Neue Verbotsrekorde gegen Basken in Spanien

Die spanische Sonderkammer am Obersten Gerichtshof brauchte nur 24 Stunden, um erneut eine baskische Partei Traditionspartei „Baskisch Patriotische Aktion“ (EAE ANV) zu verbieten. In den nächsten Tagen wird das zweite Verbot in Rekordzeit folgen, daran zweifelt niemand. Am Mittwoch wurden auch die Mitglieder der Antirepressionsorganisationen als „terroristisch“ eingestuft. Auch sie wurden per Definition nun zu „Mitgliedern der ETA“ gestempelt, wie schon die Angeklagten im Massenprozess 18/98, weil sie ebenso wie die für ein sozialistisches und unabhängiges Baskenland eintreten. Sie erhielten Haftstrafen zwischen 8 und 10 Jahren.

Erst Ende letzter Woche hatte die Traditionspartei „Baskisch Patriotische Aktion“ (EAE ANV) ihre Erwiderungen gegen die Vorwürfe des Ministeriums für Staatsanwaltschaft vorgelegt. Erst am Montag trafen die drei Richter zusammen, um am Dienstag einstimmig das Verbot der Partei zu verkünden, die maßgeblich am Widerstand gegen den Militärputsch 1936 beteiligt war. Der Präsident der Sonderkammer (http://de.indymedia.org/2003/03/44886.shtml), die extra mit dem neuen Parteiengesetz geschaffen wurde, um 2003 die linksnationalistische Partei Batasuna (Einheit) verbieten zu können, trat vor die Presse, um das Urteil zu verkünden. Wie schon beim Verbot von Hunderten Parteien und Wählerlisten zuvor, bemühte Francisco José Hernando die üblichen Begründungen. EAE-ANV führe die Tätigkeit von Batasuna „in Nachfolge oder Fortführung“ weiter. Es handele sich damit um eine „Kandidatur“ der Untergrundorganisation ETA und damit wird einfach eine Behauptung immer weiter angewendet (http://de.indymedia.org/2002/05/21341.shtml). Mit Hernando hatte die rechtsradikale Volkspartei (PP) einst den Bock zum Gärtner gemacht. Denn der ist nicht nur Präsident dieser Sonderkammer, sondern auch gleichzeitig der Vorsitzende des Kontrollorgans, dem Generalrat für Justizgewalt (CGPJ) und somit kontrolliert Hernando sich und seine Sonderkammer selbst.Der Parteibesitz von EAE-ANV werde nun eingezogen und die Partei aufgelöst. Obwohl über deren Widerspruch noch das Verfassungsgericht entscheiden wird, muss die „Partei sofort alle Aktivitäten einstellen“. Ohnehin glaubt niemand, dass das von der PP dominierte Verfassungsgericht die Entscheidung kippen wird, weshalb auch darüber letztlich in Straßburg entschieden wird (http://de.indymedia.org/2007/12/203234.shtml). Der Ermittlungsrichter Baltasar Garzón hatte mit einem „vorläufigen“ Verbot deren Aktivität aber schon unterbunden und sogar eine Bürgermeisterin inhaftiert (http://de.indymedia.org/2008/05/217138.shtml), weil sie ihren Aufgaben nachkam. Was mit den 430 Bürgermeistern und Gemeinderäten passiert, die trotz des Verbots mehr als der Hälfte der Listen 2007 gewählt wurden, ist unklar.

Die Parteisprecherin Arantza Urkaregi wundert das Verbot nicht. „Die Entscheidung war längst gefallen“, doch trotz der steigenden Repression (http://de.indymedia.org/2008/02/208365.shtml) werde die baskische Linke als Gesamtheit weiter daran arbeiten, dass das „Baskenland mit allen seinen Rechten anerkannt wird“ (http://de.indymedia.org/2008/03/209441.shtml). Der Parteichef Kepa Bereziartua erklärte: „1939 wurden wir von einer faschistischen Regierung verboten“, weil wir den „Aufstand“ gegen den Putsch unterstützten. Heute, „mit einer anderen Wortwahl“, benutze eine „sozialistische Regierung die gleichen Argumente für das gleiche Ziel“. Das gleiche Schicksal wird die Tage auch die „Kommunistische Partei der Baskischen Territorien“ (EHAK) treffen (http://de.indymedia.org/2008/01/206362.shtml). Am Mittwoch berieten die Richter über das Verbot, das die Regierung mit gleichen Vorwürfen beantragt hat.

Interessant ist auch die Stellungnahme des baskischen Justizministers. Joseba Azkárraga erklärte, wenn man das neue Parteiengesetz „korrekt anwenden würde, müsste auch die Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) verbieten, denn die hat weder von der GAL distanziert, sondern sie sogar geschaffen und finanziert“. Bei den GAL handelte es sich um Todesschwadrone, die im Auftrag der sozialistischen Regierung etwa 30 Menschen Politiker, Journalisten und mutmaßliche oder effektive Mitglieder der ETA ermordet und entführt hat. Denn anders als stets behauptet, wurde Batasuna nur verboten (http://de.indymedia.org/2003/03/44658.shtml), weil das neue Parteiengesetz eine Verurteilung der ETA verlangt (http://de.indymedia.org/2003/03/44127.shtml) und nicht, weil eine Verbindung zur ETA bewiesen wurde. Das wurde allerdings im Fall der GAL bewiesen, schließlich wurden der PSOE-Innenminister José Barrionuevo und der Staatssekretär für Sicherheit Rafael Vera zu hohen Haftstrafen verurteilt, allerdings schnell begnadigt (http://de.indymedia.org/2006/08/155655.shtml). Doch die Staatsterroristen erhalten Vorzugsbehandlung. Die erste Aktion der Sozialisten nach der Übernahme der Regierungsmacht vor vier Jahren war, den Oberstaatsterroristen General der Guardia Civil Enrique Rodríguez Galindo freizulassen (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/11/11903/1.html). Der war wegen Mord, Entführung und Folter an zwei baskischen Jugendlichen sogar zu 75 Jahren Haft verurteilt worden.

Mit der Eile und dem selektiven Einsatz der Gesetze sollen noch vor den Regionalwahlen Fakten geschaffen werden. Nachdem das Verfassungsgericht die Volksbefragung (http://de.indymedia.org/2008/09/226890.shtml) der baskischen Regionalregierung verboten hat, mit der die eine friedliche Konfliktlösung anstoßen wollte, werden vorgezogene der im Frühjahr geplanten Wahlen nicht ausgeschlossen. Die Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg wird nicht abgewartet, das bald darüber entscheidet, ob das Batasuna-Verbot rechtmäßig war (http://de.indymedia.org/2007/12/203234.shtml). Dabei wird auch zur Sprache kommen, dass das Verbotsverfahren ein reines Desaster war (http://de.indymedia.org/2003/01/38719.shtml) Darüber ist man in Madrid derzeit sehr besorgt. Die Batasuna-Klage (http://de.indymedia.org/2008/09/225880.shtml) gegen das Verbot wurde angenommen, weil es deutliche Hinweise auf gravierende Verstöße gibt. Im Sommer sorgte ein Brief für Aufregung in Madrid, weil die zuständige Kammer das Verfahren an die Große Kammer abgeben will. Das ist verständlich, denn es geht um die Legitimität aller Wahlen in einem EU-Mitgliedsland seit 2003. Seither wurden hunderte Parteien und Wählerlisten illegalisiert, weil Batasuna hinter ihnen stehen soll. Sogar in der Sommerpause wird das Verbot der „Kommunistischen Partei der Baskischen Territorien“ (EHAK) und die antifranquistische Traditionspartei „Baskisch Patriotische Aktion“ (EAE ANV) betrieben, um sie von den Regionalwahlen im Frühjahr auszuschließen.

Am Mittwoch verurteilte der Nationale Gerichtshof auch 21 Führungspersonen zu Haftstrafen zwischen acht und zehn Jahren, die mit der Organisation „Askatasuna“ (Freiheit) und dem Vorgänger für die Rechte der 700 politischen Gefangenen eintreten. 12 wurden sofort inhaftiert, weil angeblich Fluchtgefahr besteht. Das ist Unsinn, denn sie hätten die ganze Zeit fliehen können und niemand hatte sich Hoffnung auf einen Freispruch gemacht. Einen Teil hatte mit vier Jahren in U-Haft auch längst die Hälfte der Strafe abgesessen.

Während Askatauna ie im französischen Baskenland weiter legal arbeitet, sollen der Mitglieder nach Ansicht des Sondergerichts in Spanien zugleich Mitglieder der ETA sein. Askatasuna wurde 2002 „vorläufig“ von Garzón verboten (http://de.indymedia.org/2002/02/15422.shtml), gemeinsam mit der Jugendorganisation, mit deren Verurteilung nun eine neue Definition von „terroristisch“ geschaffen wurde, die auf alle baskischen Organisationen angewendet wird (http://de.indymedia.org/2007/01/166681.shtml). Nach dem Abschluss des Verfahrens 18/98 kann man nun ja sogar Mitglied der ETA sein, ohne das selbst gewusst zu haben, wie mit dem Urteil gegen den Chef der Umweltorganisation Eguzki (http://de.indymedia.org/2005/01/103182.shtml) die Ansicht der Staatsanwaltschaft festgeklopft wurde. Mit dem Verbot von Askatasuna werden auch immer öfter deren Demonstrationen verboten. Am Sonntag versammelten sich Tausende in Donostia-San Sebastian um, wie seit 30 Jahren üblich, bei der Regatta friedlich für die Rechte der Gefangenen einzutreten. Die Demonstration wurde auch verboten, obwohl sie von der legalen Angehörigenorganisation angemeldet worden war. Die Polizei versuchte die Demonstration mit Knüppeln und Gummigeschossen aufzulösen, weshalb es zu stundenlangen Straßenschlachten in der Altstadt kam. In deren Verlauf zog ein Zivilpolizist auch seine Waffe (siehe Bilder) und schoss auf einem Platz mindestens siebem Mal über die Köpfe der Demonstranten, so viele leere Hülsen konnten gefunden werden.

Auch die ETA machte erneut mit einem Anschlagsversuch auf sich aufmerksam. Eine Haftbombe, die unter dem Auto eines Polizisten angebracht worden war, explodierte am Dienstag nicht. Der Beamte war noch zehn Kilometer von seiner Wohnung bis in die Kaserne bei Bilbao gefahren, bevor die Bombe dort von einem Kollegen entdeckt wurde.

© Ralf Streck, Donostia den 17.09.2008

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