Zur Geschichte des Infos

Das heutige „Gefangenen Info“ ist im Frühjahr 1989 anlässlich des zehnten kollektiven Hungerstreiks der Gefangenen aus der RAF und des antiimperialistischen Widerstands unter dem Titel „Hungerstreik-Info“ entstanden. Lange Jahre wurde es von den Angehörigen der politischen Gefangenen aus der BRD herausgegeben und vom GNN-Verlag verlegt.
Seitdem sind beinahe 21 Jahre vergangen. Um den damaligen Hintergrund der Auseinandersetzungen um die Gefangenenfrage besser zu verstehen, müssen wir uns die damalige politische Situation noch einmal vergegenwärtigen. Insbesondere wurde die Haftsituation und deren Auswirkungen auf die Eingesperrten kritisiert. Diese als „weiße Folter“ bezeichneten Haftbedingungen hinterließen oft keine sichtbaren physischen Spuren. Selbst die UNO hatte die Isolationshaft als Folter geächtet. 9 politische Gefangene hatten bisher den Knast nicht überlebt.
Dieser besagte zehnte (und letzte) kollektive Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF wurde gemeinsam mit den Gefangenen aus dem antiimperialistischen Widerstand geführt. Diese Gefangenen hatten draußen im Gegensatz zu denen aus der RAF nicht bewaffnet als Stadtguerilla gekämpft. Die GenossInnen aus dem Widerstand wurden u.a. dafür kriminalisiert und eingesperrt, weil sie sich mit den Illegalen aus der RAF zum Gedankenaustausch trafen, mit den Gefangenen aus der Guerilla kommunizierten, oder sich öffentlich oder verdeckt für die Verbesserungen der Haftbedingungen einsetzten.
Auch wenn diese Gefangenengruppen einen unterschiedlichen Erfahrungshintergrund hatten, verband beide die politische Zielsetzung, für eine befreite Gesellschaft und eine kommunistische Perspektive einzutreten. Dieses Ziel konnte nur durch ein abgestimmtes internationales Handeln erreicht werden. Der Versuch, eine „westeuropäische Front“ aufzubauen, war ein Ausdruck dieser Linie.
Am 1. Februar ´89 begann der Hungerstreik mit der Forderung nach der Zusammenlegung aller dieser Gefangenen in ein oder zwei Gruppen und der nach der Freilassung aller haftunfähigen Gefangenen, wie z.B. Günter Sonnenberg. Eine weitere Forderung bezog sich auf die Zusammenlegung aller Gefangenen, die dafür kämpfen. Zirka 40 Gefangene beteiligten sich anfangs an dieser Aktion, etwa die Hälfte waren RAF-Gefangene, der Rest kam aus dem Widerstand. Dem Streik schlossen sich diverse soziale und migrantische Gefangene mit eigenen Zielen an. Verschiedene Gruppen aus der Kirche, den Gewerkschaften und Linksradikale aus dem In- und Ausland unterstützten die Gefangenenforderungen. Eine bundesweite Demonstration in der damaligen Hauptstadt Bonn Ende April mit über 10.000 TeilnehmerInnen war der Mobilisierungshöhepunkt der Solidarität mit den Gefangenen. Die Forderungen konnten im Ergebnis nicht durchgesetzt werden. Es gab lediglich minimale Verbesserungen, die Isolation der Gefangenen blieb aber weiter bestehen. Statt dessen wurde das Modell bundesdeutscher Isolationshaft in diverse Länder exportiert, nach Spanien, Chile oder in die Türkei.
Das den Gefangenenkampf begleitende „Hungerstreik-Info“ erschien zu dieser Zeit wöchentlich mit einer Auflage bis zu 10.000 Exemplaren. Nach dem Hungerstreik wurde das Info in „Angehörigen-Info“ umbenannt. Es erschien zuerst alle zwei, später alle vier Wochen.
Das Engagement, sich für die Gefangenen und deren Forderungen einzusetzen, bröckelte zunehmend ab. Ein Grund war bestimmt, dass „vergessen“ wurde, dass es nicht nur um die Freiheit der Gefangenen gehen konnte, sondern auch um die eigene im globalen Zusammenhang. Hinzu kamen die weltweiten Umbrüche Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre, die die gesamte Linke in eine Krise stürzten, und logischerweise auch nicht vor den politischen Zusammenhängen dieser Zeitschrift Halt machten.
Das Kollektiv der Gefangenen aus der RAF, das über 20 Jahre ein wichtiger Faktor war, spaltete sich und löste sich letztendlich auf. Die solidarischen Zusammenhänge außerhalb der Knasttore waren von einer parallelen Entwicklung betroffen. Eine Transformation in eine neue politische Kraft gelang nicht, obwohl sich die Bedingungen in Großdeutschlandauf allen Ebenen verschärften und eine starke linke internationalistische und antagonistische Bewegung wichtig gewesen wäre bzw. ist.
Das „Info“ nannte sich ab 2004 „Gefangenen Info“, nach dem die Angehörigen auf Grund ihres fortgeschrittenen Alters die HerausgeberInnenschaft aufgeben mussten. Das Blatt hatte in der Folgezeit weiterhin die Funktion, dazu beizutragen, dass alle Gefangenen aus diesem vergangenen Kampfprozess rauskommen. Bis auf Birgit Hogefeld sind alle Inhaftierten aus der RAF inzwischen auf freiem Fuß!
Der Staat versuchte wiederholt unter der Federführung der Bundesanwaltschaft diese Zeitschrift durch rund 30 Verfahren mundtot zu machen:
– Im Info wurde häufig das staatliche Vorgehen gegen Gefangene kritisiert, statt die Bedingungen zu ändern, reagierte der Staat zum Beispiel mit Verfahren nach §187 (Verleumdung); – oder es wurde ein § 129a-Verfahren „wegen Werbung für eine terroristische Vereinigung“ eröffnet, weil Erklärungen der RAF dokumentiert worden sind, die in Prozessen verlesen wurden; – weitere Anlässe waren Artikel, die die staatliche Version z.B. der Selbstmorde in Stuttgart-Stammheim am 18.10.1977 oder von Wolfgang Grams am 27.6.1993 in Bad Kleinen thematisierten und damit in Frage stellten.
Mit dem neuen Verfahren nach § 187, das im Sommer 2009 gegen das „Info“ angestrengt wurde, zeigt sich, dass die Behörden weiterhin verhindern wollen, dass die Isolationshaft „Made in Germany“ thematisiert wird. So wurde in den neunziger Jahren dieses Haftmodell in die Türkei exportiert. Aktuell wird die Isolationshaft an türkisch-kurdischen Gefangenen exekutiert, die wegen des § 129b inhaftiert sind. Auch die Sondergesetze und -gerichte bestehen weiter und werden ausgebaut.
Im „Info“ wurde auch die Geschichte des weltweiten Aufbruchs von 1968 authentisch dargestellt, aus denen die Gefangenen aus der RAF kamen. Diese Geschichte des Widerstandes soll aus dem Gedächtnis und den Köpfen der alten und jungen Menschen ausradiert werden, damit es schwieriger wird, heute zu kämpfen. Neben der Leugnung der Isolationshaftbedingungen werden auch die Gründe der weltweiten Rebellion für eine freie und emanzipatorische Gesellschaft, durch die herrschende Klasse regelmäßig durch Typen wie Stefan Aust u.a. umgeschrieben und damit verfälscht, weil sie sich vor einem neuen Aufstand fürchten.
Sie wissen natürlich, dass ein neuer globaler Aufstand kommen wird…

Wolfgang , Mitarbeiter des Infos seit Ende 1991

Nachtrag:
Das neue Verfahren gegen das Gefangenen Info nach § 187 findet am Mittwoch, den 21.April, 12.30 Uhr vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten, Turmstraße 91 statt.

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