Wer von Kapitalismus redet kann über den Krieg nicht schweigen!

„Die Kapitalisten teilen die Welt nicht etwa aus besonderer Bosheit unter sich auf, sondern weil die erreichte Stufe der Konzentration sie zwingt, diesen Weg zu beschreiten, um Profite zu erzielen; dabei wird die Teilung‚ nach dem Kapital‘, ‚nach der Macht‘ vorgenommen – eine andere Methode der Teilung kann es im System der Warenproduktion und des Kapitalismus nicht geben.“ (AW I/827)

Folgend veröffentlichen wir unser Thesenpapier zu den sozialen Protesten und der Frage nach Krieg & Frieden

These 1: Im Imperialismus ist der linkspolitische Reformismus immer auch ein nationaler Verteilungskampf um die zum großen Teil dem Rest der Welt abgerungenen Profite.

Nur weil auch global ausgebeutet wird, gibt es lokal überhaupt etwas zu verteilen. Der Staat und alle seine bürgerlichen Parteien können die globalen Verteilungskämpfe und Kriege schon deshalb nicht in Frage stellen, weil sonst der Spielraum für Wachstum und Verteilung im inneren kleiner werden würde. Nationales Wachstum, Wohlstand, Sozialleistungen und technologischer/infrastruktureller Fortschritt sind nur möglich, weil auch global ausgebeutet wird. Dabei ist die BRD doppelt begünstigt, da sie im Falle von imperialistischen Expansionen durch die Erschließung von neuen Absatzmärkten und die Möglichkeit von Waffenexporten doppelt profitiert.

Die NATO ist der militärische Garant dafür, dass Weltmonopole diese Gewinne überhaupt erzielen und global verteidigen können. Die Forderung nach dem Abschöpfen von „Übergewinnen“ deutscher Konzerne bleibt dann trotz revolutionärer Rhetorik systemstabilisierend, wenn sie nicht mit einem klaren Nein zur NATO verbunden wird. Ohne einen konkreten Antimilitarismus lässt sich die deutsche Linke als Maulesel vor den Karren der Kriegstreiber spannen. Sie macht sich so lediglich stark für einen sozialen Frieden im Herzen der imperialen Waffenschmiede der NATO und der Heimat weltmonopolistischer Konzerne.

Flüchtlingspolitik als Kriegsunterstützung

These 2: Diese neue Flüchtlingspolitik und Hilfsaktionen, welche nicht auch die Expansionspolitik der NATO ablehnen, sind faktische Kriegsunterstützung.

Dieser Zusammenhang lässt sich ähnlich in der Haltung Deutschlands zu ukrainischen Flüchtlingen erkennen. Die deutsche Regierung gibt sich solidarisch mit den ukrainischen Menschen. Jedoch nicht, weil sie Flüchtlinge sind, sondern weil sie vermeintlich den gleichen Feind haben wie die herrschende Klasse. Als Kriegspartei ist für Deutschland die Akzeptanz der ukrainischen Flüchtlinge („Menschen wie wir“) vor allem auch eine Frage der Moral an der Heimatfront. Über Fluchtursachen wird nur noch gesprochen, wenn Russland beschuldigt werden kann. Geschwiegen wird aber davon, dass die NATO seit 2015 Milliarden von Dollar in die Aufrüstung der Ukraine gesteckt hat, um dadurch eine Westausdehnung der NATO zu erreichen. Damit haben sie selbst die aktuellen Fluchtursachen geschaffen.

In Europa wird heute offen eine Zweiklassenpolitik organisiert, welche Flüchtlinge aus der Ukraine privilegiert. Rassistischer Unmut über Flüchtlinge könnte leicht zu einer breiten Ablehnung des Krieges führen, was es für Deutschland und Europa zu verhindern gilt. Die Moral hinter den NATO-Geschützen in der Ukraine schwindet zudem, wenn es in der BRD Brandanschläge auf Unterkünfte der geflüchtete Angehörigen gäbe. So ist es momentan möglich, dass stramme Nazis in der BRD Flüchtlingshilfe für Ukrainer leisten und gleichzeitig auch Linke Spendenkampagnen für das ukrainische Militär organisieren.

Gegen AfD heißt nein zu Bundeswehr und NATO

These 3: Wer den Krieg nicht als Ursache der momentan zugespitzten Phase der bereits vorher angewachsenen Krise benennt, stützt argumentativ, bewusst oder irrtümlich naiv, die Propaganda der Herrschenden wie auch die der AfD.

Die AfD macht sich zum Sprachrohr der Kapitalfraktionen, welche aktuell vom Krieg nicht profitieren. Dabei täuscht sie offensichtlich Überschneidungen mit den Interessen des Proletariats vor. Die AfD ist nicht prinzipiell gegen imperialistische Kriege – sie würde sie nur gegen andere Staaten führen als es die Ampel-Koalition tut.

Die AfD engagierte sich seit jeher für eine verstärkte Militarisierung der Gesellschaft und die Hochrüstung der Bundeswehr. Sie forderte als erste Partei die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Übererfüllung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO. Um ihre militaristische Politik ideologisch zu untermauern, benutzt die AfD klassische rassistische Feindbilder oder bedient sich eines nationalistischen Militarismus nach preußischem Vorbild. Momentan jedoch täuscht die AfD auf Grund ihrer oppositionellen Rolle über ihren Militarismus hinweg und versucht so die Sozialproteste zu beeinflussen. Ob sie in Regierungsbeteiligung immer noch den Frieden mit Russland anstreben würde, ist stark zu bezweifeln. Der AfD geht es vor allem darum, Deutschlands Rolle in der NATO gegenüber den USA zu stärken. Ihr Antiamerikanismus ist lediglich Ausdruck des deutschen Imperialismus welcher sich von seiner US-Vormundschaft lösen will und zur Führungsmacht der Nato aufsteigen will.

Wird also die soziale Frage ohne den Krieg zwischen NATO und Russland analysiert, trägt man lediglich einen nationalen „Klassenstandpunkt“ auf die Straße und überlässt damit der verlogenen Antikriegsrhetorik der AfD und ihren nationalistischen Krisenantworten das Feld.

Klar antimilitaristische linke Forderungen bei den Sozialprotesten sind also nicht verhandelbar im Kampf gegen die Faschisten!

Friedensverhandlungen werden durch die herrschende Klasse verunmöglicht

These 4: Die Forderung nach Friedensverhandlungen muss eine zentrale Forderung der kommenden Sozialproteste sein; sonst bleibt der Protest Systemstabilisation.

Friedensverhandlungen werden von den Herrschenden wie in jedem Krieg vehement abgelehnt. Wer diese fordert, wird prompt gefragt, ob er auch mit Hitler verhandelt hätte. Dabei schrecken die herrschenden Ideologen vor holocaustrelativierenden Vergleichen zwischen Hitler und Putin nicht zurück. Dadurch wird der Krieg gegen Russland der Befreiung Auschwitz gleichgestellt und Imperiale Machtausübung zum antifaschistischen Akt verklärt. Aus diesem Grund ist es für die dominierenden Kapital- und die sie vertretenden Politikfraktionen wichtig, die Möglichkeit nach Friedensverhandlungen breit zu bekämpfen. Argumentativ koppelt die deutsche Regierung ihre angeblichen Kriegsziele einfach an das nationale Interesse der Ukraine nach einem Ende der Besatzung. So vermeidet sie, ihr eigenes imperialistisches Interesse sowie bündnispolitische NATO-Interessen all zu offen zu artikulieren.Die Forderung nach Frieden soll als temporäre Krisenantwort niedergehalten und der Krieg so lange wie möglich hingezogen werden. Ein strategischer Grund dafür ist u.a. Russland als strategischen Partner Chinas in einem langen Abnutzungskrieg militärisch und ökonomisch zu schwächen. Dabei haben Europa und die USA zum Teil konträre Interessen da China auch ein wichtiger Handelspartner Deutschlands ist. Doch in der Frage Russlands scheint die NATO momentan einig, was ihre Geschlossenheit widerspiegelt.

Antimilitarismus als Antwort gegen Faschisten, Pseudolinke und Imperialisten

These 5: Die Aufgabe der Linken ist es für die Niederlage des deutschen Imperialismus zu kämpfen und nicht die Parteinahme für eine Fraktion der konkurrierenden imperialistischen Staaten.

Genauso wenig wie Frauenrechte am Hindukusch verteidigt wurden, unterstützt die NATO die Ukraine zur Verteidigung der Demokratie. Auch ein Sieg der NATO über Russland wird den Charakter der Klassengesellschaft, imperialistischer Konkurrenz und die daraus resultierenden Kriege nicht beenden können. Imperialistische Kriege können nicht unabhängig von den wirtschaftlichen Interessen der kriegsbeteiligten Staaten analysiert werden. Das jedoch geschieht, wenn bspw. die Ursachen des Ukraine-Kriegs als Ausdruck despotischer Züge Putins bagatellisiert werden.

Die Reduzierung dieses Krieges auf einen Konflikt von Gut gegen Böse, verschleiert den Widerspruch der Klassengesellschaft. Denn Krieg ist vor allem Ausdruck internationaler kapitalistischer Konkurrenz. Alle bürgerlichen Parteien in Deutschland maskieren die Arbeiterklasse der Ukraine als lediglich durch Russland unterdrücktes Volk. Dabei wird ein Bild von einer Nation geschaffen, in der es keine konkurrierenden Klasseninteressen gibt, sondern nur noch das Interesse der Nation. Dabei bekämpft die ukrainische herrschende Klasse klassenkämpferische Positionen durch Parteiverbote, Haftstrafen und Pogromen gegen Minderheiten und Linken. Diese repressive Haltung gegenüber unserer Klasse findet in der deutschen Medienlandschaft keinen Platz.

Durch diese falsche Annahme wird es sowohl für Pseudo-Linke als auch für Faschisten des III. Wegs möglich, sich positiv auf Faschisten und Nationalisten in der Ukraine zu beziehen. So unterstützen deutsche Linke bspw. anarchistische Kämpfer in der Ukraine, die dort Schulter an Schulter mit Nazis kämpfen.

Liberale und Linkspartei im Geiste Noskes und Eberts

These 6: Die Aufgabe der Niederhaltung pazifistischer und antimilitaristischer Bewegungen an der Heimatfront übernehmen heute neben den Grünen auch die Gewerkschaften, die Linkspartei und alle Krisenproteste, welche westliche imperialistische Interessen an einem andauernden Abnutzungskrieg gegen Russland in ihren Forderungen ausklammern oder bewusst verleugnen.

Diese Positionen müssen öffentlich demaskiert und angegriffen werde. Die genannten Akteure heben die Sozialproteste aus dem Kontext der imperialistischen Krise undstellen sie als Problem dar, welches auf einer nationalen Ebene lösbar wäre. Damit wird ähnlich wie bei AfD-Argumentationen die Klassengesellschaft als Grundlage von kapitalistischer Konkurrenz und imperialistischen Kriegen mindestens implizit geleugnet. Wichtigste Protagonisten der Niederhaltung friedenspolitischer Ansätze sind neben der SPD, den Grünen und den bürgerlichen Medien auch große Teile der Linkspartei. Sie deuten die reaktionäre Parteinahme für die NATO zum antifaschistischen Kampf um und bieten dies der breiten Masse als Argumentation an.

Es gibt gute Gründe bspw. Sahra Wagenknechts Argumentationen zu kritisieren, doch wenn es KriegsbefürworterInnen im Namen des Antifaschismus tun, stehen diese lediglich in der Tradition Joschka Fischers und der Auferstehung Deutschlands als imperialistischer Staat nach dem 2. Weltkrieg.

Einige PolitikerInnen der Linkspartei betreiben eine rhetorische Praxis, bei der GegnerInnen des Nato-Kriegskurses attackiert und öffentlich verhetzt werden. Damit bilden sie ein wichtiges Scharnier zwischen der staatlichen Kriegs- und Propagandamaschinerie und Teilen der linken Szene.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Jule Nagel, Linksparteipolitikerin aus Leipzig-Connewitz rief zum Protest gegen die Vorführung des Dokumentarfilms Ukraine on Fire auf. Dieser Film von Oliver Stone vertritt die These, dass es sich beim Machtwechsel in Kiew 2014 um einen Staatsstreich gehandelt habe, bei dem die CIA die Fäden zog. Zudem zeigt er die Einflussnahme der Faschisten auf den Maidan. Für Jule Nagel, die ihre kriegstreiberische Haltung auch zuletzt dadurch deutlich machte, dass sie palästinensische Demoteilnehmer angriff, die auf einem Schild das Ende der israelischen Besatzung ihrer Heimat forderten, ist dies eine mit allen Mitteln zu bekämpfende Perspektive auf den Ukraine-Krieg. Sie agiert faktisch im Interesse des Imperialistischen Staates Deutschlands.

Schlussfolgerungen

Deutschland ist rohstoffarm und verfügt nur über einen kleinen heimischen Absatzmarkt bezogen auf die Größe der deutschen Weltmonopole. Deshalb braucht Deutschland Absatzmärkte und Zugang zu Rohstoffen. Es braucht die dominante Rolle in Europa und der NATO als Basis seiner Expansion, welche es historisch immer wieder auch im Osten suchte. Für die Niederlage des deutschen Imperialismus zu kämpfen, heißt zwangsläufig die Sozialpartnerschaft anzugreifen. Die Rolle der DGB-Gewerkschaften ist es in erster Linie, den Burgfrieden mit dem Kapital zu bewahren. Wir müssen dagegen halten. Denn nur durch die Schwächung der nationalen Weltmonopole können wir auch den deutschen Imperialismus und seine Kriegsführung schwächen. Wir müssen also die Widersprüche, die sich in den aktuellen Preisexplosionen verschärfen, dafür nutzen den Klassenkampf gegen die nationale Bourgeoisie aufzunehmen.

Es lassen sich keine allgemeinen Einschätzungen zu den Sozialprotesten treffen. Für jede Stadt müssen die Verhältnisse auf der Straße gesondert beobachtet und analysiert werden. Dennoch lassen sich entscheidende Fragen auch allgemein diskutieren, wozu wir hiermit einladen wollen. Wir fragen uns: Was ist die Aufgabe der Linken bei den sozialen Protesten? Wie geht man mit reformistischen Sozialprotesten um? Wie verhält man sich gegenüber der AfD und demaskiert deren Friedensrethorik? Welchen Nutzen kann eine Linke aus den Sozialen Protesten ziehen? Wie können wir die Proteste nutzen, um unsere Organisationen und die Friedensbewegung zu stärken?

Es bleibt dabei: Wer von Kapitalismus redet kann über den Krieg nicht schweigen!

Zusammen kämpfen, Januar 2023

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