Palästina: Proteste gegen 43 Jahre Besatzung

Um der nun schon 43 Jahre andauernden israelischen Besatzung der Westbank, Ostjerusalems und des Gazastreifens zu gedenken, kamen palästinensische, israelische und internationale DemonstrantInnen überall in der Westbank zusammen. Sie drückten gemeinsam ihre Solidarität mit den Opfern des blutigen israelischen Militärüberfalls auf die „Free Gaza!“-Flotte vom 31. Mai 2010 aus und protestierten gegen die Land- und Seeblockade palästinensischer Gemeinden durch Israel.

Bil’in
Über zehn israelische und über 20 internationale AktivistInnen nahmen an der diesmal länger als gewöhnlich dauernden wöchentlichen Demonstration gegen die zu Land und zu Wasser stattfindende Blockade palästinensischer Gemeinden durch Israel, dass zu deren Durchsetzung Zäune und Gewehrkugeln einsetzt, teil. Analog zur Blockade war es diesmal auch schwieriger als sonst, zur Demo nach Bil’in zu kommen, da das Militär mit mobilen Straßensperren alle Wege nach Bil’in blockierte, so auch beide Ortseingänge von Kufr Naama.
Die Demonstration wurde von einem Modell des Schiffes „Marmara“ (auf dem die Morde an den „Free Gaza!“-AktivistInnen durch israelische KommandosoldatInnen bei der Erstürmung des Schiffes geschahen – Anm. d. Übers.) angeführt, das auf einem Auto montiert war, in dem DemonstrantInnen steckten. Um das Schiff herum wurde enthusiastisch gesungen und Slogans wurden gerufen. Als die Demo den Zaun erreichte, schwenkten als PiratInnen verkleidete DemonstrantInnen eine schwarzweiße Israel-Piraten-Fahne und versuchten, das Schiff zu entern, doch der Versuch schlug fehl.
Die israelischen SoldatInnen, die offensichtlich scharf auf eine näher an der Realität orientierte Inszenierung der Schiffserstürmung waren, fluteten das Areal mit Tränengas und erstürmten die Demonstration, genau nachdem jemand durch das Megaphon erklärte, die Demonstration sei gewaltfrei, und dass keine Repression nötig sei. Einige DemonstrantInnen und JournalistInnen wurden von SoldatInnen verletzt, die versuchten, sie zu ergreifen, einige andere litten stark unter dem ätzenden Tränengas. Es wurden drei DemonstrantInnen verhaftet: ein 73 Jahre alter Israeli (der den Tag im Krankenhaus verbrachte und später freigelassen wurde), ein palästinensischer Dorfbewohner, dem ins Bein geschossen wurde, während er gefesselt und mit Augenbinde am Boden lag [und der häufiger verhaftet und wieder freigelassen wurde, als sich je irgendjemand merken kann], und einer der OrganisatorInnen der „Free Gaza!“-Flotte, der Palästinenser und israelische Staatsbürger Howeyda Arraf [für den dies der zweite Arrest innerhalb von drei Tagen war]. Die Waffen der Armee setzten ein paar Olivenbäume in Brand, die aber von palästinensischen Feuerwehrleuten in lilafarbener Verkleidung gelöscht werden konnten.

New Beit Nuba
Rund 150 Israeli trafen letzten Freitag auf über 1.000 PalästinenserInnen, um gemeinsam der 43 Jahre andauernden Besatzung in New Beit Nuba zu gedenken. Koordiniert wurde die Demonstration von den Popular Committees in der Westbank (also der organisierten, parteiunabhängigen Zivilgesellschaft der PalästinenserInnen, die in verschiedenen Dörfern entlang der Mauer auch die Freitagsdemonstrationen gegen den Mauer- und Siedlungsbau sowie andere gewaltfreie Proteste durchführen – Anm. d. Übers.) und der (israelischen) Koalition gegen die Besatzung. Im Mittelpunkt stand das Recht auf Rückkehr für die vertriebenen PalästinenserInnen aus den Dörfern Yalu, Amuas und Beit Nuba, die 1967 durch die israelische Armee bis auf den Grund zerstört wurden. Darüber hinaus wurde gefordert, dass die Apartheid-Straße 443 für PalästinenserInnen geöffnet wird. (Diese Straße wurde durch palästinensisches Territorium in der Westbank gebaut, um eine schnelle Verbindung zwischen Tel Aviv und Jerusalem zu schaffen. Den enteigneten PalästinenserInnen wurde zunächst die Nutzung der Straße in Aussicht gestellt, und so wurden auch Zufahrten von und zu den anliegenden palästinensischen Dörfern gebaut. Diese wurden aber bei Inbetriebnahme der Straße mit Betonquadern und Schranken – analog zum Mauerbau – gesperrt. Irgendwann kam heraus, dass bei der Straße 443 – wie zuvor bei anderen Straßen innerhalb der Westbank -, nie der Zugang für PalästinenserInnen geplant war, sondern dass die Straße eine bessere Anbindung der illegalen jüdischen Siedlungen an Tel Aviv, vor allem aber an Jerusalem gewährleisten sollte. Durch den Bau der Straße 443 wurden palästinensische Gemeinden und Familien von einander getrennt, die Straße verläuft wie eine unüberwindbare Grenze mitten durch palästinensische Gemeinden und Agrarflächen und macht das Leben unter der israelischen Besatzung noch umständlicher. Die Ein- und Ausfahrt wird durch militärische Checkpoints bewacht, und es ist nur jüdischen Siedlern und Menschen mit israelischem Pass erlaubt, die Straße zu befahren, was entlang der Straße immer wieder zu Protesten führt – Anm. d. Übers.)
Nach dem Mittagsgottesdienst brach die Demonstration zum Zaun auf, der New Beit Nuba von dem alten Gemeindeland des zerstörten Dorfes trennt, oben auf dem Hügel, wo heute die illegale Siedlung Mavo Horon und der Canada Park liegt. Unter den DemonstrantInnen war der Knesset-Abgeordnete (israelisches Parlament) Hanin Zoabi, der gerade von der „Free Gaza!“-Flotte zurückgekehrt war. Als die DemonstrantInnen den ersten Zaun, der den eigentlichen Trennungszaun schützt, erreichten, verzierten sie diesen mit palästinensischen Fahnen und riefen Slogans gegen den Zaun und für das Errichten eines wahren Friedens.
Einige Minuten später schafften es ein paar DemonstrantInnen, das Gatter des ersten Zaunes aufzubrechen und den eigentlichen Apartheid-Zaun zu erreichen, der ebenfalls mit Fahnen geschmückt wurde. Nun begannen die etwa 20 anwesenden SoldatInnen, die DemonstrantInnen mit wiederkehrenden Tränengasattacken anzugreifen. Der größere Teil der Demonstration zog sich daraufhin zurück, während ein paar DemonstrantInnen noch eine Stunde länger blieben, um Steine gegen Gas zu spielen.

Nabi Saleh
Aufgrund einer Trauerfeier in Nabi Saleh wurde diesen Freitag nur eine kurze Demonstration abgehalten. Die israelische Armee drang sofort ins Dorf ein und blockierte die Hauptstraße, um jeglichen Verkehr lahmzulegen. Nach einer Stunde, in der es Auseinandersetzungen mit der Armee gab, gingen die DemonstrantInnen nach Hause oder kondulierten der trauernden Familie. Dennoch verblieb die Armee noch stundenlang auf ihrem Posten und belästigte die gesamte Gemeinde. Ein israelischer Demonstrant wurde verhaftet, weil er einfach nur mit den SoldatInnen sprach.

Hebron
Am Samstag, den 5. Juni kamen in Hebron rund 60 DemonstrantInnen zusammen, um in Solidarität mit den Opfern der Freiheitsflotte gegen die verheerende israelische Apartheidpolitik und gegen die Verletzungen des Rechts der PalästinenserInnen, sich in der Stadt und innerhalb der gesamten Westbank bewegen zu können, zu protestieren. Einige DemonstrantInnen trugen ein Boot mit vielen Fahnen, und oben drauf standen zwei Kinder und hielten einen Sarg, der mit der türkischen Fahne bedeckt war, und auf dem „Menschenrechte“ und „Gerechtigkeit“ stand. Nach einigen Redebeiträgen und Sprechchören gingen die DemonstrantInnen auf eine Runde durch die Gassen der Altstadt, wo sie jedoch bald von Dutzenden von israelischen SoldatInnen blockiert wurden. Alle Versuche, den SoldatInnen das Diskriminierende an ihrem Verhalten, eine Stunde zuvor eine Demonstration von Siedlern zu erlauben und zu schützen, zu erklären, wurden zurückgewiesen. Um weitere Aggressionen und Gewalt von Seiten der Armee sowie um Verhaftungen zu verhindern, wurde die Demonstration für beendet erklärt.

Beit Jala
Am Sonntag, den 6. Juni traf sich eine Gruppe von PalästinenserInnen, Israeli und InternationalistInnen, um gegen den Bau der Mauer in Beit Jala zu demonstrieren. Diese Woche gedachten die DemonstrantInnen der getöteten AktivistInnen von der „Free Gaza!“-Flotte und trugen Scheinsärge und Fahnen verschiedener Nationen. Die DemonstrantInnen schafften es, die israelischen SoldatInnen durch eine neue Demo-Route zu überraschen. Nachdem sie kurz gestoppt wurden, gelangten sie dennoch zu den Bulldozern, die gerade nur wenige Meter von palästinensischen Häusern entfernt arbeiteten. Sobald die DemonstrantInnen die Bulldozer erreichten, feuerten die israelischen SoldatInnen Tränengasgranaten direkt auf sie. Anschließend stießen die SoldatInnen die DemonstrantInnen brutal zurück zur Straße. Ein israelischer Aktivist wurde verhaftet.

Quelle: Anarchists against the wall, 7.6.2010, http://www.awalls.org/

Interessante Links…

Anarchists against the wall
http://www.awalls.org/
Berichte, Fotos und Videos von Demos und Aktionen inkl. Spendenaufruf!

AnarchistInnen gegen die Mauer (Israel)
http://www.gegendiemauer.info.ms/
Übersetzte Berichte der Anarchists über die Freitagsdemos und andere Aktionen

Popular Struggle
http://popularstruggle.org/
Aktuelle Nachrichten und Berichte über den Widerstand in den besetzten Gebieten

Activestills – Foto-Kollektiv von AktivistInnen
http://activestills.org/
Fotos und Ausstellungen über die Besatzung

Ta’ayush = „Gemeinsam leben“
http://taayush.org/
Israelisch-Palästinensische Solidaritätsarbeit

Breaking The Silence
http://www.breakingthesilence.org.il/index_e.asp
Israelische SoldatInnen brechen das Schweigen

Menschenrechtsorganisation B’Tselem
http://btselem.org/
Landkarten und viele andere Infos über die Besatzung

Kibush
http://www.kibush.co.il/
Magazin gegen die Besatzung

Electronic Intifada
http://electronicintifada.net/
Notwendige Ergänzung zu den kommerziellen Mainstream-Medien

International Solidarity Movement – deutscher Zweig
http://www.ism-germany.net/
Solidarität ist machbar, Frau Nachbar!

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