Die Wut über die tödlichen Schüsse auf Alexis Grigoropoulos hält an. Den dritten Tag in Folge protestierten in nahezu allen größeren Städten Griechenlands Tausende aufgebrachter, vor allem junger, Menschen.
»Mörder, Mörder« und »Nieder mit der Regierung der Mörder«, hallte es am Montag durch die Straßen der Hauptstadt Athen, wo für den Abend weitere Demonstrationen und Kundgebungen angekündigt waren. Unter dem Druck der Proteste beginnt die konservative griechische Regierung, die von der Nea Dimokratia (ND) gestellt wird, »zu wanken« – so die Nachrichtenagentur AFP. Innenminister Prokopis Pavlopoulos und sein Stellvertreter boten ihren Rücktritt an, Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis lehnte jedoch ab.
Auslöser der – nach Polizeieinschätzung – »größten jemals in Griechenland gesehenen Anti-Polizei-Welle« waren die Polizeikugeln, die auf den 15jährigen Schüler Grigoropoulos am Samstag abend abgegeben wurden. Die Angaben zum Tathergang fielen auch am Montag widersprüchlich aus. Während die Polizei erklärte, sie sei von 30 Autonomen angegriffen worden und habe Warnschüsse abgegeben, sprachen Augenzeugen lediglich von einem Wortgefecht, woraufhin einer der Beamten gezielt geschossen habe. Inzwischen wurden die beiden an der Tat beteiligten Polizisten verhaftet. Dem Schützen wird vorsätzliche Tötung, einem weiteren Beamten Mittäterschaft vorgeworfen.
Die Nachricht vom Tod des Schülers hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Noch in der Nacht zum Sonntag begannen in mehreren griechischen Städten Straßenkämpfe. In Athen protestierten am Sonntag bis zu 10000 Menschen. In Städten wie Patras, Volos, Komotini und Ionannina sowie auf den Inseln Kreta, Korfu und Samos wurden Banken und Polizisten angegriffen. Gestern hatten sich in zwei Universitäten der Hauptstadt immer noch Demonstranten verbarrikadiert. Andere Gruppen blockierten zwei Straßen und eine Bahnverbindung. Bereitschaftspolizisten gingen in Thessaloniki mit Tränengas gegen Jugendliche vor, die Steine in Geschäfte und auf eine Polizeiwache warfen und Mülltonnen anzündeten. Straßenkämpfe zwischen etwa 400 Schülern und Sicherheitskräften entbrannten in Veria.
Zu weiteren Protesten riefen für Montag abend (nach jW-Redaktionsschluß) und die kommenden Tage autonome Gruppen wie auch verschiedene linke Organisationen auf, darunter die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), das Bündnis der radikalen Linken (SYRIZA) und sogar die größte griechische Oppositionspartei, die sozialdemokratische PASOK. Die Gewerkschaften verstärkten ihre Mobilisierung für einen seit längerem für den morgigen Mittwoch vorgesehenen Generalstreik gegen Sozialabbau und Privatisierung. Sie vertreten unter anderem die Auffassung, daß Ursachen für die sich entladende Wut auch im sozialen Bereich zu suchen sind. Viele Griechen leben am Rand des Existenzminimums. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander.
International wurde ebenfalls gegen die Polizeigewalt in Griechenland protestiert, darunter in Hamburg, Köln und Bremen. In der deutschen Hauptstadt besetzten etwa 22 Demonstranten am Montag die konsularische Abteilung der griechischen Botschaft. Eine ähnliche Aktion gab es in London.
Darius Ossami in der jungen Welt vom 9.12.08