„Das ist weiße Folter, mit dem Ziel uns zu zermürben“..schreibt Faruk Ereren,ein türkischer §129b-Gefangener gegen den zur Zeit vor dem OLG in Düsseldorf prozessiert wird, im September aus dem Knast heraus an einen Bekannten. Dies war die Reaktion auf einen abgelehnten Besuchsantrag, den eine Frau aus der Prozeßbeobachtungsgruppe gestellt hatte. Insgesamt sind mindestens drei Anträge auf einen Gefängnisbesuch bei ihm abgewiesen worden. Faruk Ereren, der schon in der Türkei nach der Zeit des letzten Militärputschs jahrelang im Gefängnis saß, gefoltert und mit Scheinhinrichtungen bedroht wurde und seit dieser Zeit nachwirkende psychische Folgeschäden mit sich herumschleppt, ist seit längerer Zeit fast vollständig von der Welt außerhalb seiner Gefängniszelle abgeschnitten. Seit Monaten hat er nur mit seinem Anwalt und nahen Verwandten sprechen können. Er ist ansonsten 23 Stunden am Tag isoliert. „Ich bin zur Zeit ganz allein auf meiner Zelle. Der Inhaftierte mit dem ich pro Woche zweimal zwei Stunden zusammen sein konnte ist verlegt worden. Ich habe deshalb Umschluß mit einem anderen Genossen beantragt, aber das Gericht hat darüber noch nicht entschieden. Darum bin ich jetzt seit zwei Monaten allein…“ schreibt er weiter. Der regelmaßige Umschluss war ein Zugeständnis, dass seiner gesundheitlichen Situation geschuldet war. Nun scheint diese notwendige Erleichterung das Gericht nicht mehr zu interessieren. Die Isolation wird noch dadurch verschärft , dass Briefe von solidarischen Freunden, wie dem türkischen TAYAD-Vorstand und Rechtsanwalt Behic Asci angehalten werden. Auch von ihm verfaßte Briefe wurden schon beschlagnahmt. Die Summierung all dieser Repressionsmaßnahmen lassen für ihn dann auch nur den Schluß zu, dass es sich im Gesamten um ein „umfangreiches Isolationsprogramm“ handelt. Mit kleineren individuellen Abweichung sind die Bedingungen für die anderen linken türkischen §129b-Gefangenen identisch. Auch Nurhan Erdem, Cengiz Oban und Ahmet Istanbullu sitzen unter Isolationhaftbedingungen. Ihnen wird ebenfalls die Mitgliedschaft und Unterstützung der DHKP-C vorgeworfen. Ihr Prozess wird demnächst, ebenfalls vor dem OLG Düsseldorf beginnen. Nurhan Erdem wurde wie Faruk Ereren der Besuch von solidarischen Freunden verwehrt. Bisher können sie nur zwei Verwandte besuchen.
Es ist erschreckend, mit welch simplen Begründungen Besuchsverbote bei den türkischen Gefangenen ausgesprochen werden. Menschen die Prozesse besuchen und/oder Informationsarbeit zu den Verfahren betreiben, geraten sofort unter den Verdacht der „konspirativen Verbindung mit Führungskadern der DHKP-C“. Solche Luftblasen scheinen mittlerweile auszureichen, um Besuche bei §129b-Gefangenen zu verhindern. Es bestehe die Gefahr der verdeckten Nachrichten-übermittlung durch die Besucher_innen. Die Redaktion des Gefangenen Infos weiss zumindest von 2 Mitgliedern aus Solidaritätszusammenhängen, deren Besuchsanträge bei §129b-Gefangenen abgelehnt wurden. Der Generalbundesanwalt, der für die Anträge zuständig ist, begründet diese Ablehungen mit dem Hinweis auf die Verbindung der Antragsteller_innen zu türkischen Genoss_innen und der Mitarbeit in Antirepressionsgruppen, die nicht rein deutsch besetzt sind. Offensichtlich soll jeder praktische Ausdruck internationaler Solidarität gegen die Kriminalisierung internationaler Befreiungsbewegungen behindert und die Genoss_innen eingeschüchtert werden.
Die Tatsache, daß es zu den §129b-Prozessen eine kritische Öffentlichkeit gibt, scheint der Bundesanwaltschaft und dem Oberlandesgericht in Düsseldorf in besonderer Art und Weise zu irritieren. Das zeigte sich schon beim martialischen Polizeieinsatz am ersten Verhandlungstag bei dem mehrere Prozeßbeobacher_innen verletzt wurden. Nirgends wird die Aversion gegen diejenigen, die den Prozeß kritisch beobachten deutlicher, wie im Düsseldorfor Verfahren. Mittlerweile geht das Gericht auch gegen Print- und Onlinemedien vor. In den letzten Wochen trudelten beim Onlineinfoportal „Scharf-Links“ sowie dem „Gefangenen Info“ Verleumdungsklagen ein. Diese werden durch eine falsche, aber doch nebensächliche Tatsachenbehauptung in einem Prozeßbericht der Prozeßbeobachtungsgruppe begründet. Im Artikel „Blind in Beugehaft“, der mit Rote Hilfe e.V. OG Mönchengladbach-Düsseldorf unterschrieben ist, wird behauptet, dass der Vorsitzende Richter Klein die Sommerpause mutwillig verlängert hätte, um den damals in Beugehaft sitzenden blinden Nuri Eryüksel länger schmorren zu lassen. Diese Anschuldigung weist das Gericht zurück und kann dies wohl auch belegen.
Ungeachtet dieser wohl nachweislich falschen Tatsachenbehauptung ist es doch eher unüblich gleich mit einer Verleumdungsklage zu reagieren. Die presserechtlich Verantwortliche von „Scharf-Links“ betonte auf Nachfrage, dass der übliche Weg des Gerichts und des BAW eigentlich darin hätte bestehen müssen eine Gegendarstellung einzufordern oder eine kostenpflichtige Unterlassungsklage anzustrengen. Beides sei nicht geschehen. Im Gegenteil: Die „Scharf Links“-Verantwortliche war ohne Angabe von Gründen zum Staatsschutz vorgeladen worden. Dort wurde ihr der Sachverhalt erklärt. Nach ihrem Eindruck soll durch das martialische Auftreten der Justiz, die interessierte Öffentlichkeit, zu der ja auch Online- und Printmedien gehören, eingeschüchtert und kriminalisiert werden. Es sei kaum abzusehen welche Folge dies für die weitere Berichterstattung von §129 a & b -Prozessen hat. Als Redakteurin und presserechtlich Verantwortliche sieht sie eine Tendenz in Richtung Zensur von unliebsamer Medienberichterstattung. Ähnlich äußerte sich auch die Redaktion des Gefangenen Info’s, denen bisher keine Akteneinsicht gewährt wurde. Deshalb konnte die Redaktion nur bestätigen, dass es sich bei dem inkriminierten Artikel um den selben dreht wie bei „Scharf-Links“. Er muß davon ausgegangen werden, dass es sich auch um die gleiche Passage im Text handelt. Auch weil diese Passage des Artkels im „Mauerfall“, einem seit zwei Jahren existierenden Plattformmedium für Gefangene, vor der Weitergabe an Faruk Ereren zensiert wurde.
Es scheint so zu sein, dass der Vorsitzende Richter Klein gerne mehr als nur diese Lapalie zensiert hätte. Da aber ein Ausschluß der Öffentlichkeit in einem nach außen bekundeten „demokratischen Rechtsstaat“ wie in Deutschland nicht vorgesehen ist, muss das Oberlandesgericht Düsseldorf, die Bundesanwaltschaft und auch der Staatsschutz damit leben, dass auch unliebsame Wahrheiten aus dem Prozeß nach außen dringen. Wie zum Beispiel die Tatsache, daß der größte Teil des Belastungsmaterials gegen Faruk, wie auch gegen die anderen Angeklagten in den verschiedenen §129b-Verfahren gegen türkische Linke in Deutschland, auf Materialien und V-Leute des türkischen Staatsschutzes basieren. Dazu gehören auch Foltergeständnisse, die um den Schein zu wahren nicht in die Urteile einfliessen, aber wie in Stammheim erlebt „zum Gesamtbild beitragen“.
Am bisher letzten Verhandlungstag, kündigte das Gericht an beim nächsten Gerichtstermin gegen Faruk Ereren Ende Oktober einen eigenen Vorschlag zur Abkürzung des Verfahrens zu machen. Dies kann darauf hinauslaufen, dass dem Angeklagten, ähnlich wie im Stammheimer §129b-Prozeß ein vielleicht sogar vorformuliertes Teilgeständnis nahegelegt wird. Was geschieht, wenn Faruk sich nicht auf diesen Deal einlässt bekommt er und diejenigen, die versuchen für ihn Öffentlichkeit herzustellen, jetzt schon zu spüren. Auf was der Vorschlag des OLG Düsseldorf letztendlich hinausläuft wird sich erst beim Gerichtstermin am 28.10. zeigen. Festzustellen bleibt, dass die deutsche Justiz wie im Stammheimer Prozeß versucht, die im Vorfeld schon traumatisierten und/oder anderweitig erkrankten türkischen Gefangenen durch ständige Schikanen und Isolationshaftbedingungen so mürbe zu machen, dass sie einem solchen Deal zustimmen.
Carsten Onderka