Nach Ansicht der Strafkammer hat Schubert sich der fahrlässigen Tötung des 36jährigen schuldig gemacht. Wer das Feuer in der Zelle legte, bleibt jedoch auch nach 125 Prozeßtagen – 59 im ersten und 66 im zweiten Verfahren – ungeklärt. Der Angeklagte war vom Landgericht Dessau freigesprochen worden. Der Bundesgerichtshof hatte dieses Urteil jedoch im Januar 2010 aufgehoben und den Fall zur Neuverhandlung an das Magdeburger Gericht verwiesen.
Nebenkläger, Freunde des Opfers und Menschenrechtsinitiativen sprachen am Donnerstag von einem »Alibiprozeß auf der Grundlage eines Selbstmordmärchens« und einer »erneuten Vertuschung der Todesumstände«. Neuen Indizien, die »massiv« dafür sprechen, daß Oury Jalloh das Feuer nicht selbst gelegt haben kann, sei nicht nachgegangen worden, resümierte die Anwältin der Familie Jalloh, Gabriele Heinecke, am Donnerstag. Nach der Urteilsverkündung sagte Heinecke gegenüber jW, die Nebenklage werde innerhalb der nächsten Woche entscheiden, ob man in Revision gehen werde.
Oberstaatsanwalt Christian Preissner hatte im Prozeß mehrfach betont, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, »daß Oury Jalloh von dritter Hand getötet wurde«. Offenbar auf Druck der Nebenkläger hatte er vor kurzem dennoch eingelenkt: »Wir werden prüfen, ob es neue Methoden gibt, die Brandschuttreste und Feuerzeug zu untersuchen.« Ein Ermittlungsverfahren hat seine Behörde deshalb allerdings nicht eingeleitet.
Für die Anwälte der Opferfamilie, Gabriele Heinecke und Philipp Napp, spricht der Zustand von Leiche und der Matratze für das Verwenden von Brandbeschleuniger. Sie vermuten weiterhin, daß Jalloh schon während des Brandausbruchs bewußtlos war. Die Ergebnisse rechtsmedizinischer Untersuchungen ließen »keine anderen Schlüsse zu«, betonte Heinecke am Donnerstag erneut. Richterin Claudia Methling hatte zuvor jedoch sämtliche Beweisanträge der Nebenklage abgelehnt.
Die Initiative »In Gedenken an Oury Jalloh« will nicht aufgeben. Bereits 2005 hatten sie eine zweite Obduktion aus Spenden selbst finanziert, bei welcher ein Nasenbeinbruch und Trommelfellrisse beim Opfer diagnostiziert worden waren. Nun sammeln die Aktivisten Geld, um ein zweites Brandgutachten zu bezahlen. Vor dem Gericht hatte die Gruppe eine Mahnwache unter dem Motto »Oury Jalloh – das war Mord!« abgehalten.
Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl bezeichnete das Magdeburger Verfahren als »rechtsstaatliches Desaster«. An dessen Ende stehe »die Frage eines Drittverschuldens am Ausbruch des Brandes deutlicher im Raum als vorher«. Angesichts »polizeilicher Schweigekartelle, Zeugenabsprachen, Erinnerungslücken und verschwundener Dokumente entsteht der Eindruck: Der nächste ›unaufklärbare‹ Todesfall in einer deutschen Polizeizelle ist eine Frage der Zeit«, heißt es in einer Presseerklärung von Pro Asyl.