USA enthalten sich offener Einmischung.
Die Bilder aus Teheran entsprechen der bunten – in diesem Fall: grünen – Revolutionsromantik. Dennoch dürften die iranischen Ereignisse nicht bloß dem simplen Drehbuch »Machtablöse unter Publikumsbeteiligung« folgen. Der Iran ist kein Ort für eine Operetten-Revolution. Seine Gesellschaft ist hochpolitisiert und stark polarisiert. Und sollte die Machtfrage auf der Straße entschieden werden, sind beide Straßenseiten in Betracht zu ziehen: die der Gegner und die der Anhänger des gegenwärtigen Präsidenten Mahmud Ahmedinedschad.
Die Widersprüche in der Islamischen Republik haben sich allem Anschein nach zu einem explosiven Gemisch verdichtet. Widersprüche eines korporatistischen Kapitalismus, dessen Mullah-Nomenklatura unterschiedlichen Orientierungen folgt. Widersprüche sozialer und kultureller Natur, zwischen Besitzbürgern und Habenichtsen, Hedonisten und Opferbereiten, Laizisten und Klerikalen, Westorientierten und Antiimperialisten. Medial verkürzt: zwischen »Reformern« und »Konservativen«. Allein der Widerspruch zwischen Linken und Rechten ist zu vernachlässigen. Denn die iranische Linke gefällt sich im wesentlichen als Anhängsel des liberalen Mainstreams im Westen.
Daß dem westlichen Hegemonialkartell am Sieg der einen über die anderen, das heißt vor allem der Westorientierten über die Antiimperialisten, gelegen ist, steht außer Frage. Doch ist das Widerspruchsystem im Iran komplexer als von der Medieneinfalt wahrgenommen. Da stehen sich nicht einfach der »Irre von Teheran« (Bild) samt fiesem Wächterrat und eine »mächtige Demokratiebewegung« gegenüber. Denn der Anführer der Demokratiebewegung, Mirhossein Mussawi, ist ein Schützling Rafsandschanis, des fiesesten unter den Theokraten. Und Ahmadinedschads Popularität ergab sich vor allem aus seiner Rolle als Kritiker der korrupten Mullah-Herrschaft.
Nachdem sich die Ereignisse ohnedies in die gewünschte Richtung zu entwickeln scheinen, gibt sich die Regierung in Washington neutral. Welches Regime die US-Forderungen nach einem Stopp des iranischen Atomprogramms und nach der Einstellung der Unterstützung für Hamas und Hisbollah erfülle, sei ihm egal, ließ Obama wissen. Das heißt: Washington stellt nicht mehr Wahlergebnisse in Frage, wo immer sie ihm nicht zu Gesicht stehen. Es orientiert nicht mehr in aller Offenheit auf »Regime change«, auf die Installierung einer ihm hörige Regierung, Es enthält sich einer Parteinahme, um die von ihm unterstützte Partei nicht zu desavouieren und Kandidaten seiner Wahl nicht der antiamerikanischen Wut der Massen auszusetzen. Das scheint auf jeden Fall die intelligentere Strategie als die von den Bush-Männern verfolgte zu sein. Auch hinsichtlich eines Regimewechsels. Denn einen solchen könnte keine von den USA direkt unterstützte Kraft vollziehen. Ist er aber vollbracht, wird das neue Regime die US-»Nichteinmischung« zu entgelten wissen.
Werner Pirker / Junge Welt vom 18.6.09