Neuer Trick der Staatsanwaltschaft: Das Außenwirtschaftsgesetz wird gegen türkische Linke verwandt. Gespräch mit Andrej Hunko
Interview: Mirko Knoche, junge Welt 15.April
Andrej Hunko (Die Linke) ist Mitglied des Bundestags und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats
Sie haben am Dienstag einen Prozeß gegen drei mutmaßliche Unterstützer der linken türkischen Organisation DHKP-C vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf beobachtet. Den Aktivisten werden recht ungewöhnliche Straftaten vorgeworfen. Was hat das Außenwirtschaftsgesetz mit diesem politischen Prozeß zu tun?
Sie sollen im wesentlichen Paragraph 34 dieses Gesetzes verletzt haben. Diese Bestimmung sollte ursprünglich verhindern, daß Embargos gegen geächtete Staaten unterlaufen werden. Mit Einführung der EU-Liste angeblicher terroristischer Organisationen fallen nun auch finanzielle Verbindungen mit solchen Organisationen unter den Straftatbestand des Paragraphen 34. Jetzt will die Staatsanwaltschaft den Angeklagten Zahlungen an die DHKP-C, die auf der EU-Terrorliste steht, nachweisen.
Der Prozeß ist ein Sonderfall und ein Politikum, denn diese Konstruktion ist rechtlich sehr umstritten. Um sicherzugehen, daß auf jeden Fall Anklage erhoben werden konnte, hat die Staatsanwaltschaft den drei Beschuldigten außerdem die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Organisation nach Paragraph 129b des Strafgesetzbuches vorgeworfen. Dieser juristische Winkelzug steht allerdings auf noch wackligeren Füßen als die Anklage nach dem Außenwirtschaftsgesetz.
Wer überprüft denn, ob der Prozeß überhaupt zulässig ist? Das Oberlandesgericht selbst?
Die Anwälte der drei türkischen Angeklagten haben den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Prüfung vorgelegt. Dieser entscheidet darüber am 12. Mai. Das Oberlandesgericht hat aber den Antrag der Anwälte abgelehnt, die Verhandlungen bis dahin auszusetzen. Die Verteidiger vermuten, daß die Bundesanwaltschaft eine schnelle Verurteilung anstrebt, denn der Fall hat Pilotcharakter. Mit einem Erfolg würde sich die Bundesanwaltschaft in Zukunft langwierige Verfahren sparen, um die angebliche Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu beweisen. Eine Verurteilung nach dem Außenwirtschaftsgesetz wäre vor Gericht viel einfacher durchzusetzen. Aus diesem Grund ist die laufende Verhandlung für politisch Verfolgte von großer Bedeutung.
Wie läuft das Gerichtsverfahren denn konkret ab?
Am Dienstag verlas die Bundesanwaltschaft in epischer Breite Listen mit Telefonverbindungen der Angeklagten zu angeblichen DHKP-C-Funktionären. Außerdem berichtete sie ausführlich über die Abrechnung von Zeitungsverkäufen, die Angeklagten hatten ein – wohlgemerkt legales! – Blatt der Anatolischen Föderation vertrieben. Verfahrensanträge der Strafverteidiger werden dagegen regelmäßig zurückgewiesen.
Die drei Angeklagten werden seit anderthalb Jahren in Untersuchungshaft festgehalten. Im Gerichtssaal sitzen sie von ihren Verteidigern getrennt und von jeweils zwei Beamten bewacht hinter einer Glaswand ohne Mikrofon oder andere Möglichkeit, sich zu äußern.
Welche Funktion hat diese »EU-Terrorliste« Ihrer Ansicht nach überhaupt?
Erstens ist sie rechtsstaatswidrig, weil sie ausschließlich von der Exekutive bestimmt wird. Konkret sieht es so aus, daß ein Geheimgremium dem EU-Ministerrat vorschlägt, welche Organisationen in die Liste aufgenommen werden sollen.
Die EU-Terrorliste muß also weg, sie unterliegt keiner demokratischen Kontrolle. Zweitens verhindert sie, daß die EU-Mitgliedsstaaten vermittelnd in Konflikten aktiv werden können. Alle politischen Verbindungen zu den aufgeführten Organisationen sind nämlich untersagt. So konnte Norwegen die EU nicht in die Friedensbemühungen in Sri Lanka einbinden, weil die tamilischen Befreiungstiger als Terrororganisation galten. Der Bürgerkrieg nahm dann ein blutiges Ende mit Tausenden von Toten.