Globale Fanmeile

Obama-Besuch in Berlin

Die außenpolitischen Äußerungen Barack Obamas reduzieren sich bislang vor allem auf die These, daß der Krieg in Afghanistan für die USA nicht verlorengehen darf. Aus diesem Grund will der Präsidentschaftsbewerber, sollte er ins Weiße Haus gelangen, Soldaten aus dem Irak abziehen und mehr an den Hindukusch schicken. Viel deutet darauf hin, daß das »Bündnis der Demokratien«, das offenbar demnächst die US-Außenpolitik bestimmen soll, zu dem Zweck ins Leben gerufen wird, von den Bündnispartnern verpflichtender militärische Anstrengungen zu verlangen, als dies George W. Bush tat.

Die mediale Hysterie, die um den Besuch des demokratischen Senators seit Wochen in Deutschland entfacht wurde, erhält so einen Sinn. Der mögliche neue »zivile Kriegspräsident« (Der Spiegel) arbeitet nicht nur wie seine Vorgänger an einem neuen Konsens in der US-Wählerschaft, sondern will globale Akklamation erreichen. Er befindet sich als erster Bewerber in der US-Geschichte auf einer internationalen Wahlkampftour, und insbesondere die liberalen deutschen Mainstreammedien organisieren ihm eine Fanmeile exakt an jenem Ort, wo kürzlich noch »völlig harmlos« – wie sie stets beteuerten –millionenfach die Nationalflagge geschwenkt wurde.

Aber der Auftritt dort erscheint nötig. Die Bundesrepublik ist in Fragen von Krieg und Frieden immer noch eine Art pazifistische Festung. Gerhard Schröder nahm zwar für sich als wichtigste politische Kanzlerleistung in Anspruch, das Militärische enttabuisiert zu haben, die Lehre von 1945 sitzt aber noch verhältnismäßig tief und wird nicht nur von prinzipiellen Gegnern imperialer Abenteuer beherzigt. Gegen Kriege, die nichts einbringen, wenden sich auch Teile des konservativen, großbürgerlichen Spektrums. Die Ziellosigkeit und Dauer der Einsätze in Ex-Jugoslawien oder Afghanistan lösen bis weit in die Truppe Frustration und Unverständnis aus. Zwei Drittel bis drei Viertel der Bundesdeutschen sind konstant gegen den Krieg in Afghanistan. Die Emotion gegen den Irak-Krieg war so heftig, daß Gerhard Schröder 2002 eine schon verlorengegebene Wahl gewinnen konnte, als er sich gegen eine deutsche Teilnahme am lange vor dem 11. September beschlossenen Krieg um irakisches Öl aussprach. Das hatte zwar denselben Stellenwert wie die Lügen, mit denen er und sein Außenminister Joseph Fischer 1999 die Beteiligung am Luftkrieg gegen Jugoslawien rechtfertigten, illustriert aber, was hierzulande auf diesem Gebiet durchsetzbar ist und was nicht.

Ohne Krieg funktioniert Kapitalismus nicht, schon gar nicht, wenn sich die Krisen häufen. Barack Obama fordert seine Fans auf, aus diesem Faktum endlich die Konsequenzen zu ziehen. Dafür wird offenbar mittlerweile global gute Stimmung benötigt.

Arnold Schölzel / Junge Welt vom 22.7.08

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