Unter dem Motto „Gegen 31 Jahre Abbau Ost – für die soziale Revolution“ findet am Sonntag um 14 Uhr eine Demonstration auf dem Olvenstedter Platz statt. Wir rufen euch zur Teilnahme auf!
Demoaufruf vom Netzwerk:
GEGEN 31 JAHRE ABBAU OST – für die soziale Revolution!
Im Jahr 1989 gingen in der DDR Zehntausende Menschen auf die Straßen. Sie wurden anfangs von der Idee angetrieben, die bestehende Form des Sozialismus weiterzuentwickeln. Auch wenn die heutige Geschichtsschreibung diesen Fakt gerne ausspart, ging es den Menschen damals nicht um eine Einheit der zwei existierenden deutschen Staaten, sondern um eine Entbürokratisierung und Veränderung der DDR, hin zu mehr Autonomie für die Bevölkerung.
Worin diese Idee und dieser Aufbruch gipfelten, ist seit nunmehr 31 Jahren bittere Realität. Fielen aufgrund der Corona-Pandemie die großen Einheitsfeierlichkeiten zum 30sten Jahrestag eher bescheiden aus, werden aber heute und alle Jahre wieder die Sektkorken knallen, der gelungene Aufbau des Ostens wird dann begossen und die Einheit gefeiert. Doch wer hat an diesem Tag wirklich was zu feiern und wenn ja, was?
Die Ankündigungen des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, also die „blühenden Landschaften“ und dass es allen besser gehen werde, waren damals und sind heute, für den Großteil der Bevölkerung der ehemaligen DDR nichts weiter als leere Worte.
Für Menschen die in der DDR gelebt haben, war die letzten 31 Jahre vor allem eins zu erleben: Der gesellschaftliche Umbau, von Grundlagen wie Solidarität, Kollektivität und gegenseitiger Hilfe, hin zu Vereinsamung, Ellenbogenmentalität und Egoismus. Herunter gekürzt ein Umbau vom Sozialismus hin zum Kapitalismus. Von einem auf den anderen Tag wurde die Lebensleistung unzähliger Menschen abgewertet. Renten- und Pensionsansprüche gingen verloren, Qualifikationen wurden aberkannt. Betriebe wurden verkauft, die Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit entlassen. Diesem Maß an Perspektiv- und Machtlosigkeit gegenüberstehend wurden viele Menschen psychisch krank. Einige begingen Selbstmord, manche griffen zur Flasche. Wer sich nicht aufgab oder Krank wurde, sah sich in fast allen Lebensbereichen mit schwerwiegenden sozialen Härten konfrontiert.
Galt Wohnen in der DDR noch als Grundbedürfnis dem durch Bauprojekte und Wohnungspolitik entsprochen wurde, so war ab spätestens Mitte der 90er Jahre, zum Beispiel hier in Stadtfeld klar, dass Wohnraum im Kapitalismus nur noch den Zweck hat, einer Minderheit von Besitzenden Profite zu bescheren. Vor 1990 war bei einem Durchschnittsgehalt von 1000 Ost-Mark, eine 3-Raumwohnung in einem Neubau für ca. 70 Ost-Mark monatlich zu haben. In einem Altbau lag der monatliche Mietpreis sogar nur bei ca. 30 Mark.
2022 soll in Stadtfeld das Bauprojekt „Wilhelmeck“ fertiggestellt werden, welches ausschließlich Eigentumswohnungen bereitstellt. Hier liegt der Preis einer Vier-Raum-Wohnung mit 115qm bereits bei 336.000€ – 360.000€ und der einer Vier-Raum-Penthouse-Wohnung mit 168qm bei 697.000€, während sich in Sachen sozialer Wohnungsbau sogut wie nichts tut. Ganz im Gegenteil wurde und wird vorhandender Wohnraum, wie z.B. In Olvenstedt zurückgebaut oder ganz abgerissen um den Mietspiegel künstlich hoch zu halten.
Der Rückschritt auf allen sozialen Ebenen, der mit der Aufzwängung der kapitalistischen Wirtschaftsweise einherging, hatte für ostdeutsche Frauen besonders gravierende Auswirkungen. Gehören die Worte Alleinerziehend und Armut heute so selbstverständlich zusammen wie Topf und Deckel, waren BertiebsleiterInnen in der DDR gesetzlich dazu verpflichtet alleinerziehende Mütter einzustellen. Kinderbetreuung fand, oft im Betriebskindergarten, von 6-18 Uhr statt. Angebote wie Kinderkrippen, Kindergärten, schulische Hortbetreung und Ferienlager, ermöglichten es Frauen und Männern gleichermaßen einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen. Ein Mangel an Betreungs-plätzen und -angeboten gab es nicht und niemand wäre auf die Idee gekommen, beim ersten Anzeichen einer Schwangerschaft schonmal einen
Kindergartenplatz zu organisieren. So verwundert es auch nicht, dass das Durchschnittsalter von Müttern in Ostdeutschland sehr niedrig war. Und das obwohl die Antibabypille seit 1965 kostenfrei erhältlich war und Schwangerschaften ab 1972 bis zur 12. Woche legal unterbrochen werden konnten. In der BRD wird bis heute selbst das Werben für und Aufklären über Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert.
Werfen wir bezüglich der sich heute zum 31sten mal jährenden Ereignisse einen Blick über die nun Bundesdeutsche Grenze, wird eines schnell deutlich. Mit der Zerstörung der Ausgewogenheit des Kräfteverhältnisses zwischen Kapitalismus und Sozialismus/Kommunismus, haben sich weltweit die Bedingungen für jene Menschen die nichts besitzen als ihre Arbeitskraft, massiv verschlechtert. Die Nato, welche innerhalb kürzester Zeit zur einzigen millitärischen Macht in Europa wurde, setzte ihre Interessen nun wieder vermehrt millitärisch durch. Dabei kann sich das US-amerikanisch geführte Bündnis seit den 90er Jahren auch vollumfänglich auf deutsche Mithilfe verlassen. Beginnend mit dem Einsatz in Jugoslavien, beteiligen sich deutsche Soldaten mittlerweile wieder an Kriegen in aller Welt. Diese als “humanitäre Einsätze” und “Ausbildungsmissionen” deklarierte Einsätze, verursachen Zustände wie z.B aktuell in Afghanistan. Die Menschen, welche vor diesen Zuständen fliehen und unter deutscher
Federführung an den europäischen Aussengrenzen ermordet werden, finden in den Medien der Herrschenden nur am Rande Erwähnung. Dagegen bekommt das “Unrechtrsregime” DDR jedes Jahr zum Tag des “Mauersfalls”, eine zumindest fragwürdige Rechnung der “Mauertoten” vorgesetzt. Alle Jahre wieder wird in bester Antikommunistischer Manier der “friedlichen Revolution” erinnert. Die Geschichte des fest
im Sattelsitzenden, alle überwachenden “StasiStaates”, der durch friedlichen Protest gestürtzt wurde, mutet angesichts des Scheiterns der Montagsdemos gegen die Einführung der Harz IV Gesetze doch etwas unglaubwürdig an. Die eben beschriebene, sich in der Geschichtsschreibung ausdrückende Feindschaft gegen linke Alternativen zur kapitalistischen Gesellschftsordnung, werden noch um einiges deutlicher wenn mensch die Praxis der gesamtdeutsch/europäischen Repressionsbehörden betrachtet. Gehörte die Unterstützung von Befreiungsbewegungen für die Mitgliedsstaaten des Warschauer Vertrages noch zur Staatsreson, werden in der BRD mittels §129 b revolutionäre aus aller Welt angeklagt und eingeknastet. Nicht viel besser ergeht es der inländischen linken/revolutionären Bewegung.
Unzählige Verfahren gegen AntifaschistInnen, Angriffe auf Medien wie die Junge Welt oder Indymedia oder der kalte Verbotsversuch gegen die DKP, sind nur einige Beispiele für die faschistisch geprägten Kontinuitäten der “vereinigten” Bundesrepublik.
Ganz allgemein ist es nicht unsere Intention zu behaupten, dass in der DDR alles “besser” war, zumal wir (gröstenteils) aufgrund unseres Alters dazu garnicht in der Lage sind. Allerdings ist es uns ein Bedürfnis festzuhalten, dass der Weg hin zu einer vom Kapitalismus befreiten Gesellschaft von der Basis des realexistierenden Sozialismus der DDR ausgehend, greifbarer ist als aus der seit 31 Jahren vorherrschenden Diktatur der Banken und Konzerne. Außerdem lässt sich gerade an dem mit dem heutigen Tag verbundenden, sich jährlich wiederholenden Gebahren der Herrschenden deutlich ablesen, welche Angst diese wieterhin vor einer ehemals existenten Alternative zu ihrer bestehenden Ordnung haben.
Diese Angst ist ein Punkt an dem wir als Klasse der Ausgebeuteten ansetzen müssen. Für eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Bedingungen, hin zu einer Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung, sind für uns folgende Dinge von großer Bedeutung.
Um die Geschichtsschreibung der Herrschenden richtig hinterfragen und widerlegen zu können und dadurch der Idee einer auf Solidarität basierenden Gesellschftsordnung wieder Gewicht zu verleihen, ist gerade für unsere Generation der Austausch mit Menschen, die lange Zeit in der DDR gelebt haben, sehr wichtig. Wenn wir uns im Gespräch mit dieser Generation ein eigenes Bild von einer sozialistischen Gesellschaft machen können, haben wir schon viel gewonnen. Aufbauend auf diesem Erfahrungsschatz können unsere Projekte der Selbstorganisierung und des Klassenkampfes von unten, nur profitieren und wachsen. Diese Projekte sind der Schlüssel zum Aufbau von Gegenmacht und Autonomie auf politischer, sozialer, kultureller und organisatorischer Ebene.
In diesem Sinne, lasst uns am 03. Oktober gemeinsam ein starkes Zeichen gegen Ausbeutung und Unterdrückung setzen.