Nach fast 20 Jahren sollte Heft zur Unterstützung politischer Häftlinge eingestellt werden. Nun geht es doch weiter. Gespräch mit Wolfgang Lettow
Interview: Markus Bernhardt
Wolfgang Lettow ist langjähriger Mitarbeiter beim Gefangenen Info
Seit fast 20 Jahren informiert das Gefangenen Info über die Situation der politischen Gefangenen in der Bundesrepublik. Mit der Freilassung von Christian Klar sollte das Magazin eingestellt werden. Warum?
Seit seiner Entstehung im Hungerstreik der Gefangenen aus RAF und Widerstand im Frühjahr 1989 wurde das Info, zunächst als Hungerstreik Info, dann als Angehörigen Info und seit einigen Jahren als Gefangenen Info im GNN-Verlag verlegt. Redaktion, Verlag und Info haben in den 90er Jahre rund 30 Versuche der Bundesanwaltschaft überstanden, die Zeitung durch Verfahren mundtot zu machen. Das ist nicht gelungen. Da die Herausgeberin Christiane Schneider seit Anfang 2008 als Mitglied der Linkspartei im Hamburger Landesparlament als Abgeordnete tätig ist, mußte die Verlagsarbeit weitgehend eingestellt werden. Mit der Redaktion ist vereinbart worden, daß das Info bis zur Freilassung von Christian Klar im Verlag fortgeführt und danach eingestellt wird.
Nun ist Christian Klar endlich frei. Bedeutet das tatsächlich das Aus für das Heft?
Nein, das Gefangenen Info ist für viele Menschen eine wichtige Quelle der Information und soll es auch bleiben. Es wird nun vom Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und Einzelpersonen weiter getragen. Eine neue Ausgabe wird es zum kommenden Wochenende geben, wo zahlreiche Menschen der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gedenken und ihren Kampf für eine kommunistische Gesellschaft weiterführen. Vor allem denjenigen, die aus politischen und sozialen Gründen weggesperrt sind, ist es wichtig, da sie auf Grund ihrer Haftsituation von vielen Informationsquellen abgeschnitten sind. Wir danken vor allen den Gefangenen, die sich für das Weiterbestehen des Infos öffentlich einsetzten. Ebenso danken wir allen Leserinnen und Lesern in der BRD, in Europa und den USA für ihre Treue. Das Info wird zukünftig weiterhin alle vier Wochen erscheinen. Digital ist es unter www.political-prisoners.net einsehbar.
Während in den 1970er und 80er Jahren starke Solidaritätsbewegungen mit den politischen Gefangenen existierten, spielt das Thema bis auf die letzten RAF-Gefangenen heutzutage in der politischen Linken offenbar kaum mehr eine Rolle. Worin liegen die Gründe?
Die Frage ist nicht einfach, und ich kann sie nur fragmentarisch beantworten. Wir sind alle mit einer sehr starken Repression konfrontiert. Im Kopf ist uns zwar bewußt, daß die Unterdrückung uns abhalten und abschrecken soll, da die Herrschenden für ihre Kriege nach außen im Innern dafür Friedhofsruhe benötigen. Die Widerstandsbekämpfung im Innern wird also immer weiter ausgebaut und verschärft, um die deutschen Kriegseinsätze – derzeit sind rund 9000 Bundeswehrsoldaten auf dem Balkan, in Afrika, im Nahen Osten und in Zentralasien im Einsatz – abzusichern. Nach dieser Analyse müßte unser Umgang mit der Repression ein offensiver sein: Dem ist aber leider häufig nicht so! Genossinnen und Genossen meiden Prozesse, da sie Angst vor der Erfassung haben. Oder lehnen Kontakt mit verhafteten Gefährten wegen der Erfassung ab, das heißt, sie schreiben und besuchen sie nicht und lassen sie allein.
Was können sie statt dessen tun?
Am wichtigsten für die Gefangenen ist unsere Solidarität. Die Frage für uns ist doch die: Wie können wir unsere Verbundenheit mit ihnen in einer Situation zeigen, die erst einmal durch die Klassenjustiz bestimmt ist. Wichtig ist, daß wir uns nicht von den Repressionsorganen abschrecken und bestimmen lassen, sondern von unserem Bedürfnis nach Solidarität ausgehen. Die Hungerstreikenden der RAF haben das in einer Erklärung so formuliert: »Wenn sich die militante Linke aneignet, was der Imperialismus in seinen Niederlagen immer wieder erfahren mußte: Daß seine Macht dort endet, wo seine Gewalt nicht mehr abschreckt, hat sie das ganze Geheimnis seiner scheinbaren Unbesiegbarkeit aufgelöst.«
* Kontakt: hamburg@political-prisoners.net
* Auch auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz am Samstag (An der Urania 17) gibt es verschiedene Beiträge zur Situation politischer Gefangener