Die Angreifer sind Mitglieder der regierungsnahen „Organisation zur Verteidigung der indigenen und bäuerlichen Rechte“ (OPDDIC), die über einen bewaffneten Arm verfügt, der von unabhängigen Menschenrechtsorganisationen bereits mehrfach für Übergriffe auf zapatistische und andere linksoppositionelle Gemeinden verantwortlich gemacht wurde. Darüber hinaus wird die OPDDIC beschuldigt, auf gewaltsame und illegale Weise Land an ihre Mitglieder zu verteilen, das 1994 von der zapatistischen Befreiungsarmee EZLN besetzt wurde.
Thomas Zapf, Mitarbeiter des Internationalen Friedensdienstes (SIPAZ) in San Cristóbal, bezeichnete im Interview die jüngsten Angriffe als „Ausdruck einer neuen Qualität von Repression“. Es sei besorgniserregend, dass selbst vor Angriffen auf MenschenrechtsaktivistInnen nicht mehr zurückgeschreckt würde. Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas kritisierte die Vorgehensweise der Polizei, die kurz vor dem Angriff noch mit OPDDIC-Mitgliedern gesprochen habe und danach verschwunden sei, und machte Gouverneur Juan Sabines von der sozialdemokratischen Partei der Demokratischen Revolution (PRD) für die Repression verantwortlich.
Der Menschenrechtsanwalt Lagunes hatte sich in Jotolá aufgehalten, um mit den dort lebenden oppositionellen Kleinbäuerinnen und -bauern die juristische Situation zweier inhaftierter Dorfbewohner zu erörtern. Hintergrund der Auseinandersetzungen sind Landstreitigkeiten und umstrittene Entwicklungsprojekte in der Region. Sowohl die chiapanekische als auch die mexikanische Bundesregierung fördern Monokulturen, Autobahnen und Tourismusprojekte in Zusammenarbeit mit multinationalen Konzernen, ohne die jeweils betroffenen Gemeinden zu konsultieren. Viele Gemeinden haben sich daher der „Anderen Kampagne“ angeschlossen, einer Mobilisierung des außerparlamentarischen zivilen Widerstands, die von der EZLN 2006 initiiert wurde und sich für eine neue antikapitalistische Verfassung für Mexiko engagiert.
Die aktuelle Repression ist kein Einzelfall. „Die Regierung informiert uns nicht, sie macht uns nur Probleme, ihre Projekte stellen für uns keinerlei Verbesserung dar“, so Camilo Perez, Aktivist der „Anderen Kampagne“ aus Palenque im Interview. Die Kampagne fordert daher einen Baustopp der Autobahn San Cristóbal-Palenque, die Einstellung der umstrittenen Tourismusprojekte, die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen und die Umsetzung der Abkommen von San Andrés über indigene Selbstverwaltungsrechte.