2010-04-26
Am 18. März 2010 initiierten Gefangene einer Einheit (Unidad 9) des Knasts La Plata in der Provinz Buenos Aires einen Hungerstreik. Die Gefangenen waren dabei, Forderungen gegen Verhärtungen der Strafgesetzgebung zu formulieren. Um diesen Gehör zu verschaffen sollte am 21.März ein Hungerstreik begonnen werden. Nachdem jedoch vier Gefangene, die an der Formulierung der Forderungen beteiligt waren, am 18. März verlegt wurden, entschlossen sich die Gefangenen früher in Streik zu treten.
Im Laufe der letzten Wochen haben sich mehr als 1300 Gefangene aus 8 Knästen in der Provinz und Stadt Buenos Aires (La Plata, Melchor Romero, Campana, Olmos, Varela, Marcos Paz, Ezeiza, Devoto) dem Streik angeschlossen. Insgesamt sitzen in den Knästen Buenos Aires‘ ungefähr 30 000 Personen.
Die Gefangenen verfassten Kommuniques die ihre Forderungen beinhalten und leiteten diese an die zuständigen Staats- und Justizgewalten sowie an Menschenrechtsorganisationen weiter. Im Folgenden fassen wir einige der Forderungen kurz zusammen:
Die Wiedereinführung des „2×1-Gesetzes“. 2×1 bezeichnet ein Gesetz, das im Falle von Untersuchungshaft und einer anschließenden Verurteilung, (die oft erst zwischen 2 und 4 Jahre später erfolgt), die in der U-Haft abgesessene Zeit verdoppelt von der bei der Verurteilung festgelegten Strafdauer abzieht. D.h. eine Person die nach zwei Jahren U-Haft zu sechs Jahren Knast verurteilt wird, müsste nach diesem Gesetz nach ihrer Verurteilung noch zwei Jahre im Knast bleiben. Das 2×1 wurde 2003 außer Kraft gesetzt.
Eine Gesetzesänderung im Hinblick darauf, dass Personen die zum wiederholten Mal im Knast landen nicht vom Recht auf offenen Vollzug ausgeschlossen werden.
Forderung einer Höchststrafe von 25 Jahren.
Offener Vollzug für Menschen ab 60 Jahren, Schwangere, Mütter mit Kindern unter fünf Jahren, Menschen mit Erkrankungen wie z.B. HIV oder Diabetes.
Dies sind nur vier der vielen Forderungen. Die vollständige Aufzählung in ihrer juristischen Genauigkeit ist uns nicht möglich, weil es dafür detailliertere Kenntnisse über den Gesetzeskontext Argentiniens bräuchte, die wir leider nicht haben.
Aus zwei der am Streik beteiligten Knäste wurde und wird ein Dialogtisch mit Gefangenen, Unterstützer_innen der Gefangenen (Menschenrechtsorganisationen, La Cantora – eine 1992 gegründete Gruppe ehemaliger Gefangener, die vor allem in den Bereichen AntiKnast&AntiRepression&Kommunikation aktiv ist) sowie Vertreter_innen der drei Staatsgewalten gefordert, um über die Umsetzung der Forderungen zu verhandeln.
Einige Treffen haben bisher stattgefunden, wobei jedoch den Forderungen der Gefangenen nicht immer nachgegangen wurde. Beim ersten Treffen in La Plata bspw wurde die Anwesenheit der Unterstützer_innen untersagt. Die mündlichen Ankündigungen von Gesetzesentwürfen, welche Forderungen der Gefangenen beinhalten, scheinen bisher nur leere Versprechungen zu sein. Vom ersten Tag des Hungerstreiks an wird gegen die Gefangenen mit besonderen Repressionsmaßnahmen vorgegangen. So wurden und werden am Hungerstreik beteiligte Personen willkürlich und immer wieder verlegt und/oder in Isolationshaft gesteckt. Von Anfang an wurden medizinische Betreuung und Gewichtskontrollen verweigert. Gefangene wurden dazu gezwungen Formulare zu unterschreiben, mit denen sie die Verantwortung für mögliche gesundheitliche Folgen die aus dem Hungerstreik resultieren selbst übernehmen; oder solche die besagen, sie befänden sich nicht im Hungerstreik. Ebenso werden den Gefangenen Lebensmittel wie Brühe, Tee, Mate, Zucker u.ä. weggenommen. Außerdem wird die Kommunikation nach außen erschwert bis unmöglich gemacht.
Am Sonntag den 28. März starb der am Streik beteiligte Gefangene Rubén Terzagui im Knast von Olmos. Er hatte schon länger dafür gekämpft, in den offenen Vollzug zu kommen. Kurz nach Beginn des Streiks war er in ein Krankenhaus verlegt worden, und von dort aus einige Tage später in einen anderen Knast als vor seinem Krankenhausaufenthalt. Sein Tod wird vom Servicio Penitenciario (Knastpersonal) darauf geschoben, dass er HIV positiv und deshalb schon länger körperlich geschwächt war.
Der Streik erfährt von unterschiedlichen Seiten Unterstützung und Solidarität. Angehörige und Unterstützer_innen besuchten Gefangene und versammelten sich in La Plata vor dem Gericht und dem Knast um Öffentlichkeit für den Streik und für die Forderungen zu schaffen. Vor einem Gebäude des Servicio Penitenciario Federal in Buenos Aires fand eine Soli-Aktion von Anarchist_innen statt, bei der Flyer verteilt und Forderungen zur Abschaffung von Knästen auf die Wände gesprüht wurden.
Dennoch bleibt es schwierig die Isolation der Knäste zu überwinden und den Protest nach außen zu tragen. So war es uns zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels nicht möglich, genaue Informationen über den aktuellen Stand in den Knästen zu finden. In Devoto wurde am 5. April beschlossen, den Hungerstreik zu unterbrechen und am 12. April wieder aufzunehmen, wenn bis zu diesem Datum keine konkreten Reaktionen von den Repräsentant_innen der drei Staatsgewalten gezeigt würden. Die Entwicklung seither in Devoto ist uns unbekannt. In La Plata wurde am 12. April nach wie vor gestreikt. Über den aktuellen Stand in den anderen Knäste liegen uns bisher leider keine Informationen vo