Auswertung vom 1.Mai Bündnis: Der diesjährige 1.Mai stand wie schon im letzten Jahr im Zeichen der Pandemie und der restriktiven Maßnahmen staatlicherseits. So wurde unsere Demonstration wenige Tage vor dem 1.Mai durch die Versammlungsbehörde untersagt und uns nur Kundgebungen im Kiez erlaubt. Aber dennoch haben wir uns die Straße genommen.
Im Vorfeld des 1.Mai haben wir verschiedene Aktivitäten entfaltet. Mit vielen Hunderten von Plakaten, Aufklebern und Flugblätter haben wir in der Stadt für den internationalen Kampftag der ArbeiterInnenklasse mobilisiert. Es ist ein Mobilisierungsvideo entstanden, es fand eine Aufrufverteilung an der JVA Burg, sowie eine Kundgebung vor dem Jobcenter statt, bei der wir ca. 200 Demonstrationsaufrufe verteilten und interessante Gespräche führten.
Am 1.Mai versammelten sich ca. 150 ArbeiterInnen, Schüler und StudentInnen, Arbeitslose und (Über-)LebenskünstlerInnen auf der Auftaktkundgebung am Olvenstedter Platz unter dem Motto: „Gegen die Diktatur der Banken und Großkonzerne! Für eine revolutionäre Perspektive“. Auf der Kundgebung wurde revolutionäre Musik gespielt und ein Redebeitrag des 1. Mai- Bündnis verlesen. Dieser hat sich mit den sozialen und repressiven Zumutungen im Rahmen der sogenannten Coronakrise, wie Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Ausgangssperren u.ä. auseinandergesetzt. Zu dem wurde das große Wahltheater der Herrschenden in diesem Jahr thematisiert und zu proletarischer Selbstorganisierung aufgefordert.
Die Bullen waren von Anfang an mit starken Kräften vor Ort. Dies sollte wohl einschüchternd wirken. Von der Einsatzleitung wurde den KundgebungsteilnehmerInnen mitgeteilt, dass diese sich ausschließlich in Kleingruppen und auf dem Fußweg zur nächsten Kundgebung bewegen müssen. Sollte es zu einem Demonstrationsversuch kommen werde dieser mit körperlicher Gewalt unterbunden.
Dennoch formierte sich gegen 15.00 Uhr ein Demonstrationszug und wir nahmen uns kollektiv die Straße ohne das die Bullen eingriffen. So wurde die revolutionäre 1.Mai- Demonstration durch Stadtfeld- Ost, wie mittlerweile seit über einem Jahrzehnt, doch noch durchgesetzt. Die Demo führte über die Sudermannstraße zur Großen Diesdorfer Straße, weiter über den Westring und die Spielhagenstraße zur nächsten Kundgebung vor der „bunten Butze“ in der Annastraße. Dort hat die Gruppe „zusammen kämpfen“ einen Redebeitrag zur Wohnraumsituation in Stadtfeld gehalten, welcher die Verdrängung proletarischer Bevölkerungsschichten zu Gunsten der Mittelschicht im Kiez kritisierte und zu proletarischer Selbstorganisierung aufrief. Ein weiterer Beitrag des „Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen“ erinnerte daran, dass wir nicht alle sind, sondern die Gefangenen fehlen. Thematisiert wurde darin die politische und soziale Gefangenschaft. Es wurde dazu aufgefordert die Gefangenen nicht zu vergessen, sowie ihre Kämpfe zu unterstützen und sie mit den eigenen Klassenkämpfen zu verbinden. Er endete mit der Aufforderung: drinnen und draußen- ein Kampf! Während der Kundgebung wurde vom Dach eines proletarischen Wohnhauses ein riesiges Transparent mit der Aufschrift „Stadtfeld Ost bleibt widerständig“ entrollt und Pyro gezündet.
Nach dieser Zwischenkundgebung zog die Demonstration durch die Anna- und Immermannstraße zur Abschlusskundgebung wieder auf den Olvenstedter Platz. Die Demo war durchgehend kämpferisch und lautstark, was zusätzlich durch Rauchtöpfe und Böller verstärkt wurde. Die gerufenen Parolen hatten hauptsächlich einen sozialrevolutionären Charakter (Brecht die Macht der Banken und Konzerne!, Mieten runter- Löhne rauf!, a anti anticapitalista, 1.Mai- Straße frei!, keine Profite mit unserer Gesundheit, Hoch die internationale Solidarität!, Kampf dem Staatsterrorismus- Kampf dem Faschismus!). Die
Demonstration wurde von vielen aus der Nachbarschaft an Fenstern und auf Balkonen verfolgt, wobei wir einiges an Zuspruch wahrnehmen konnten.
Nach der Abschlusskundgebung am Olvenstedter Platz ließen es sich die Hüter von (kapitalistischen) Recht und Ordnung nicht nehmen abziehende DemonstrationsteilnehmerInnen zu schikanieren und einzelne Personalienfeststellungen zu erzwingen.
Wir bewerten den diesjährigen revolutionären 1.Mai in Magdeburg trotz der Behinderungen durch die Staatsgewalt und den eingeschränkten Mobilisierungsmöglichkeiten als gelungene Aktivitäten, auf denen wir aufbauen werden. Wir bedanken uns an dieser Stelle bei allen, die uns unterstützt und an der Demonstration teilgenommen haben. Wir wünschen euch ein (klassen-)kämpferisches Jahr!
Gegen die Diktatur der Banken und Großkonzerne!
Für eine revolutionäre Perspektive!
1.Mai- Bündnis, 9.5.2021
################################################
Rede von zusammen kämpfen während der Kundgebung vor der Bunten Butze:
Mieten steigen, Luxusbauten entstehen, schnieke Ökoläden prägen mehr und mehr unseren Kiez. Stadtfeld, mit seiner Nähe zur Innenstadt, boomt. Seit Anfang der 2000er Jahre wird hier saniert und neugebaut, was das Zeug hält. So schön das optisch auch sein mag, so problematisch entwickelt sich die Situation für Menschen, deren Einkommen mit den steigenden Mieten nicht mehr mitkommt. Zunehmend verstecken diejenigen, die von der Aufwertung Stadtfelds profitieren, ihre Absichten unter dem Deckmantel der ökologischen und sozialen Verantwortlichkeit. Bereits im letzten Jahr kaufte eine Gruppe „alternativer“ Menschen das Haus, vor dem wir gerade stehen. Sie wollen angeblich „umweltverträglichen und gleichzeitig sozialen wie günstigen Wohnraum schaffen“. Sie nennen sich selbst und das Haus „Bunte Butze“.
Der dort seit vielen Jahren ansässige Friseursalon Bittmann, ein Familienunternehmen, findet im neu erworbenen Hausprojekt Bunte Butze allerdings keinen Platz mehr. Die Pläne der neuen Eigentümer sehen ein Nahrungsmittelgewerbe mit Coworkingspace und einer Kinderbetreuung vor. Eine Abänderung des Konzepts, so heißt es auf der Website der Eigentümer könne „unter Wahrung der bestehenden Mieterstruktur nicht erfolgreich funktionieren“. Das heißt im Klartext: Kündigung für den Salon Bittmann. Das bedeutet für die Familie eine existenzgefährdende Situation, denn sie verlieren mitten in der Corona-Pandemie ihren seit Jahrzehnten etablierten Standort.
Nun ist auch klar, wem genau der Salon Bittmann weichen muss: Frau Ernas loser Lebensmittelpunkt, ein sogenannter Unverpacktladen, der sich z.Z. noch in der Arndtstraße befindet, wird dort einziehen. Die EigentümerInnen Sarah Werner und Frithjof Anten sind, wie sollte es anders sein, MiteigentümerInnen der Bunten Butze. Ihren Umzug wollen sie nicht selbst bezahlen, sondern mittels Crowdfunding finanzieren. Am Ende kamen dabei innerhalb weniger Wochen 30 000 Euro zusammen.
Um potentielle SpenderInnen anzulocken, wurde ein kurzer Imagefilm produziert. In diesem wurde suggeriert, dass in der „Bunten Butze“ ein soziales Zentrum für die gesamte Nachbarschaft entsteht. Weiter heißt es, dass man „soziales, nachhaltiges und verantwortungsvolles Miteinander hier und heute möglich machen“ und „im Kiez bleiben und diesen weiter beleben“ will. Das klingt angesichts des Rauswurfs der Familien Bittmann wie der reinste Hohn. All diese nett klingenden Phrasen wollen Glauben machen, dass es sich hier um ein völlig uneigennütziges Projekt handle, dass allen im Viertel zu Gute kommen wird. Dabei ist ein Großteil der Menschen dieser Stadt aufgrund von Armut von Ernas losem Lebensmittelpunkt völlig ausgeschlossen. Das hält allerdings nicht davon ab, ein kommerzielles Geschäft, das sich nur besser verdienende Bevölkerungsschichten leisten können, als soziales Projekt zu vermarkten. Und aus dem so aufgebauten positiven Image wird schließlich Kapital geschlagen. Und so schaffen es gut situierte Bürgerliche ihre exklusiven und verdrängenden Projekte nicht einmal alleine aus eigener Tasche finanzieren zu müssen.
Wir stehen heute hier, weil wir uns mit der Familie Bittmann und allen, die von Verdrängung bedroht sind, solidarisieren möchten. Zum anderen wollen wir uns dagegen wehren, dass Profitinteressen und der Wunsch nach Selbstverwirklichung zur sozialen Wohltat umgedeutet werden.
Familie Bittmann muss bleiben, wir alle bleiben! Organisieren wir uns gegen den Ausverkauf unseres Stadtteils, Mieterhöhungen und Verdrängung! In selbstverwalteten Projekten, wie dem Infoladen in der Puschkinstraße oder dem Stadtteilladen F52 können wir zusammenkommen, um gemeinsam für unsere Interessen einzustehen. Sie sind Orte der proletarischen Selbsthilfe und Ausgangspunkte für soziale Kämpfe im Stadtteil und darüber hinaus!
Wir werden uns nicht aus unserem Viertel und unseren Freiräumen verdrängen lassen. Holen wir uns den Kiez zurück!