Während sich in den USA nach Obamas Persilschein für Guantanamofolterer auch in Fragen der Menschenrechte die mediale Ernüchterung einstellt, werden Fragen nach dem Ursprung der Gewalt im Umgang mit Gefangenen lauter. Extralegale Kriegsgefangenenlager und geheimdienstliche Folterknäste entstanden nicht aus dem nichts – sie haben ihren Ursprung in den Gefängnissen des Landes und dort besonders in den Todestrakten.
Manche Haftbedingungen im Todestrakt sind ähnlich denen im sog. „Regelvollzug“, z.B. auch in der Bundesrepublik. Nur ist die Isolation der Gefangenen über viele Jahre hinweg ein Faktor, der all zu oft ausgeblendet wird. Gefangene werden einfach vergessen und sie haben kaum eine Möglichkeit, auf sich und das, was ihnen angetan wird, aufmerksam zu machen.
Ein Todestraktgefangener hat zwei grundlegenden Bedingungen. Er oder sie lebt alleine auf 6 qm, und das fast die gesamte Zeit ihres inhaftierten Lebens vor der Ermordung durch den Staat.
Im SCI Greene in Pennsylvania ist werktags ein bis zwei Stunden „Hofgang“ vorgesehen. Als Hof wird hier ein 25 qm großer Gitterkäfig unter freiem Himmel bezeichnet. Die Gefangenen nennen ihn „Hundekäfig“. Manche Gefangenen nutzen den Käfig für sportliche Übungen oder die seltenden Gelegenheiten, mit den wenigen anderen Gefangenen zu reden, welche nach oft jahrzehntelanger Haftzeit noch motiviert sind, vom „Hofgang“ Gebrauch machen. Es gibt aber auch Tage, wo dieser Hofgang aus technischen Gründen ausfällt. An Wochenenden ist kompletter Einzeleinschluss. In den Zellen gibt es kein ungefiltertes Tageslicht. D.h., dass Gefangene über das Wochenende keine Sonne sehen. Bei geringen Regelverstössen gibt es aber auch das sog. „Hole“, einen völlig abgedunkelten Einzeleinschluss, wie er wahrscheinlich auch in allen anderen Gefängnissen „demokratischer Staaten“ angewendet wird.
Es ist deutlich, dass Gefangene nach vielen Jahren nur durch äusserste Selbstdisziplin und eigene Planung psychisch überleben können. Sportliche Fitnessübungen sind unerlässlich, auch um dem Tag eine zeitliche Struktur zu geben. Wer z.B. lesen oder sich bilden will, stößt hier schnell an Grenzen. Sieben Bücher zur Zeit ist das maximale, was einem Gefangenen erlaubt ist. Wer viele Aussenkontakte wie z.B. Mumia hat, bekommt sicherlich ab und an interessanten Lesestoff zugeschickt. Alle anderen müssen mit der Gefängnisbibliothek auskommen. Aber gerade Sendungen von aussen gehen einen langen Weg, bevor sie im Todestrakt eintreffen. Alles, jeder Brief, Postkarte, Artikelkopie, Broschüre etc. geht durch eine Zensur. Alles wird fotokopiert und Absender auf zutreffende Strassennamen und Postleitzahlen überprüft (nur dann werden sie ausgehändigt). Inzwischen hat sich dieses Vorgehen als beliebte „staatlich gezählte Solidaritätsbekundung“ mit Mumia Abu-Jamal entwickelt. Jegliche Sendung, die er so schliesslich erhält, ist dann schon mindestens zwei Monate alt.
Frisches Gemüse bekommen Gefangene nie zu essen, ganz selten Obst. Das Knastessen beschränkt sich auf in Mikrowellen Aufgewärmtes. Ärztliche Versorgung (z.B an Zähnen) ist häufig im Todestrakt nicht möglich. Die bürokratischen Hürden für einen Arztbesuch ausserhalb des Todestraktes überfordern viele Gefangene.
Kommunikation ist für alle Gefangenen überlebenswichtig. Im Todestrakt haben Gefangene das Recht auf drei private Anrufe pro Woche á 15 Minuten. Diese müssen sie bezahlen. Da ihnen von Anstaltsseite maximal $ 20 wöchentlich durch Spenden von Angehörigen zugestanden werden, reicht das je nach Distanz aber häufig nicht aus, um die Telefonkosten zu zahlen. Auch die Portokosten für das Versenden von Briefen stellen neben der monatelangen Verzögerung durch die Zensur eine Hürde dar.
Theoretisch sind die kostenfreien Telefonate und Briefe an die Verteidigung von der Überwachung ausgeschlossen. Aber gerade bei einem politischen Gefangenen wie Mumia Abu-Jamal hat sich in der Vergangenheit gezeigt, daß Anwaltspost geöffnet wird (2).
Der jüngste dokumentierte Eingriff in die Kommunikation mit seiner Verteidigung ist erst wenige Monate her ( 3).
Besuche sind einer der wenigen aufregenden Momente im Leben eines Todestrakthäftlings. Da die Knäste immer in ländlichen Gegenden fernab von Großstädten liegen, aus denen die Mehrzahl der Inhaftierten stammt, ist es für Freunde und Angehörige oft sehr teuer und kompliziert, Besuche durchzuführen. Im Todestrakt des SCI Greene besteht ein komplettes Körperkontaktverbot. Das ist nicht überall in den USA so. Der größte Todestrakt der USA im kalifornischen San Quentin hat keine Glastrennscheiben in den Besucherkammern. Bei Gesprächen zwischen Gefangenen und Besuch oder Anwalt in Pennsylvania ist zusätzlich immer Wachpersonal anwesend. Gefangene sind an Händen und Füssen mit Ketten gefesselt, obwohl sie zu keinem Zeitpunkt aus dem Hochsicherheitsbereich herauskommen. (4)
Nachdem 1995 zum ersten Mal erfolgreich die Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal aufgrund massiver weltweiter Proteste verhindert werden konnte, erkannten die Behörden, dass die zahlreichen Interviews und Fotos, die zuvor mit Mumia gemacht worden waren, einen wesentlichen Anteil daran gehabt hatten. Als sie danach verboten, Mumia zu filmen, fotografieren oder seine Stimme aufzunehmen, gab es eine heftige juristische Auseinandersetzung. Schliesslich hatte bis dahin jeder Gefangene das Recht dazu. Diesen Widerspruch löste Pennsylvanias Parlament mit einem Gesetzentwurf, der seitedem „Lex Mumia“ oder einfach „Mumia-law“ genannt wird: jegliche Aufnahmen von Gefangenen wurden im gesamten Bundesstaat verboten.
Die allermeisten Gefangenen haben nach ihrer Verurteilung meistens keine juristischen Beistand mehr. Oft rührt ihre Verurteilung auch von der Unfähigkeit oder mangelnden Motivation von staatlich gestellten Pflichtverteidiger_innen her. Alle Todestraktinhäftlinge der USA sitzen dort, weil sie in ihren Prozessen keine eigenen Mittel für eine Verteidigung hatten. Es gibt in den Todestrakten der USA keine Millionäre. Daher ergibt sich für viele Gefangene die Notwendigkeit, sich und Mitgefangene im Knastalltag selbst zu vertreten. Das sie dafür sofort zur Zielscheibe von Repressalien werden, ist keine Überraschung oder auf US-amerikanische Knäste beschränkt. Aber eine Regel zeichnet sich ab: sog. „Jailhouse Lawyers“ erhalten selbst nie Recht, gerade wenn sie zuvor anderen helfen konnten.
Harold Wislon (5) sass 18 Jahre im Todestrakt, 10 davon als Zellennachbar von Mumia Abu-Jamal. Mumia ermutigte ihn, sich um eine Wiederaufnahme seines Verfahrens zu bemühen und beriet ihn mehrere Jahre. Harold Wilson wurde 2005 nach Feststellung seiner Unschuld aus dem Todestrakt verlegt und nach 18 Jahren Haft schliesslich freigelassen. Er ist bis heute aktiv in der Bewegung, Mumia Abu-Jamals Leben zu retten und ihn zu befreien.
Mumia Abu-Jamal ist einer der wenigen Todestraktgefangenen, die aufgrund jahrzehntelaner Schreibarbeit über die bestehenden Zustände in den Gefängnissen diese überhaupt erst ins öffentliche Bewusstsein geholt haben. Kampagnen wie in den 90iger Jahren zu seiner Rettung sind mittlerweile in vielen US-Bundesstaaten entstanden. So konnte 2007 erfolgreich die staatliche Ermordung von Kenneth Foster (6) in Texas verhindert werden. Oder auch bereits dreimal die des Gefangenen Troy Davis aus Georgia, obwohl die neuesten Entwicklungen für ihn sehr schlecht aussehen (7). Aufgrund solcher Kampagnen, die meist von Angehörigen gestartet und von antirassistischen Gruppen und Todesstrafengegner_innen unterstützt werden, ist die Zustimmung zur Todesstrafe in den USA in den letzten Jahren gesunken. Momentan ist es nur noch eine geringe Mehrheit, die sich bei Meinungsumfragen grundsätzlich dafür ausspricht. Grundsätzlich wissen aber die Mehrheit der US-Bevölkerung, dass bei der Anwendung der Todesstrafe die Frage von arm und reich sowie rassistischer Diskriminierung eine tragende Rolle spielt.
Die in diesem Artikel aufgezählten Haftbedingungen sind sicherlich nicht alles, womit Gefangene z.B. im SCI Greene leben müssen. Viele Methoden unterliegen auch Veränderungen. Zeitweise Erfolge von Gefangenen werden oft durch neue Regeln oder Erlasse zunichte gemacht. Die Auseinandersetzungen sind ein kontinuierlicher Prozess.
Anhand der isolierenden Haftbedingungen, welche repräsentativ für alle Todestraktgefangenen in Pennsylvania aber auch in den vielen anderen US-Bundesstaaten sind, wird vorstellbar, woher etliche Wachmannschaften in den USA die Selbstsicherheit nehmen, exessive Gewalt und Sadismus konsequenzfrei gegen Gefangene ausleben zu können.
—— Anmerkungen / Erklärungen / Links ——-
(1) Interview im Film „In Prison My Whole Life“ (UK, 2007, Regie: Marc Evans)
Bezug über das Heidelberger Netzwerk gegen die Todesstrafe: anna.schiff@t-online.de
(2) Mumias erster Hinrichtungstermin 1995 kam nur durch das illegale Beschaffen von Informationen zustande. Der damalige republikanische Governeur Thomas Ridge (später Homeland Securityminister unter Bush) erfuhr als internen Schriftwechseln von Verteidigungsplänen, die ein neues Verfahren für Mumia hätten herbeiführen können. Deshalb unterschrieb er damals den ersten Hinrichtungsbefehl gegen Mumia, welchwer glücklicherweise auf Druck internationaler Proteste zurückgenommen werden musste.
(3) Artikel „Mumias Anwalt im Knast behindert“
http://de.indymedia.org/2009/01/240568.shtml
(4) Friedensnobelpreisträger und Anti-Apartheidsaktivist Desmond Tutu besuchte Mumia Abu-Jamal 2007. Er war entsetzt über diese entwürdigende Behandlung und beschwerte sich bei der Antaltsleitung. Danach kam es zu einer zeitzweisen Aussetzung der Ankettung von Gefangenen bei Besuchen im SCI Green. Einige lokale Todestrafengegner_innen ( Philadelphian Abolitionists ) begann vor kurzem, Pennsylvanias extrem harten Umgang mit Gefangenen an diesem Punkt anzugreifen.
(5) Harold Wilson http://mumia-hoerbuch.de/archivstopptodesstrafe.htm#wilson
(6) Kenneth Foster http://mumia-hoerbuch.de/archivstopptodesstrafe.htm#kennethfosterlive
(7) aktuelle Entwicklungen bei Troy Davis http://takeaction.amnestyusa.org/siteapps/advocacy/index.aspx?c=jhKPIXPCIoE&b=2590179&template=x.ascx&action=12168