Im Strafvollzug darf die Anstaltsleitung unter bestimmten Voraussetzungen den ein- und ausgehenden Schriftwechsel von den Inhaftierten überwachen, sprich lesen.
Briefkontakte zu verbieten ist auch möglich, jedoch nur unter engeren Voraussetzungen. Aber wie sieht es aus, wenn der gewöhnliche Knastbeamte die Sprache in der der zu kontrollierende Brief abgefasst ist, gar nicht spricht? In diesem Fall, so sieht es eine Verwaltungsvorschrift vor, hat die Anstalt auf eigene Kosten eine Übersetzung fertigen zu lassen.
Jedoch darf sie hiervon absehen und den Brief einbehalten, wenn von der fremden Sprache „ohne zwingenden Grund“ (§ 31 Absatz 1 Ziffer 6 Strafvollzugsgesetz) Gebrauch gemacht wurde. Können beide Parteien – der Gefangene und der Absender – Deutsch, so müssen sie sich dieser Sprache auch bedienen, so ist die Gesetzeslage.
Eine große Gruppe innerhalb des Strafvollzugs in Deutschland stellen Aussiedler, Gefangene, die familiär und biografisch mit Staaten der ehemaligen UdSSR verbunden sind. Oftmals leben deren Freunde, Verwandte noch in den GUS-Staaten und können kein Deutsch.
Herr G. kam 2006 ins Gefängnis, seine Mutter sowie seine Partnerin leben in Russland und können kein Deutsch. Als G. 2007 nach Bruchsal verlegt wurde, ordnete die Anstaltsleitung an, dass er nur noch Briefe in deutscher Sprache erhalten und absenden dürfe.
Eine Maßnahme, die fast standardmäßig bei Gefangenen aus GUS-Staaten oder zumindest mit GUS-Bezug getroffen und von diesen als Diskriminierung erlebt wird, denn italienische, türkische oder griechische Gefangene werden solchen Einschränkungen nicht unterworfen.
Gerechtfertigt wird seitens der Anstalten ihr Handeln mit dem Hinweis auf die „Subkultur der (gefangenen) Aussiedler“, welche jede Kooperation mit der Justiz ablehnen, eigene Gesetze hätten und in den Drogenhandel verstrickt seien. Wohlgemerkt, die Gefängnisse setzen keine individuellen Umstände voraus, ihnen genügt die Tatsache, dass jemand aus den GUS-Staaten kommt, um ihn (unter anderem) einer solchen Beschränkung zu unterwerfen.
Reißerische Artikel wie beispielsweise im FOCUS (26.05.2008, S. 40-41, „Schweigegelübde Gulag“) tun ihr Übriges: Angeblich beherrschten „Russenbanden“ den Drogenhandel in den Gefängnissen und würden ein „böses Regiment“ führen. Sexualstraftäter würden „im Extremfall einen Mädchennamen erhalten“.
Zurück zu Herrn G., der sich erfolgreich gegen die Verfügung der JVA, nur noch in Deutsch Briefe zu schreiben, wehrte. Am 14.03.2008 (Az. 151 StVK 169/07) entschied das Landgericht Karlsruhe, dass diese Anordnung die Rechte von Herrn G. verletze, mithin rechtswidrig sei.
Einige Monate lang beachtete die Gefängnisleitung diese Gerichtsentscheidung, um dann – ohne Begründung – am 18. Juli 2008 in ihr altes, als rechtswidrig eingestuftes Verhalten zurück zu fallen. Der Beamte konfiszierte einen Brief der Freundin des Herrn G., da dieser in russischer Sprache abgefasst sei.
Von Herrn G. mit dem Beschluss vom 14.03.2008 konfrontiert, meinte der diensthabende Bereichsdienstleiter, dass ihn dieser Beschluss nicht interessiere, der Brief bleibe eingezogen und werde ihm nicht ausgehändigt. Er dürfe nur in deutscher Sprache Briefe erhalten und schreiben.
Nun klagt Herr G. erneut bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts – und wird gewinnen.
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
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