Vom 4. bis zum 6. Juni 2010 fand im Infoladen in Magdeburg der Workshop „Fit for Cans“ statt.
Vordergründiges Interesse war den antirassitischen Tenor der Graffitiszene zu erläutern und auch darzustellen. Ebenfalls sollte Graffiti als antikapitalistische urbane Subkultur erklärt werden.
So ging es im ersten Vortrag am Freitag, welcher als Einleitung und Begrüßung zum Workshop gedacht war, um das Verhältniss der Polizei zu dieser illegalisierten Kulturszene. Es wurde die Rolle der Polizei als Ganzes dargestellt, aber auch auf ihre spezielle Rolle als Repressionsapparat der Herrschenden und Besitzenden gegen die Unterschicht wurde eingegangen.
Es konnte verbildlicht werden, dass die Entwicklung des Eigentumsbegriff im bürgerlichen Gesetzbuch ganz klar weiterentwickelt und definiert wurde und weiterhin wird. Der Rechtsstaat schützt die Dekadenz der Reichen.
Am Beispiel Graffiti wird klar, dass der Schutz der Besitzenden mehr wiegt als freie Entfaltung und Leben. So gibt es Menschen, die für ein buntes Bild im tristen Stadtbild in den Knast wandern, oder bei überzogenen Treibjagten zu Tode gehetzt werden. Die Gewalt mit denen die Polizei gegen Sprayer vorgeht, nimmt schon Formen der Aufstandsbekämpfung gegen die Bevölkerung und vor allem gegen unsere Jugend an.(2)
So wird die Polizei nie ein Freund der Graffitiszene werden. Aber die Frustration scheint groß, denn mit der Professionalisierung der Szene (Verschwiegener/ Sicherheitsbewusster) scheint auch vielen klar zu sein, wo der Feind steht und was er beschützt, nämlich Privateigentum und öffentliches Eigentum. Und mal ehrlich, senkt es unser Lebensniveau, wenn der Zug, welcher uns morgens zur Arbeit bringt bunt ist??? Die Grünen scheinbar schon, so war es die Rot-Grüne Regierung, welche 2005 eine Gesetzesänderung durchsetzte, welche eine Strafverfolgung von Sprühern vereinfachen sollte. Genauso versuchte Magdeburg eine Vorreiterrolle in der kreativen Anwendungen von Strafmaßnahmen gegen jugendliche Sprüher einzunehmen. Von diesen Maßnahmen konnte ein Betroffener einen interessanten Erfahrungsbericht wiedergeben.
Am Samstag Vormittag ging es um die Geschichte des modernen Graffiti und seine internationale Entwicklung als Sprachrohr einer Jugendkultur im Kapitalismus. Ihren Ursprung nahm sie in N.Y., während der Krisenjahre der 70iger wurden Graffiti und Hip Hop mehr als nur populär – sie wurden ein Lebensstil. Graffiti als Teil der Hip Hop-Kultur muss einfach als antitrassistisch erkannt und benannt werden. Es ist eine Kultur der Unterschicht, welche sich nicht nach Rassen oder Geschlechtern definierte. So ist es nicht zu verleugnen, dass sich Hip Hop und Graffiti als Kultur international entwickelt haben. Der Einfluss von Rap, Breakdance und Graffiti waren und sind nicht nur für Jugendliche eine Möglichkeit der Selbstdefinition außerhalb der Werte von Besitz und Reichtum.
Ein Panel oder Piec (Bild) musste schon selbst gemalt werden und den Zug oder die Wand kannst du nicht kaufen.
Aber irgendwie doch- vor der Kommerzialisierung einer eigentlich nicht gewollten Kunst kommt Mensch im Kapitalismus nicht vorbei. Als Beispiel gilt gerne BANSKY, der trotz seiner Anonymität seine illegale Kunst gut zu verkaufen weiß. Der Kapitalismus verkauft alles, sogar die Werte, die er schützt. Graffiti und ihre Akteure sind bei Jugendlichen und Kunstliebhabern weltweit beliebt und sie können es schaffen nationale und kulturelle Vorurteile in der allgemeinen Gesellschaft abzubauen. Denn die Jugend von heute wird morgen unsere Gesellschaft formen.
Dass Graffiti antirassistisch ist, wusste auch Kostja Lunkin. Er war ein freier Künstler, sozialer Aktivist, Graffiti-Sprayer, basierend auf einem antifaschistischen Grundgedanken. Er starb am 31. Mai 2010, nachdem ihn Faschisten den Schädel mit einem Stein zertrümmerten. So begann der Workshop schließlich in Erinnerung an Kostja. Viele Ideen wurden im Laufe des Tages umgesetzt umgesetzt. So wurden die Negativsilouetten, der von Nazis ermordeten Alberto Adriano, dessen Todestag sich am 14. Juni zum 10. mal jährt oder auch Rick Langenstein grafisch umgesetzt. Es sollten den Opfern von Gewalt ein Stück der Lebendigkeit ihres Leben in Farben dargestellt werden. Sie sollen daran erinnern, dass es Menschen waren, die Hoffnungen und Träume hatten und sich ein buntes Leben voller Entfaltung wünschten. Auch ein Bild für Kostjan wurde gemalt.
Wir sehen die Veranstaltung als vollen Erfolg an, denn es ist uns gelungen junge Menschen aus der urbanen Subkultur, der Graffitiszene anzusprechen und vorallem den politischen Hintergrund von Graffiti wieder zu beleben. Graffiti – wie der Workshop gezeigt hat klar antirassistisch und antikapitalistisch – gibt uns den öffentlichen Raum zurück, der von Herrschenden und Besitzenden durch bürgerliche Gesetze und Institutionen (Polizei) geschützt ist. Eine Jugendkultur, die eine freie Entfaltung der Ideen und Inspirationen unserer Jugend ermöglicht- in diesem Sinne- Graffiti mag keine Polizei! Für eine bunte Stadt!
Einige Teilnehmer des Workshops