Von: Tommy Ramm,ND / Für Stimme des Neuen Kolumbien
Kolumbianische Sicherheitskräfte werden für hunderte Exekutionen verantwortlich gemacht – nun wurden hohe Militärs abgesetzt. Unterdessen bekräftigte die FARC-Guerilla abermals ihr Interesse an Friedensgesprächen.Eine überraschende Absetzung von 27 hochrangigen Militärs durch die kolumbianische Regierung vor wenigen Tagen legte offen, was seit Jahren zur Praxis der Sicherheitskräfte gehört:
die Ermordung von Zivilisten, die als Rebellen oder Kriminelle präsentiert werden, um so die »Erfolgsstatistik« der Streitkräfte zu manipulieren. Der Fall legte allerdings nur die Spitze des Eisbergs frei.
Was war geschehen? Von rund 20 Jugendlichen, die im August dieses Jahres in der Nähe Bogotás von Angehörigen als verschwunden gemeldet wurden, tauchten elf wenige Tage später in weit entfernten Regionen Kolumbiens wieder auf. Entweder verscharrt in Massengräbern oder erschossen und in Uniformen von Rebellengruppen gekleidet. Die Armee hatte sie als in Gefechten gefallene Guerillakämpfer deklariert. Anfang Oktober allerdings gab es schwere Unstimmigkeiten unter den Militärs über diese Praxis; das Verteidigungsministerium setzte eine Untersuchungskommission ein.
Am vergangenen Mittwoch erklärte Präsident Alvaro Uribe, dass drei Generäle sowie 24 Offiziere und Unteroffiziere ihren Platz zu räumen hätten, was eine der größten Degradierungen in der Geschichte der kolumbianischen Armee bedeutet. Den Militärs wird vorgeworfen, schlampig auf die Einhaltung der Menschenrechte innerhalb der Armee geachtet zu haben oder direkt mit der Verschleppung und Ermordung der Jugendlichen zu tun zu haben. Dabei ist es seit Jahren ein offenes Geheimnis, dass die Streitkräfte auf diese Praktiken zurückgreifen. Angespornt werden die Militärs dazu laut Beobachtern nicht zuletzt durch die Politik der Regierung, die militärische Erfolge prämiert. Bessere Aufstiegschancen und zusätzliche Urlaubstage scheinen ganze Einheiten dazu motiviert zu haben, Zivilisten für ihre Zwecke über die Klinge springen zu lassen.
Laut einer aus verschiedenen Nichtregierungsorganisationen bestehenden internationalen Beobachterkommission sollen allein in den letzten 18 Monaten 535 Zivilisten von den Streitkräften getötet worden sein. Mittlerweile überprüft die kolumbianische Generalstaatsanwaltschaft mehr als 500 Fälle »außergerichtlicher Hinrichtungen«. Weitere 930 liegen dem Büro des obersten Rechtsberaters der Regierung vor, in die Verbrechen sollen bis zu 2300 Militärs verstrickt sein.
Zwar wurde die jüngste Absetzung der Militärs von Menschenrechtsgruppen und der Opposition begrüßt, doch verlangten sie auch weitere Maßnahmen. »Die Absetzung der Militärs ist ein erster Schritt auf dem langen Weg, Gerechtigkeit für tausende Opfer von Gewaltverbrechen in Kolumbien zu erreichen«, ließ Amnesty International verlauten. Dieser Weg führt laut Generalstaatsanwalt Mario Iguarán jedoch möglicherweise vor den Internationalen Strafgerichtshof. »Sollten wir zu dem Ergebnis kommen, dass diese Praktiken systematisch angewendet wurden, hätten wir es mit einem Fall schwerer Menschenrechtsverletzungen zu tun, was in die Kompetenzen des Internationalen Strafgerichtshofs fiele«, sagte Iguarán.
Unterdessen veröffentlichte die FARC-Guerilla in der vergangenen Woche ein Kommuniqué, in dem sie ihre Bereitschaft zu einem Friedensdialog und zum Gefangenenaustausch bekräftigte. Die Guerilla erklärte darin, dass sie die Unterstützung lateinamerikanischer Präsidenten nutzen wolle, um »einen offenen und undogmatischen Dialog« zu beginnen. Bisher hatte die FARC als Voraussetzung für Gespräche die Schaffung einer entmilitarisierten Zone gefordert, was erstmals nicht erwähnt wurde.
Die Guerilla gilt nach schweren militärischen Rückschlägen als stark geschwächt. So kam vor einer Woche der seit acht Jahren von der FARC entführte Politiker Oscar Tulio Lizcano mit Hilfe eines geflüchteten Kommandanten frei, was erneut die Zersetzung der Bewegung offenbarte.