Fernab von der Öffentlichkeit spielt sich derzeit in Stuttgart-Stammheim ein politischer Schauprozess ab, welcher im Falle von Verurteilungen weitreichende Konsequenzen für migrantische Organisationen und generell für internationalistische Betätigung haben kann.
Es handelt sich hierbei um einen Prozess, bei dem 5 Linke mithilfe des Paragraphen 129b die Mitgliedschaft in einer verbotenen ausländischen Organisation – konkret der marxistisch-leninistischen DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) – vorgeworfen wird und der bisher mit Menschenrechtsverletzungen, Isolationshaft, Willkür und „juristischen“ Absurditäten von sich Reden gemacht hat.
Aktuell findet im Rahmen des Prozesses seit dem 28. Juli 2008 die Anhörung des Hauptbelastungszeugen Hüseyin Hiram statt. Dieser ist ein ehemaliger Doppelagent des türkischen und deutschen Geheimdienstes, welcher laut psychologischem Gutachter nur teilweise vernehmungsfähig ist, da er an Schizophrenie leidet und Wahnvorstellungen hat.
Derzeit spielt sich in Stammheim eine Farce ab, die an Absurdität und Lächerlichkeit nur schwer zu überbieten ist.
So macht der Zeuge nicht selbstständig Angaben sondern antwortet nur auf die offensichtlichen Suggestivfragen des Gerichts. Zudem stehen seine jetzigen Aussagen oftmals im krassen Widerspruch zu bereits gemachten Aussagen oder der Zeuge gibt an, sich an diese nicht zu erinnern oder er revidiert bestimmte Aussagen komplett.
Nach Beobachtung der bisherigen Prozesstage war eindeutig festzustellen, dass dieser Zeuge, auf dessen Aussagen die Anklage hauptsächlich beruht, nicht glaubwürdig und den Angeklagten gegenüber feindselig eingestellt ist.
Darüber hinaus kann vom Senat nicht mehr behauptet werden, dass dieser Prozess der Wahrheitsfindung dienen soll, wenn der Hauptbelastungszeuge psychisch krank, stark medikasiert und voreingenommen ist und seine Antworten durch die Art und Weise der Fragen des Senates schon vorgegeben werden.
Neben der aktuellen Entwicklung dauern die Menschenrechtsverletzungen und die Isolationshaft an:
Der Gefangene Mustafa Atalay, der zwei Wochen vor seiner Verhaftung am 15. November 2006 in der Rehaklinik von Bad Bevensen eine Herzoperation über sich ergehen lassen musste, bei der ihm Bypässe gelegt worden waren, befindet sich seitdem in Isolationshaft. Die durch die Operation geöffneten Herzgefäße sind aufgrund der Haftbedingungen wieder verstopft. Statt einer notwendigen zweiten Operation zur Öffnung der Gefäße wurden ihm lediglich Stands gelegt, die keine dauerhafte Lösung darstellen.
Drei unabhängige GutachterInnen haben beim Gefangenen Ilhan Demirtas eine Psychose diagnostiziert. Ein vom Gericht beauftragter Arzt jedoch unterstellt dem Gefangenen Demirtas, dass er seine Leiden nur simuliere, um bessere Haftbedingungen zu erhalten.
Die drei weiteren Gefangenen – Ahmet Düzgün Yüksel, Hasan Subasi und Devrim Güler – befinden sich weiterhin in Isolationshaft, welche bekanntlich international als Folter geächtet ist.
Wir rufen dazu auf, der eigenen politischen und menschlichen Verantwortung hinsichtlich dieses Justizskandals nachzukommen und den Prozess – insbesondere die anstehenden Prozesstage am 15.09., 17.09., 22.09. und 24.09. – näher zu verfolgen, nach Möglichkeit an diesen teilzunehmen oder im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dazu beizutragen, dass der Stammheim-Prozess an die Öffentlichkeit gelangt.
Weg mit den §§129!
Freiheit für Mustafa Atalay, Ahmet Düzgün Yüksel, Ilhan Demirtas, Devrim Güler und Hasan Subasi!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Komitee gegen §§129