Unter Protest von Menschenrechtsorganisationen ist Bundespräsident Joachim Gauck am gestrigen Sonntag in Äthiopien eingetroffen. Das Land, mit dessen politischer Führung Gauck bei seinem aktuellen Besuch konferiert, gehört aufgrund seiner geostrategischen Lage zu den wichtigsten Verbündeten der Bundesrepublik Deutschland in Afrika. Weil es hilfreich dabei ist, die Kontrolle über die Region im äußersten Osten des Kontinents zu erlangen, kooperiert die Bundesregierung eng mit der dortigen Regierung.
Äthiopien erweist sich dabei seit Jahren als zuverlässiger Partner. Zugleich geht das Regime im Landesinnern mit brutaler Gewalt gegen Oppositionelle vor; auch sei es weltweit das Land „mit der höchsten Zahl ins Ausland geflohener Journalisten“, berichtet etwa das Ethiopian Human Rights Committee. Kritik aus Berlin muss Addis Abeba nicht befürchten, da das Regime eine für Deutschland nützliche Funktion ausübt. Dabei werden nicht nur die Streitkräfte Äthiopiens von der Bundeswehr unterstützt; laut Berichten können die äthiopischen Repressionsapparate auch bei der Unterdrückung der Opposition deutsche Technologie nutzen.
In Äthiopien
Bundespräsident Joachim Gauck ist am gestrigen Sonntag zu einer mehrtägigen Reise nach Äthiopien aufgebrochen. Für gestern abend waren Gespräche mit Premierminister Hailemariam Desalegn vorgesehen; heute steht eine Zusammenkunft mit Staatspräsident Girma Wolde-Giorgis auf dem Programm. Anschließend sollen Treffen bei der Afrikanischen Union folgen, die in Addis Abeba ihren Sitz hat; zudem sind Gespräche mit Vertretern nichtstaatlicher Organisationen sowie mit Vertretern von Religionsgemeinschaften vorgesehen. Gauck wird sich mehrere Tage in Äthiopien aufhalten; er wird erst am Mittwoch abend in Berlin zurückerwartet.
Der innere Machtzirkel
Der Zeitpunkt der Reise ist nicht unbedeutend. Letzten Sommer ist der langjährige Premierminister Meles Zenawi gestorben, auf den der äthiopische Staat in hohem Maße fixiert war. In der darauf folgenden Neustrukturierung der Herrschaft in Addis Abeba hat sich Hailemariam Desalegn an der Macht behaupten können. Schon im Herbst 2012 hatte Berlin auf einen näheren Austausch darüber gedrungen, wie die Meles-Nachfolge sich gestalte. Im Oktober war Sebhat Nega, ein Mitgründer der in Addis dominierenden Tigray People’s Liberation Front (TPLF), eigens in die deutsche Hauptstadt gereist, um dort Gespräche zu führen. Sebhat gehört zum inneren Machtzirkel in Addis; ihm wird die Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Unter anderem habe er Repressionsmaßnahmen mit vorangebracht, mit denen die Opposition nach den Wahlen des Jahres 2005 zerschlagen wurde, heißt es.[1] Dementsprechend protestierten äthiopische Menschenrechtler und Oppositionelle, als Sebhat im Oktober im Deutschen Bundestag auftrat. Formal amtiert er als Vorsitzender des Ethiopian International Institute for Peace and Development (EIIPD), das von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung als einer ihrer Kooperationspartner in Addis Abeba bezeichnet wird. Gaucks aktuelle Gespräche setzen in diesen Tagen den Austausch über die Neustrukturierung des äthiopischen Regimes fort.
Vormacht am Horn von Afrika
Für Berlin besitzt die Entwicklung in Addis Abeba erhebliche Bedeutung, weil Äthiopien aufgrund seiner geostrategischen Lage zu den wichtigsten Verbündeten der Bundesrepublik in Afrika gehört. Im äußersten Osten des Kontinents kann Äthiopien als Vormacht gelten: Es verfügt in der Region über die größte Bevölkerung und unterhält dort die stärkste Armee. Die äthiopischen Streitkräfte operieren seit Jahren immer wieder in Somalia, wo sie dem Westen gegenüber kooperationsbereite Kräfte an die Macht zu bringen suchen. Unter Meles hat Addis Abeba außerdem Truppen in den Sudan entsandt, die ebenfalls Ordnungskonzepte des Westens durchsetzen helfen sollen (german-foreign-policy.com berichtete [2]). Nicht zuletzt gilt das Land, das mehrheitlich christlich geprägt ist, in Europa und in den USA auch als Bollwerk gegen islamistische Kräfte; damit besitzt es umso größere Bedeutung, als es aus westlicher Sicht fatal wäre, wenn antiwestliche Islamisten am Horn von Afrika und damit an den Seewegen aus Europa in den Mittleren Osten und nach Ostasien die Kontrolle an sich reißen könnten. Die Bundesrepublik arbeitet deshalb schon seit Jahren eng mit Addis Abeba zusammen. Das schließt umfangreiche Entwicklungshilfezahlungen ebenso ein wie die Unterstützung der äthiopischen Streitkräfte durchdie Bundeswehr.[3]
Kein Feigenblatt
Nach Meles‘ Tod im vergangenen Sommer hegten Menschenrechtsorganisationen für kurze Zeit die Hoffnung, mit der Neustrukturierung des Machtzentrums in Addis Abeba könnten auch Verbesserungen der Menschenrechtssituation und Erleichterungen für die Opposition einhergehen. Recht rasch ließ sich jedoch erkennen, dass die Hoffnung trog. Im November teilte deswegen die Heinrich-Böll-Stiftung (Bündnis 90/Die Grünen) mit, sie werde ihre Außenstelle in der Hauptstadt Äthiopiens schließen: Als Feigenblatt für das Regime und seine Repression wolle sie nicht dienen. Gegenwärtig weist etwa das Ethiopian Human Rights Committee darauf hin, dass Äthiopien das Land „mit der höchsten Zahl ins Ausland geflohener Journalisten“ sei; dabei flüchteten die Medienvertreter nicht ohne Grund: Viele Journalisten seien zur Zeit in Äthiopien inhaftiert. Auf ein Beispiel hat zu Jahresbeginn die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch aufmerksam gemacht – auf den Journalisten Eskinder Nega. Eskinder wurde bereits nach den Wahlen von 2005 und der anschließenden Niederschlagung der Massenproteste festgenommen. Zwei Jahre später aus der Haft entlassen, wurde er kontinuierlich überwacht und mit einem Publikationsverbot belegt. 2011 wurde er erneut festgenommen und nach dem äthiopischen Anti-Terror-Gesetz zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt – eine Strafe, die Menschenrechtsorganisationen schlicht für absurd erklären.[4]
Ausspioniert
Jüngsten Berichten zufolge wird bei der Unterdrückung der äthiopischen Opposition auch deutsche Technologie genutzt. Demnach haben Security-Experten in einer Analyse für das Citizen Lab der Universität Toronto einen Trojaner mit der Bezeichnung FinSpy entdeckt, der nach Äthiopien kommuniziert. Er ist von der deutschen Firma Gamma International entwickelt worden. Wie es heißt, installiere der Trojaner sich, sobald man ein Foto anklicke; dann würden die Aktivitäten des PC-Nutzers protokolliert, Skype-Gespräche könnten aufgezeichnet, Mikrofone als Wanzen genutzt werden. Die Mitschriften würden an den staatlichen äthiopischen Telekommunikationsanbieter gesendet. Die Fotos, die als Lockmittel für den Installations-Klick dienten, zeigten Aktivisten der Oppositionsgruppierung „Ginbot 7“. „Das indiziert, dass es sich hier um politisch motiviertes Targeting handelt“, wird ein Security-Experte zitiert.[5] Ganz ähnlich sei die Opposition auch in Bahrain ausgeforscht worden – ebenfalls mit Hilfe deutscher Technologie.[6]
Weitere Informationen zur deutschen Äthiopien-Politik finden Sie hier: Schlüsselpositionen, Regionale Hegemonialmacht, Sonderbericht, Interessen der Supermächte, Ordnungsmächte, Militär für Afrika (I), Menschenrechte in Afrika (I), Machtpolitisch ohne Alternative, Diktatorenhilfe, Inhärent rassistisch, Disziplinierungshilfe, Ordnungsmacht in Ostafrika, Kein Platz für Menschenrechte, Stütze der Repression, Statthalter des Westens, Folternder Statthalter und Einen Freund verloren und Die Ruhe des Dampfdrucktopfs. [1] s. dazu Unveräußerliche Rechte und Governance-Aspekte
[2] s. dazu Statthalter des Westens und Die Ruhe des Dampfdrucktopfs
[3] s. dazu Diktatorenhilfe und Stütze der Repression
[4] Civil Society Crackdown in Ethiopia; www.hrw.org 04.01.2013
[5] Äthiopien – Oppositionelle mit deutscher Software ausgeforscht? www.ndr.de 13.03.2013
[6] s. dazu Wie man Diktaturen stabilisiert
http://www.german-foreign-policy.com