreitenden “Islamisierung“ Europas. Diese Weltanschauung vom Kulturmarxismus, Antisemitismus, Antifeminismus und Antiislamisums  wird auch offen von der Identitären Bewegung in Europa und der AfD propagiert. Sie alle eint letztlich die Angst vor Zuwanderung und die Mahnung vor einer Gefahr einer angeblichen “Umvolkung“. Auch für den NSU, die Gruppe Freital oder Franco A (Hannibal-/Uniter-Netzwerk) waren Juden ein legitimes Ziel in ihrer zistischen Ideologie. Sie alle ließen in ihren Darstellungen Antisemitismus als Teil ihrer faschistischen Ideologie und der Angst vor „Umvolkung“ erkennen.

Antijüdischer und antimuslismischer Rassismus sind ideologische Geschwister…

Die Auswahl des zweiten Ziels, einem Döner-Imbiss in der näheren Umgebung der Synagoge, erfolgte zwar spontan aber nicht zufällig. Der Täter verblieb im Prinzip der vermeintlichen Erfüllungshilfe unter angeblich jüdischer Herrschaft. Stephan B. wußte dabei, dass Moscheen und linke Zentren deutlich weniger bewacht und verteidigt werden. Gerade in Halle ist die Entsolidarisierung der linken Szene mit der muslimischen Bevölkerung als Feindbildern der neuen wie auch alten Rechten ein oft kritisiertes Problem. Teile der Hallenser Linken (no tears for krauts, kick them out, GekO) behaupten, der Islam “sei die Grundlage für Antisemitismus, Frauenverachtung, und Morden in der ganzen Welt”. Muslime werden rassistischer Gewalt ausgeliefert und mit dieser Verurteilung rassistische Gewalt gerechtfertigt. Der Rest der Hallenser Szene distanziert sich von rassistischen Aussagen nur zu einem kleinen Teil, andere arbeiten weiter mit diesen Gruppen und Organisationen zusammen. Gerade antimuslismischer Rassismus ist in Halle leider kein Ausschlusskriterium, um aus linken und antifaschistischen Zusammenhängen zu fliegen. Doch wie Statistiken belegen, sind die Mehrzahl der Täter in Deutschland weisse Männer ohne muslimischen oder Migrationshintergrund. Statistisch gesehen sind die Massenmörder und Antisemiten in der westlichen Welt jung, weiß, männlich und extrem rechts, genau wie Stephan B.

Solidarität mit allen Opfern faschistischer Ideologie…

Die Hallenser Szene verweigert die Auseinandersetzung mit ihrem eigenen antimuslimischen Rassismus durch einen Verweis auf bedingungslose Solidarität mit dem Staat Israel. Anstatt sich ebenfalls mit den Opfern rassistischer Mobilisierungen in Deutschland zu solidarisieren, genießt ein hochgerüsteter Nationalstaat wie Israel die Solidarität der jungen, weißen Deutschen in Hallenser Freiräumen. Antisemitismus wird in der Öffentlichkeit und häufig auch von linksliberaler Seite als “importiertes” Problem dargestellt. Diese Interpretation führt durch Täter-Opfer-Umkehr zu Entsolidarisierung mit Muslimen als den Opfern gegenwärtig akuter antimuslimisch-rassistischer Mobilisierungen.  Darum sind Moscheen und Döner-Imbisse ein leichteres und häufig komplett ungeschützes Ziel als zB. eine zumindest kameraüberwachte Synagoge. Dank der Sicherheitsmaßnahmen an und in der Synagoge, konnte ein Massaker verhindert werden. Israelsolidarischer Nationalismus soll die Antwort auf Antisemitismus und Judenhass in Deutschland sein. Das wird nicht funktionieren. Nationalismus ist keine Lösung, sondern Begründung für Antisemitismus, den Deutsche vortragen, um die Nation bzw. das deutsche Volk vor jüdischer Herrschaft auch militant zu verteidigen – wie Stephan B. in Halle. Die rassistische Unterstellung, Muslime wären grundsätzlich antisemitisch, leistet der Ideologie eines Stephan B. lediglich eine weitere, in diesem Fall moralische Rechtfertigung für Gewalt gegen zB. die vermutet nichtdeutschen nichtweißen Gäste eines Döner-Imbiss. Dass Linke in Halle nicht nur selbst als schutzlos gelten, sondern auch schon lange Muslime schutzlos gestellt haben, ist ein offenes Geheimnis.

Solidarität mit Israel oder Kampf gegen Antisemitismus…

Und während Politiker und linksliberale Vertreter der Linken sich wieder in Israelfahnen gehüllt vor Synagogen versammeln, um den Opfern ihr Beileid zu bekunden, wird gleichzeitig der Nährboden für antimuslismischen Rassismus bereitet. Durch die Verortung des Antisemitismus im Islam bzw. Darstellung  als “importiertes” Problem wird verkannt, dass Antisemitismus ein Teil europäischer Geschichte, weißer Herrschaft und faschistischer Ideologie ist und nicht verdrängt oder selektiv betrachtet werden darf. Wer wirklich etwas gegen Antisemitismus, sprich Judenfeindlichkeit, tun will, bekämpft am besten militant Faschismus und organsiert keine Kundgebungen gegen einen geplanten Moscheebau (wie im Dezember 2018 geschehen) oder feiert den rassistischen BDS–beschluss des Bundestages. Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus in Deutschland muss sich gerade in der deutschen Linken verändern. Vermeintlich linke Solidarität mit einer völkisch-nationalistischen Regierung in Israel hilft den Opfern von Antisemitismus weltweit und antisemitisch wie rassistisch motivierter Gewalt – auch in Halle – nicht weiter. Völkischer Nationalismus tötet, in Deutschland und in Israel, in Form von individualisiertem Terrorismus oder als Ausdruck eines staalichen Gewaltmonopols.Es ist an der Zeit, von liberalen Standpunkten wie der Totalitarismustheorie oder strukturellem Antisemitismus Abstand zu nehmen. Die staatliche Subventionierung und Vertuschung faschistischer Strukturen sowie gesellschaftlich anerkannter antimuslimischer Rassimsus müssen als das Problem von Naziterror & rassistischer Pogrome benannt und erkannt werden.       

Die Gefahr ist mehr als real und die Zeit für Diskussionen ist vorbei. Allen RassitInnen den Kampf ansagen!

An dieser Stelle teilen wir noch das Video mit einigen Aufnahmen zur Spontandemo in Magdeburg nach den Ereignissen in Halle:

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