Trotz Lebensgefahr keine Haftverschonung

Der unter einer im Knast entwickelten und mit lebensgefährlichen Schocks einhergehenden Allergie leidende Christodoulos Xiros bleibt weiter im Gefδngnis.

„Der Antrag wird abgelehnt.“ Mit diesen Worten, ohne Begründung, entschied am Montag den 1.9.08 der Oberste Gerichtshof in Athen, dass einem kranken Gefangenen aus dem 17N Prozess die Verlegung in ein Krankenhaus verweigert wird. Christodoulos Xiros, bis zu seiner Verhaftung ein kerngesunder Mann, hat im Gefängnis eine Allergie entwickelt, die ihn in den letzten zwei Jahren bereits sechsmal mit den Symptomen eines lebensgefährlichen Schocks ins Krankenhaus gebracht hat. Obwohl behandelnde Ärztinnen vor Gericht die unsachgemäße medizinische Behandlung unter Gefängnisbedingungen schilderten und dem Gefangenen bei Verbleib im Gefängnis erneute Lebensgefahr bei unweigerlich zu erwarteten weiteren allergischen Schocks attestierten, schickte das Gericht den als mutmaßliches Mitglied der ehemaligen griechischen Stadtguerillaorganisation 17N Verurteilten zurück in die für die Politischen geltende Kleingruppenisolation im unterirdischen Hochsicherheitstrakt
„Der Entscheid wundert mich nicht“, kommentierte Christodoulos Xiros den Richterspruch. Zuvor hatte er dem Gericht sowohl seine Krankengeschichte, als auch die Gründe dargelegt, warum er trotz seiner offensichtlichen Gefährdung durch die Haftbedingungen, von der bürgerlichen Justiz weder eine Verlegung in den „Normalvollzug“, noch in ein Krankenhaus erwarte. „Ich will nicht mit Hilfe von Vorwänden dem Gefδngnis entkommen, sondern versuche mein Leben zu schützen und eine Behandlung zu erreichen. Schließlich kenne ich selbst den Ernst meiner Lage aber auch meine Haltung am besten. Ich will von niemandem irgendeine Gefälligkeit. Ich fordere lediglich ein, dass die gültige Gesetzeslage angewandt wird. Das Problem steht für mich auch nicht auf einer humanistischen Basis. In vielen Fällen, vor allem bei Gefangenen ohne finanzielle Mittel, bei Migranten und in ähnlichen Fällen, zeigt sich die Justiz von ihrer härtesten und unmenschlichsten Seite.“ „Selbstverständlich leugne ich nicht, dass ich ein politischer Gegner des Systems bin, ich habe die Kämpfe meines Lebens nie geleugnet und setze sie auch im Knast fort. Das ist auch der Grund, weswegen ich bestraft wurde und immer noch bestraft werde“, erklärte der bekannte linke Aktivist Christodoulos Xiros, der zusammen mit 14 Anderen für eine von ihm immer bestrittene Teilnahme an Anschlägen der griechischen Stadtguerillaorganisation 17N zu sechsmal lebenslänglich verurteilt wurde. „Der Staat hat sich allerdings nicht auf eine ungerechte und vom Rachegedanken geleitete Verurteilung beschränkt. Seit sieben Jahren hält man uns unter speziellen und vernichtenden Bedingungen, die von keinem Gesetz gedeckt sind und verschleiernd ‚ `besondere Haftbedingungen’ genannt werden.“
Obwohl es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt, sind die noch verbleibenden 10 Gefangenen aus dem 17N Verfahren (fünf weitere wurden nach Absitzen ihrer Mindeststrafe bereits entlassen) seit sieben Jahren in Kellerverliesen und ohne jeden Kontakt zu anderen Gefangenen eingesperrt. Sie verbringen ihre Tage in 12 Quadratmeter großen unterirdischen Einzellzellen, von denen 3 Quadratmeter für die Toilette durch eine Zwischenwand abgetrennt sind. Im Toilettenbereich befindet sich das einzige und ebenfalls unterirdische Zellenfenster. Auch der 120 Quadratmeter große Hof für den gemeinsamen Hofgang liegt unterirdisch. Einen bei schlechtem Wetter nutzbaren Gemeinschaftsraum gibt es nicht, der Besuch der Gemeinschaftsräume oder die Nutzung der Gefängniseinrichtungen wie Bibliothek oder Werkstatt in den anderen Trakten des Gefängnisses ist den Gefangenen aus dem 17N Prozess verboten. Auch die anderen Gefangenen zustehende Rechte, wie ein paar Tage Hafturlaub nach einer gewissen Mindestzeit, wurden den „Politischen“ bisher mit einem durch kein griechisches Gesetz gedeckten Verweis auf eine „besondere Schwere der verübten Straftaten“ verwehrt.
Nicht nur bei Christodoulos Xiros werden die Gefahren irreversibler gesundheitlicher Schäden ignoriert. Seinem durch die vorzeitige Explosion einer Bombe und die nachfolgende „Behandlung“ in einem Athener Krankenhaus schwer geschädigten Bruder Savvas Xiros wird trotz zahlreicher Anträge jede Unterbrechung der Strafe zur Behandlung verwehrt. Im Gefängnis hat er bereits zwei Netzhautablösungen erlitten und droht durch die Haftbedingungen auch das wenige ihm noch verbleibende Augenlicht vollständig zu verlieren. Um dieser Gefahr zu begegnen hat Savvas Xiros Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhoben.

Fußnote: Seine Erfahrungen als Schwerverletzter auf der Intensivstation, wo er unmittelbar nach seiner Ergreifung durch in- und ausländische Verhörspezialisten auseinandergenommen wurde, hat Savvas Xiros in einem Buch verarbeitet, dass seit Dezember 2007 auch auf deutsch erhältlich ist:

Savvas Xiros: Guantαnamo auf griechisch. Zeitgenössische Folter im Rechtsstaat. Übersetzt von Heike Schrader. Pahl-Rugenstein-Verlag, Bonn 2007, 129 Seiten, 13,90 Euro (BEMERKUNG: Dieses Buch könnt ihr im Infoladen Magdeburg erwerben)

Heike Schrader

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