Landarbeiterorganisation widerspricht Darstellung von Militär und Regierung. Aktivist einer revolutionären Organisation getötet
Von Eva Haule
amerika21.de
Caracas. Am Dienstag sind drei Menschen in Venezuela bei einem „bewaffneten Zusammenstoß“ in einem Waldgebiet an der Grenze zu Kolumbien getötet worden. Vier Personen wurden bei der Aktion des Militärs im Bundesstaat Apure verletzt. Dies hat das Verteidigungsministerium des Landes in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, die Informationsminister Izarra auf seinem Twitter-Account publiziert hat. Beteiligt waren demnach Angehörige des 923. Bataillons der venezolanischen Streitkräfte und „Mitglieder einer gewalttätigen Gruppe, die laut Informationen Viehschmuggel und Raub begangen haben“. Die Aktion sei ein Erfolg der Streitkräfte im Kampf gegen Gruppen, die den nationalen Frieden stören, sowie die Gesetze und die Regierung missachten.
Rechtsanwalt Oscar Contreras, Sprecher der „Revolutionären Strömung Bolívar und Zamora“ (CRBZ), hat die offizielle Darstellung des Vorfalls umgehend zurück gewiesen. Es habe keine bewaffnete Konfrontation stattgefunden, sondern Militärangehörige hätten einen Bauernhof überfallen, in dem sich eine Gruppe von Landarbeiteraktivisten aufhielt.
Am Freitag sagte Nelson Guerrero, ein Sprecher der zur CRBZ gehörenden Bauernfront Ezequiel Zamora (FNCEZ), dass „Uniformierte maskiert in das Haus eindrangen und um sich schossen, ohne auch nur Rücksicht auf die Kinder zu nehmen, die im Haus waren“. Der Bruder des getöteten Javier Guerrero nahm auf einer Pressekonferenz zu dem Vorfall Stellung, bei der Angehörige der Opfer des Einsatzes und Vertreter zahlreicher sozialer Organisationen anwesend waren. Er teilte weiter mit, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vom Militär behindert würden. So habe die zuständige Staatsanwältin keine Erlaubnis erhalten, die bei dem Einsatz verletzten Personen zu befragen. Auch sei der Tatort ohne die vorgeschriebene Anwesenheit der Staatsanwaltschaft gesichert worden. Bereits in der Vergangenheit sei in 37 Fällen Anzeige gegen den Leiter des Militäreinsatzes, Oberst Ángel Serdeño, erstattet worden. Diese reichen von Amtsmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Nötigung. Auch die nationale Regierung sei über das Verhalten des Militärs informiert worden.
Braulio Márquez, Sprecher der Selbstregierung der Kommunalen Sozialistischen Stadt Simón Bolívar und Mitglied des Vorstands der lokalen Gliederung der sozialistischen Regierungspartei (PSUV), warf Serdeño außerdem Viehdiebstahl und den Schmuggel von Benzin nach Kolumbien vor. Sein einziges Ziel bei dem Einsatz sei die Tötung von Javier Guerrero gewesen, dem in der Region bekannten Aktivisten der CRBZ. Die Beteiligten an der Pressekonferenz forderten von den zuständigen Behörden die gründliche Untersuchung der „bedauernswerten Vorfälle“ und die Bestrafung der Verantwortlichen.
Bereits am Mittwoch hatte die CRBZ selbst in einer Erklärung Stellung zu den Geschehnissen genommen. Die Toten und Verletzten seien demnach weder Kriminelle, noch Schmuggler oder Viehdiebe, „sondern im Gegenteil soziale und revolutionäre Aktivisten, die auf der Seite des Volkes, der Revolution und der Verteidigung unserer Souveränität“ standen. Die CRBZ schreibt, dass sie sich der besonderen Probleme in Apure sehr bewusst sei. Darunter sei „das Eindringen irregulärer revolutionärer Gruppen“ sowohl aus Kolumbien wie aus Venezuela selbst und vor allem die Existenz von Schmugglern und Drogenhändlern und die „Komplizenschaft von Sektoren der Sicherheitskräfte mit Letzeren“. Die Organisation beklagt, dass der venezolanische Staat im Grenzgebiet keine Präsenz zeige und die zahlreichen Morde an Bauernaktivisten in den vergangenen Jahren nicht aufgeklärt würden. Die CRBZ arbeit seit 20 Jahren in der Grenzregion für die soziale und politische Organisierung der Landbevölkerung.