Von Nick Brauns/Carsten Ondreka, junge Welt 29.5.2009
Rabiat gingen Polizei- und Justizbeamte am Mittwoch nachmittag gegen Prozeßbeobachter im Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) vor. Angeklagt ist der türkische Aktivist Faruk Ereren. Ihm wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129b Strafgesetzbuch vorgeworfen. Beim Verlassen des Gerichtssaales zu Beginn der Mittagspause reckten neun Besucher die Faust und riefen »Freiheit für Faruk«. Daraufhin seien sie von Justizvollsteckungsbeamten auf richterliche Anordnung zurück in den Gerichtssaal geführt und dort über eine Stunde festgehalten worden, meldete die Solidaritätsorganisation Rote Hilfe. Anschließend seien sie in eine Zelle im Kellerbereich gebracht worden. Auf die Forderung nach einem Kontakt zum Anwalt hätten die Beamten mit dem Löschen des Lichts reagiert. Anschließend sei die Zelle von mindestens 15 Justiz- und Polizeibeamten gestürmt worden. Prozeßbeobachter seien mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen, an den Haaren gerissen und durch den Raum geschleudert worden, heißt es in dem Bericht der Roten Hilfe. Einer Frau sei durch Schläge ins Gesicht verletzt worden. Später seien die weiblichen Prozeßbeobachterinnen mit Handschellen gefesselt in anderen Zellen auf den Boden geworfen worden. Ohne Kommentierung der offensichtlichen Verletzungen verurteilte der Richter die neun anschließend zu jeweils 100 Euro Ordnungsgeld wegen angeblicher Störung des Prozesses.
Faruk Ereren war im April 2007 in Hagen festgenommen und sitzt seitdem unter Isolationsbedingungen in Untersuchungshaft. Nach Meinung der Bundesanwaltschaft hatte der 54jährige, der schon in der Türkei lange Jahre inhaftiert war, eine Führungsposition innerhalb der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front DHKP-C. Ereren soll für in der Türkei begangene Stadtguerillaaktionen zwischen 1993 und 2005 mitverantwortlich sein.
Der Mitte Januar 2009 begonnene Prozeß stützt sich vor allem auf Beweismaterial aus der Türkei, obwohl dort Folter bei Verhören nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen nach wie vor gängige Praxis ist. Auch im seit über einem Jahr in Stuttgart-Stammheim geführten 129-b-Verfahren gegen fünf mutmaßliche DHKP-C-Aktivisten stützt sich die Anklage vor allem auf Material türkischer Sicherheits- und Justizbehörden, obwohl mutmaßlich unter Folter zustande gekommenes Beweismaterial nach deutschem Recht nicht in Gerichtsverfahren einfließen darf.
Das OLG Stuttgart lehnte indes am Dienstag einen Antrag auf Freilassung des angeklagten Mustafa Atalay ab und beschied damit den dritten Haftprüfungstermin des schwer Herzkranken negativ. Atalay hatte seinen Antrag mit der Länge des Verfahrens sowie den Isolationshaftbedingungen, denen er seit November 2006 ausgesetzt ist, begründet. Das Gericht begründete die Ablehnung mit einem »ausreichenden Tatverdacht« und Fluchtgefahr. Über die Verbesserung der Haftbedingungen will das Gericht in den kommenden Tagen entscheiden. Atalay wurde aus einer Rehabilitationsklinik heraus verhaftet und kann nur mit Hilfe von Medikamenten am Prozeß teilnehmen. Nach einem Infarkt 2006 mußten ihm drei Bypässe gelegt werden, zwei davon sind wieder verstopft.
Polizeigewalt nach Solidaritätsbekundung in Düsseldorfer 129-b-Prozeß. Mustafa Atalay weiter in Haft
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