Gewalt nimmt durch Militarisierung der Gesellschaft zu
amerika21.de
Guerrero. Der neueste Begriff in der mexikanischen Presse heißt juvenicido, eine Mischung aus den Worten Jugend (juventud) und Massenmord (genocidio) und bezeichnet die ausufernde tödliche Gewalt gegen mexikanische Jugendliche. Der Massenmord auf einem Fest in Ciudad Juárez hat es auch in die deutsche Presse geschafft. Nicht immer ist der body count so hoch und damit die Meldung für die Massenmedien relevant.
Ein Beispiel aus dem Alltag des „Drogenkriegs“, der sich immer mehr gegen die Bevölkerung richtet: Am Freitagabend wurde in Tlacotepec im Norden des Bundesstaates Guerrero der 18-jährige Juan Alberto Rodríguez Villa von Militärs zu Tode geprügelt. Er befand sich zusammen mit seinem 16-jährigen Freund Francisco Javier Martínez auf der Dorfstrasse, als ein gepanzertes Militärfahrzeug vorbei fuhr, 15 Soldaten ausstiegen und die Jugendlichen anhielten. Die beiden bekamen es mit der Angst zu tun und rannten zu einem nahe gelegenen Haus einer Freundin. Doch sie wurden eingeholt und mit Gewehrkolben verprügelt. Die Freundin bat um Gnade, doch die Soldaten schleppten die zwei Jugendlichen in ihr Fahrzeug, schlugen weiter auf sie ein und ließen schließlich die Körper zurück. Juan erlag seinen Verletzungen, Francisco überlebte schwer verletzt. „Sie forderten 50’000 pesos (2500 Euros) Lösegeld, damit sie uns leben lassen“, gab der Überlebende zu Protokoll.
Der Mord durch die Militärs wird bei der herrschenden Straflosigkeit kaum Konsequenzen haben. Am Sonntag fand das Begräbnis von Juan statt. Seine schwangere Frau stellte an seinem Grab die Frage aller Anwesenden: „Wie viele Menschenleben noch?“ Eine Dorfautorität meinte besorgt: „Früher respektierten die Leute die Armee, aber jetzt könnten sie sich bewaffnen und die Dinge könnten schlimm enden“. Nicht gerade zur Entspannung trägt die Militärführung bei: Sie versprach, am Sonntag in der Gemeinde über die Schritte gegen die Verantwortlichen zu informieren, tauchte aber nicht auf.
Die Militarisierung des Bundesstaates kennt keinen historischen Vergleich, wie auch der soziale Aktivist Bertoldo Martínez Cruz im Gespräch bestätigt: „Die Militärs sind präsenter als in den Zeiten des schmutzigen Krieges in den 1970er Jahren. Das Hauptproblem für das Militär ist jedoch nicht der Drogenhandel, sondern die soziale Bewegung.“ Es vergeht keine Woche ohne Klagen über solche Übergriffe. „Ni uno más – keinen einzigen weiteren Mord mehr!“ war denn auch die Hauptforderung in Ciudad Juárez in Nordmexiko auf dem „Marsch der Wut, des Schmerzes und der Wiedergutmachung“.