Terrorprozeß gegen junge Welt-Griechenland-Korrespondentin: Vom 8. bis 10. Dezember findet vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht ein 129a-Verfahren gegen Heike Schrader statt.
Rüdiger Göbel in der Jungen Welt vom 4.12.08
In der kommenden Woche wird der jW-Griechenland-Korrespondentin Heike Schrader vor dem Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf der Prozeß wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemacht. Die linke Publizistin berichtet seit Ende 2003 für diese Zeitung aus Athen. In den 90er Jahren hatte sich Schrader in der BRD in politischer Solidarität für die mittlerweile verbotene türkische linke Organisation DHKP-C (Devrimci Halk Kurtuluc Partisi-Cephesi – Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) engagiert. Beispiele ihrer damaligen Arbeit lassen sich auch in junge Welt wiederfinden. In einem Artikel vom 4.August 1998 zu den unter der Initiative der DHKP-C in der Türkei gegründeten »Volksräten« heißt es zur Situation am Bosporus: »Die Forderungen der Menschen nach ausreichender Versorgung mit Wasser und Elektrizität, nach Anbindung an den Busverkehr, nach Lohnerhöhungen, die zumindest den Kaufkraftverlust der galoppierenden Inflation ausgleichen, oder nach Respektierung ihres Rechtes auf freie Meinungsäußerung werden mit Polizeiknüppeln, Festnahme und Folter beantwortet. Daran hat auch die Wiedereinführung einer zivilen Regierung und ›freier‹ Wahlen in einem Mehrparteiensystem nach dem letzten Militärputsch von 1980 nichts geändert.« Zu den dagegen gegründeten Volksräten schrieb Schrader: »Ziel des Volksrates war es, eine politische Struktur zu schaffen, in der die Einwohner von Gazi die Lösung ihrer Probleme selbst in die Hand nehmen.«
Am 13. August 1998 wurde die DHKP-C vom damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther verboten. In der Rubrik »Thema« setzte sich jW-Autorin Schrader am 1.10.1998 mit dem Verbot auseinander: »Die DHKP-C ist eine Befreiungsbewegung mit einem nicht unerheblichen Rückhalt in der Bevölkerung. Sie kämpft für eine unabhängige, demokratische Türkei, in der die Völker in Freundschaft und die Menschen in Würde leben können. (…) Das Regime in der Türkei versucht mit allen Methoden, den Befreiungskampf der Völker zu ersticken. Auch die deutsche Regierung versucht, die DHKP-C in der Öffentlichkeit als eine terroristische Organisation von Schwerverbrechern darzustellen. Das DHKP-C Verbot ist der vorläufige Höhepunkt der Repression des deutschen Staates gegen eine ausländische Befreiungsbewegung, die dazu dient, die eigenen innen- und außenpolitischen Interessen mit Gewalt zu sichern.«
Heike Schrader ist jetzt vor dem OLG Düsseldorf nach Paragraph 129a angeklagt, Mitglied in einer »terroristischen Vereinigung innerhalb der DHKP-C in Deutschland« gewesen zu sein, die für Brandanschläge, Spendengelderpressungen und der Ermordung von Abweichlern auf bundesdeutschem Boden verantwortlich gemacht wird. Die legale Öffentlichkeits- und Menschenrechtsarbeit der Publizistin wird dabei von der Anklage als Beweis für ihre Zugehörigkeit zu dieser terroristischen Vereinigung benutzt.
Schraders Rechtsanwältin Waltraut Verleih bekräftigte am Mittwoch, die Vorwürfe seien zu Unrecht erhoben worden. »Die Verteidigung geht davon aus, daß sich als Ergebnis einer Beweisaufnahme zeigen wird, daß Frau Schrader sich für die bis zum August 1998 nicht einmal einem Vereinsverbot unterliegende DHKP-C engagiert hat und diese Betätigung zu Unrecht als mitgliedschaftliche Betätigung in einer sogenannten terroristischen Vereinigung gewertet wurde.«
* Die Verhandlungen sind auf Montag 8.12., Dienstag 9.12. und Mittwoch 10.12. festgesetzt, jeweils ab 10 Uhr. Das Verfahren wird vor dem 6a Strafsenat des Oberlandesgerichts in Düsseldorf (Kapellweg 36, Prozeßgebäude Saal 2) geführt