Neukölln: Kriegstreiber und Imperialistenknechte sind keine Linken!

Der 28. April 2012 im Neuköllner Schillerkiez und angrenzenden Vierteln…

Gegen 17:30 Uhr besetzten Mieten- und WohnraumaktivistInnen die leerstehende Weisestraße 47, welche dem Spekulanten Conle „gehört“. Sie wollten auf die Umstände des spekulativen Leerstands hinweisen und gleichzeitig Mietwucher und Profiteure der Entwicklung im Kiez benennen. Wir begrüßen diesen Akt des Protests und sehen ihn eingebettet in einen als Teil des Klassenkampfes verstandenen Stadtteilkampf. Mehr als 120 Menschen solidarisierten sich vor dem Haus mit den AktivistInnen. Die Bullen schlugen sich schließlich den Weg frei und räumten das Haus, woraufhin es noch um 21 Uhr zu einer spontanen Demonstration im Schillerkiez kam.Einen ausführlicheren Bericht, sowie Pressemitteilungen und Fotos findet ihr hier.

Eine weit unerfreulichere Veranstaltung begann ungefähr zeitgleich, nur wenige hundert Meter entfernt.

Flankiert von zahlreichen USA, Israel, Großbritannien, Royal Air Force und Frankreich-Fahnen, zog eine um die 250 Menschen zählende, sogenannte „Streetparade zu Befreiung Neuköllns“ (durch die Rote Armee vor 67 Jahren!) von Hermannstraße Ecke Rollbergstraße durch Neukölln. Mit Parolen wie „Free Gaza – from Hamas“, „Israel, USA, Antideutsche Antifa“ „Lang lebe Israel“, „Der Mossad – der Mossad – der Mossad – kriegt euch alle!“ und „[…] Aus der Lunte [Linker Stadtteil- und Infoladen im Schillerkiez. Anm. d. ZK] machen wir ne Mode-Boutique“ zeigten die selbsternannten “Antifaschisten“ bereits kurz nach Paraden-Beginn ganz klar worum es ihnen eigentlich ging. Dass wir als klassenbewusste, proletarische Linke es in unseren Vierteln nicht hinnehmen werden, dass verwirrte, reaktionäre Mittelschichtskids Internationalismus und Solidarität, sowie generell linke Politik, verunmöglichen, ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist nervtötend, aber man muss Demonstrationen aus diesem Spektrum und mit dieser Aussage und Intention als das begreifen, was sie sind: Aufmärsche des politischen Gegners.

So begleiteten wir die Streetparade von Anfang an mit deutsch- und türkischsprachigen Anwohner-Flugblättern (siehe unten), die über die Demonstration und die sie veranstaltenden Kräfte aufklären und die eigentlichen Inhalte linker und revolutionärer Politik verdeutlichten sollten. Diese wurden durchweg gut angenommen, sodass schließlich ungefähr 1800 Flugblätter verteilt werden konnten. Positive Resonanz kam aus allen Ecken, es gab unentwegt Solidaritätsbekundungen von Passanten. So konnte ohne großen Aufwand eine beträchtliche Außenwirkung entfaltet werden. Zu beiden Seiten der Parade liefen Flugblätter verteilende GenossInnen. Außerdem wurde die Demonstration der “Antideutschen” über große Teile der Wegstrecke mit internationalistischen Parolen übertönt. Viele Kiezjugendliche –  vor allem Araber, Palästinenser und Kurden –  schlossen sich dem Protest an. Gemeinsam mit diesen gelang es zweimal sich der Parade in den Weg zu stellen. Die Polizei versuchte immer wieder erfolglos die Intervention zu verhindern.

Es kam dabei unsererseits zu keinerlei Angriffen. Es wurde auf keine Provokation eingegangen. Es wurde selbstverständlich nicht mit den Bullen gelabert, auch wurden keine Fotos gemacht. Das haben wir nicht nötig, wir kennen unsere Pappenheimer auch so.
Auf der antideutschen Seite ist mit Pöbeleien, Beleidigungen, Anspucken, Rempeln,Tritten, Fotosessions und permanentem Gequatsche mit den Bullen hingegen alles dabei, so wie auch jüngst bei einer Veranstaltung der trotzkistischen Partei PSG.
Aber wir wollen nicht rumheulen – wir wollten ihre Parade stören und behindern und das haben wir auch geschafft! Weder Lautsprecherwagengruppenerklärungen noch Denunziantentum staatstragender, vermeintlicher “Linker“ juckt uns dabei in irgendeiner Weise.

Wären die Freunde des imperialistischen Krieges zu Reflektion fähig, würden sie erkennen, dass sie die komplette Einwohnerschaft der Nord-Neuköllner Kieze gegen sich haben, und mit ihrem Hedonismus-Event endlich in passendere Stadtteile umziehen. Wir empfehlen da Grunewald, Dahlem oder das Kanzlerviertel.

Neukölln bleibt Rot!

Angehangen ist unser Anwohner-Flyer auf deutsch und türkisch:
Anwohner-Flugblatt Deutsch ///  Anwohner-Flugblatt Türkisch

Text des Anwohner-Flugblatts:

Kriegsfreunde und Imperialistenknechte sind keine Linken!“

Sehr geehrte Anwohnerinnen und Anwohner Neuköllns,

die armseligen Gestalten, die wir hier heute auf unseren Straßen aufmarschieren und herumbrüllen sehen müssen, geschmückt mit den Flaggen der rassistischen Kriegstreiberstaaten USA, Israel, Großbritannien und Frankreich, bezeichnen sich als “Antifaschisten“ und “Linke“.

Das klingt nicht nur komisch, sondern ist auch grundlegend falsch – eher das Gegenteil ist der Fall!

Während sich die radikale, revolutionäre Linke und die Kommunisten schon immer gegen Kriegstreiberei und Sozialabbau, für Arbeiter- und Migrantenrechte, mehr noch für soziale und nationale Befreiung und proletarischen Internationalismus (das heißt die „Zärtlichkeit und Solidarität der Völker“ [Ernesto „Che“ Guevara] unabhängig von Glaube, Nation, Geschlecht) einsetzten, benutzen diese schändlichen Gestalten dort auf der Straße, den Tag der Befreiung Neuköllns vom Terror der Hitler-Faschisten durch die Rote Armee vor 67 Jahren, um Hass auf alle Gegner und Opfer imperialistischer Angriffskriege zu verbreiten!

Getarnt als “Antifaschisten“ und “Linke“ schwenken sie die Fahnen von bürgerlichen Staaten, die nicht nur die eigene Bevölkerung ausbeuten und unterdrücken, die linken und sozialen Bewegungen in ihren Ländern aufs Schärfste bekämpfen, sondern zudem noch nationale und religiöse Minderheiten rassistisch diskriminieren und Angriffskriege für neue Absatzmärkte und Profite in aller Welt führen.

Diese Leute dort sind keine “Linken“ – es sind die willigen, kleinbürgerlichen, deutschen Verteidiger der Ideen der Imperialisten, Zionisten und anderer Kriegstreiber – es sind Freunde des Kapitalismus und Feinde des Volkes und der lohnabhängigen Klasse.

Lasst uns gemeinsam jeden Imperialismus, Rassismus, Krieg und Besatzung verurteilen und bekämpfen – in Neukölln und international!

Internationale Solidarität von Unten statt Spaltung!
Informiert und Organisiert euch gegen Ausbeutung und Kapitalismus!

Neukölln bleibt Rot!

Zusammen Kämpfen [Berlin] /// www.zk-berlin.bplaced.de
Nachsatz – Wir möchten hier einen in unseren Augen äußerst lesenswerten Beitrag der GenossInnen von SoL Hamburg vom 13. Dezember 2009,  zum Verhältniss Antisemitismus, Rassismus und Zionismus, dokumentieren:

Was ist Antisemitismus?

Der moderne Antisemitismus hat seinen Ursprung in dem christlich-religiös-kulturellen Antijudaismus, also in den Vorurteilen und der Ablehnung der Christen der jüdischen Religion. Aus diesem Antijudaismus entstand der säkulare und biologisch-rassistische Antisemitismus, bei dem es nicht mehr um die Religion des Judentums geht, sondern darum, dass es ein jüdisches Volk gibt, welches nicht unter den anderen Völkern leben könne. Nun wurden mit dem Antisemitismus nicht nur religiöse Juden verfolgt, sondern auch Menschen, die sich keiner oder einer anderen Religion zugehörig fühlten, aber irgendwann jüdische Vorfahren hatten. Der moderne Antisemitismus versucht darüber hinaus noch die Welt zu erklären, indem er behauptet, dass die Juden das Geld besäßen und damit die Welt regierten. Diese verstörte Weltansicht wurde generalisiert und auf alle Menschen ausgeweitet, die irgendwas mit dem jüdischen Glauben zu tun hatten. Auf diese Weise wurde ein künstliches Feindbild geschaffen. Wo diese Form des Antisemitismus keinen Erklärungsansatz fand, wurde die Idee der jüdisch-bolschewistischen Weltrevolution erfunden. Egal, was die Juden und „die zu Juden gemachten“ auch taten; sie wurden in das Weltbild der Antisemiten gepresst. Die Juden stellten in der Zeit der Verbreitung des Antisemitismus die größte Minderheit in den jeweiligen Ländern Europas dar. So wurden sie auch die größten Opfer der Fremdenfeindlichkeit des 19. Jahrhunderts. Die Herrschenden nutzten oft den Antisemitismus als Ventil des Hasses der Bevölkerung gegen ihre eigene Herrschaft und konnten so von den wahren Problemen der Gesellschaft ablenken.

Auch heute werden bewusst antisemitische Positionen vertreten. In Deutschland glauben unter anderem Nationalisten an eine jüdische Weltverschwörung.
Im arabischen Raum gibt es eine andere Form des heutigen Antisemitismus. Dieser wird mit dem Antizionismus verknüpft. Israel wird mit dem Judentum gleichgesetzt. Dadurch werden die Taten Israels als Taten der Juden angesehen. Auch hier nutzt die iranische Regierung den Antisemitismus als Ablenkung von innenpolitischen Spannungen, denn die Bevölkerung kümmert sich dann nicht mehr um ihre Unterdrückung und die Unterdrückenden.

Antisemitismus ist Rassismus

Dabei funktioniert der Antisemitismus wie jeder andere Rassismus. Demnach werden Behauptungen über Einzelne auf ganze Gruppen bezogen. Durch diese Verallgemeinerung und Hervorhebung von Besonderheiten kann man dann die jeweiligen unterschiedlichen „Rassen“ anders werten. Diese Wertung wird im Interesse der jeweiligen Rassisten ausgelegt, zur Legitimierung von Macht und Privilegien benutzt und rassistische Taten gerechtfertigt. Ein künstlicher Unterschied wird dort, wo Gleichheit herrscht, aufrechterhalten.

Was ist Zionismus?

Antizionismus sei Antisemitismus hört man nicht mehr allein aus dem antideutschen und damit neokonservativen Spektrum, sondern diese Position wird auch vermehrt von linken Kräften – von den Autonomen bis zu der Linkspartei – vertreten. Was damit bezweckt werden soll, ist klar: jegliche Kritik am Zionismus soll mit dem Antisemitismusvorwurf verstummen.

Der Zionismus ist die teils religiöse und teils historische Vorstellung, dass die Juden ein Anrecht auf jenes Gebiet im Nahen Osten hätten, das ihnen als heiliges Land gilt. Aber auch die Existenz eines jüdischen Volkes und die Annahme, dieses Volk könne nicht unter anderen Völkern leben, sind Wesensmerkmale des Zionismus.
Eine weitere Grundlage der zionistischen Ideologie ist neben dem Recht auf das „versprochene Land“ die Behauptung, dass auf diesem Land kein anderes Volk lebe und leben könne. Zionisten treten also dafür ein, dass es einen rein jüdischen Staat geben müsse.
Natürlich gibt es wie in jeder Ideologie Vertreter, die nicht alles befürworten oder einige Aspekte anders sehen. Da die oben genannten Wesensmerkmale von den meisten Zionisten vertreten werden und aus diesen Ideen die meisten Taten gerechtfertigt werden, kann dies als Zionismus verstanden werden.

Ein zionistischer Grundgedanke ist demnach, dass ein jüdischer Staat als Zufluchtstädte für die Juden aufrecht erhalten werden müsse und eine jüdische Mehrheit gesichert werden müsse, um den jüdischen Charakter Israels zu gewähren. Diese Idee bildet, wie auch in vielen anderen Staaten, das Problem der Beherrschung einer Minderheit durch eine Mehrheit in Form einer Leitkultur. Ein Problem bei dieser Leitkultur-Idee ist, dass damit eine jüdische Mehrheit aufrechterhalten werden muss. Deshalb lässt Israel unter anderem die palästinensischen Flüchtlinge nicht zurück, die um Israel herum in Flüchtlingslagern leben. Zugleich wirbt aber Israel Leute an, die in irgendeinem Zusammenhang mit der jüdischen Religion stehen. Die israelischen Politiker plagt bei dieser Leitkulturidee ein Problem: die demographische Entwicklung der Gesellschaft verändert sich so, dass die jüdischen Israelis weniger Kinder bekommen. So scheint es sich als sehr schwierig zu erweisen, die jüdische Mehrheit in Israel aufrechtzuerhalten. Das Bevölkerungswachstum der PalästinenserInnen ist den armen Ländern dieser Welt ähnlich. Die PalästineserInnen zeugen viele Kinder, um sich im Alter abzusichern. Einige besonders rassistische Politiker in Israel machen sich darüber Gedanken und wollen z. B. die PalästinenserInnen in andere Länder transferieren, also abschieben. Sie sehen selber ein, dass ohne politische Eingriffe die jüdische Mehrheit in Israel gefährdet ist.

Bei dem Nahostkonflikt kann es konkret nicht um die Dominierung der einen Kultur über die andere gehen. Wir treten deshalb als AntirassistInnen für die Gleichberechtigung der jeweiligen Menschen vor Ort ein. Das heißt konkret, den politischen Kampf der israelischen und palästinensischen Linken vor Ort gegen den Antisemitismus und gegen den Zionismus zu fördern und Projekte zu unterstützen, die ein Zusammenleben vor Ort anstreben.

Antisemitismus und Antizionismus

Antizionismus wird zum Antisemitismus, wenn man alleine den Juden versagt einen eigenen Staat zu gründen. Also wird an dem Zionismus nur kritisiert, dass er einen jüdischen Staat schaffen will. Wir kritisieren am Zionismus und anderen religiös motivierten nationalistischen Bewegungen, dass sie die Idee einer Leitkultur verfolgen, d.h. andere bewusst ausgrenzen. So kritisieren wir auch islamische oder buddhistische Staaten, aber auch Unabhängigkeitsbewegungen, die eine „ethnische Reinheit“ anstreben. Doch hat der Zionismus nicht irgendwo seinen jüdischen Staat aufgebaut, sondern in Palästina. Mit der Staatsgründung Israels ist auch die Vertreibung von hunderttausenden PalästinenserInnen verbunden. Der aktuell vertretende Zionismus ist auch gleichzusetzen mit der Verteidigung der israelischen Politik, denn Israel ist die konkrete Umsetzung der zionistischen Idee. Auch wenn es im Anfangsstadium des Zionismus moderatere und versöhnlerische Strömungen gab, haben sich die durchgesetzt, die die Israel gestalten. Somit ist der aktuelle Antizionismus auch immer gegen die israelische Politik gerichtet. Auch wenn die israelische Politik manchmal glaubt, die Definitionsmacht über den Antisemitismus zu haben und so seine Kritiker mundtot machen zu können, darf der Antisemitismusbegriff nicht dazu dienen, israelische Politik zu rechtfertigen. So ist eine Kritik an Israel nur antisemitisch, wenn man das jüdische kritisiert, doch wir kritisieren die Staatspolitik gegenüber den PalästinenserInnen und die vehemente Verteidigung einer Leitkultur, was zur Folge haben kann, dass z.B. 1.200 Kinder von nichtjudischen Arbeitsemigranten, welche in Israel geboren sind, abgeschoben werden sollen, damit die Eltern keinen israelische Pass beantragen können.2 Wir kritisieren all dies unabhängig von der Religionszugehörigkeit. Allein der Fakt, dass Menschen wegen ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit ausgegrenzt werden, ist für uns der Grund der Kritik am Zionismus.

Die Verwässerung des Antisemitismusbegriffs

Im Kampf gegen den Antisemitismus muss aufgedeckt werden, dass der Philosemitismus antideutscher und anderer neokonservativer Gruppen eine sehr populäre Form des heutigen Antisemitismus ist. Die Behauptung von Antideutschen einer vermeintlichen positiven Andersartigkeit „der Juden“ basiert auf nichts anderem als auf alten judäophoben Stereotypen und ist damit nur die Kehrseite der antisemitischen Medaille.

Die Praxis der Antideutschen ist, ihre politischen Gegner immer als Antisemiten darzustellen. Dabei schrecken sie auch nicht vor Lügen zurück. Kurzer Hand wird aus dem Hamburger Hochschullehrer und früheren Linkspartei-Bundestagsabgeordneten Norman Paech ein Antisemit gemacht, weil er Israels Politik kritisiert. Die Antideutschen wollen bei jedem Konflikt die Opferrolle einnehmen, um die anderen als antisemitischen Mob darzustellen. Dadurch müssen sie sich nicht in eine inhaltliche Diskussion begeben, da man nicht mit Antisemiten diskutiert. Dabei geht diese Taktik sogar soweit, dass sie die gesamte Linke in Israel als Antisemiten verunglimpfen. „Ist heute möglicherweise antisemitisch, wer sich nicht klar und unmißverständlich hinter den Staat Israel stellt und sich statt dessen hinter einer ominösen israelischen Linken verschanzt, die ihn kaputt machen würde, wenn sie zum Zuge käme?“ 3 Alle Juden, die Israel kritisch gegenüberstehen oder sogar die gesamte jüdische Linke wird bei den Antideutschen zu Verrätern am jüdischen Vaterland. „Zum Alibi-Juden der Antisemiten gesellt sich der Alibi-Amerikaner, der wenn wundert`s, nicht selten jüdischer Amerikaner ist.“4 Die Ausrichtung des antideutschen Philosemitismus offenbart sich auch in seiner Aufteilung der Menschen nach ihrer Stellung zu Israel: Die Solidarität der Antideutschen gilt bloß rechten zionistischen Jüdinnen und Juden. Diaspora-Jüdinnen und -Juden und linke Jüdinnen und Juden hingegen, die nichtzionistisch oder antizionistisch sind und/oder gar die Staatspolitik Israels kritisieren, werden von den Antideutschen und anderen Neokonservativen unter Anwendung antisemitischer Klischees als „Verräter“ oder „selbsthassende Juden“ verteufelt.

Die Antisemitismusdebatte in der deutschen Linken wurde teilweise sehr unsachlich geführt. Dazu trugen die Antideutschen bei, indem sie jeglichen Zusammenhang von Kapitalismus, Faschismus und Holocaust für nichtig und den Antisemitismus moralisch erklärten. Dies ist aber nicht die hauptsächliche Kategorie, in der man gesellschaftliche Ereignisse erklärt. KommunistInnen müssen vielmehr die ökonomischen Grundlagen des Antisemitismus herausarbeiten und aufzeigen, dass der Holocaust und der Antisemitismus nicht außerhalb des Kapitalismus stehen, sondern ein Teil des Systems sind.

Für die Antideutschen ist der Begriff des Antisemitismus sehr weit gefasst. So verwenden sie den Begriff des „strukturellen Antisemitismus“. Nach diesem Begriff ist nicht nur der Rassismus gegen Juden antisemitisch, sondern auch ein Antikapitalismus der sich z. B. bei Betriebskämpfen konkret gegen den eigenen Arbeitgeber richtet. Dies sei eine personalisierte Kapitalismuskritik und weise eine Ähnlichkeit zum Antisemitismus auf. So setzen sie eigentlich den Kapitalisten mit den Juden gleich und reproduzieren damit antisemitische Klischees. Die Antideutschen verkennen dabei, dass der Kapitalismus nicht nur ein abstraktes System ist, denn die Herrschaft des Kapitals spiegelt sich immer auch in konkreten Machtverhältnissen wider. So steht der Arbeiterklasse eine Klasse der Kapitalisten gegenüber, die aus Menschen besteht, welche von diesem Ausbeutungsverhältnis profitieren; das Abstrakte spiegelt sich immer auch im Konkreten wider. Darüber hinaus müssen die Verhältnisse stets aufrechterhalten werden. Natürlich trägt der einzelne Kapitalist nicht die Schuld des gesamten kapitalistischen Systems. Trotzdem ist er ein Zahnrad in einem Getriebe.

Die Antideutschen meinen, dass es egal sei, wofür sich in Deutschland eine Bewegung organisiere, da dies beim Judenmord und Vertreibung ende. Egal wogegen oder wofür eine Bewegung sich in Deutschland organisiere, sie bleibe deutsch und damit „strukturell antisemitisch“. Die Deutschen würden, wenn sie sich organisieren, nur eins hervorbringen: den Antisemitismus. „ Weil Arbeiter und Kapitalisten Teil eines gemeinsamen fetischistischen Verblendungszusammenhanges seien, den die Arbeiterbewegung nicht transzendieren könne, liefen Klassenkämpfe zwangsläufig auf eine letztlich antisemitische Praxis hinaus. (…) der Antikapitalismus der Arbeiterbewegung sei nichts anderes als die Sehnsucht nach der Volksgemeinschaft.“5 Nach dem deutschen Faschismus wäre der Klassenkampf in Deutschland aufgehoben, denn der „Unterschied zwischen Herrschenden und Beherrschten wie die Konflikte zwischen den Ausbeutern und den Ausgebeuteten bedeuten in Deutschland seitdem nicht mehr Klassenkampf, sondern nur Rangeleien um die Beute“. 6

Mit solch einem Politikverständnis stellen sich die Antideutschen klar auf die Seite der Kapitalisten, denn jeder Kampf in einem Betrieb richtet sich nicht gegen ein abstraktes kapitalistisches System, sondern für konkrete Verbesserungen in den jeweiligen Betrieben. Konkrete Forderungen würden den Kapitalismus personalisieren und somit zum „strukturellen Antisemitismus“ führen. So verabschieden sich die Antideutschen von der konkreten Politik und bieten den Ausgebeuteten im Kapitalismus nur die Perspektive sich mit den konkreten Verhältnissen abzufinden. Dies reicht sogar so weit, dass kapitalistische Unternehmen, wie McDonalds in der Schanze, gefeiert werden. Der Kapitalismus wird damit als Aufklärung verklärt.

Es gehört schon lange zur Geschichte der Linken, dass ein Teil von ihr sich auf die Seite des Klassenfeindes geschlagen hat; seien es die SPD von 1914 mit der Kriegskreditbewilligung oder die Grünen mit dem Jugoslawienkrieg. Das Neue an dem Phänomen der Antideutschen ist, dass sie zwar mit wehenden Fahnen zum Imperialismus wechselten, dies aber als radikale Kritik am Bestehenden verkaufen konnten. Sie geben sich radikal, nennen sich kommunistisch, können aber mit dem Strom des Imperialismus schwimmen.

Auch wenn sich die Antideutschen wie Fische im Gewässer der linken Szene bewegen, haben sie sich von linken Positionen verabschiedet und können dadurch auch nicht mehr als Linke betrachtet werden. Dabei verstecken sie sich hinter einem plumpen Philosemitismus, der den Antisemitismus verklärt.

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1 Korrigierte Version 2.0.

2 http://www.jungewelt.de/2009/10-28/024.php?sstr=Israel|ABschiebung

3 Bahamas 34 (2001) „Editorial“.

4 Uli Krug, Manöver für eine moralische Weltordnung, Bahamas 41, Berlin 2003, S. 19.

5 Holger Wendt, Neue Rechte reloaded, S. 20.

6 Initiative sozialistisches Forum, Kritik der deutschen Ideologie in Flugschriften, Freiburg, 2001, S. 11.

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