Südafrika |
Montag, den 05. Juli 2010 um 15:24 Uhr |
Die Armen in Südafrika profitieren nicht von der Weltmeisterschaft. Oft wurden Sie sogar aus den Spielorten vertrieben, um die glanzvolle Berichterstattung nicht zu stören. Dass durch die völlig kommerzialisierten Großereignisse im Sport die ohnehin schon Ausgegrenzten noch weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, sei nicht akzeptabel, erklärt deshalb der stellvertretende Landesvorsitzende der NaturFreunde Berlin und Mitglied im Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands, Uwe Hiksch. Denn der Sport müsse den Menschen dienen und dürfe sich nicht den Interessen von Großsponsoren und Profiteuren unterordnen.
»Die Leute, die uns die Weltmeisterschaft verkauft haben, haben uns erzählt, dass sie uns Jobs und ein Ende des Hüttenlebens bringen würde. Sie haben gelogen. Wir haben jetzt weniger Jobs und mehr Baracken als früher. Die Armen haben nichts von dieser Weltmeisterschaft. Wenn sie vorüber sein wird, werden wir immer noch in Hütten und Umsiedlungs-Lagern leben.« Mit diesen klaren Worten hat sich die Bewegung für die Slumbewohner »Abahlali baseMjondolo« aus Südafrika an die internationale Öffentlichkeit gewandt. Die Aussagen machen deutlich, dass mit den schönen Bildern der Fußball-Weltmeisterschaft die Themen Armut und Verdrängung ausgeblendet werden sollen. Denn die Realität vor Ort ist so schön nicht: Mehr als 60 Prozent der Südafrikaner sind jünger als fünfundzwanzig Jahre. Fast 30 Prozent der jungen Menschen in Südafrika sind arbeitslos und ohne Perspektive. Durch das bestehende Schulsystem haben mehr als 65 Prozent aller Jugendlichen keine ausreichende Ausbildung oder sind zum Teil Analphabeten. Mehr als 30 Prozent der jüngeren Menschen in Südafrika sind zudem mit dem HIV-Virus infiziert.
Die Fußballweltmeisterschaft hat die Lebenssituation dieser Menschen in keiner Weise verbessert – sehr oft aber sogar verschlechtert. Während der Planungen der Stadien und Unterkünfte für Sportler und Touristen wurden riesige Areale bisherigen öffentlichen Raums kommerzialisiert. Vertreibungen von Armen aus den Zentren der Fußball-WM gehören zur Tagesordnung. Vor allem Straßenkinder, Arme und Obdachlose werden systematisch vertrieben, da sie die schönen Bilder der WM nicht stören sollen. Viele Südafrikanerinnen und Südafrikaner haben durch diese Vertreibungen ihre bisherige Existenzgrundlage verloren. Alleine durch die Zerstörung des traditionellen Warwick Marktes in Durban wurden Hunderte von Händlerinnen und Händlern arbeitslos.
Die NaturFreunde erwarten von der Internationale Föderation des Verbandsfußballs (FIFA) und den internationalen Sponsoren, dass sie sich aktiv für eine angemessene Entschädigung der zwangsumgesiedelten Menschen einsetzen. Durch die Weltmeisterschaft werden Hunderte Millionen Gewinne gemacht. Es ist mehr als angebracht, dass die Armen nicht auch noch schlechter gestellt werden als vor der WM. Die britische Tageszeitung »The Guardian« schrieb dazu in einer Reportage: »Die Rolle der Armen scheint zu sein, in Hotels, Fußballstadien und anderen Einrichtungen, die den internationalen Besuchern dienen, hart zu arbeiten. Aber nach Feierabend müssen sie die Städte verlassen und bekommen keinen Anteil am Gewinn.«
Zwar wurden den Zwangsumgesiedelten neue Wohnungen versprochen, passiert ist aber häufig nichts. Viele der Betroffenen leben noch immer in sogenannten Transitcamps, in denen es weder genügend sanitäre Anlagen noch einen gesicherten Zugang zu sauberem Wasser und Elektrizität gibt. Durch die Umsiedlung wurde die Armut vieler Bewohner erheblich vergrößert, da die Camps oft weit entfernt von deren Arbeitsstätten liegen. Die NaturFreunde erwarten, dass – nachdem alleine für den Neubau der Stadien in Südafrika mehr als 2,5 Milliarden Euro ausgegeben wurden – auch Geld für die Benachteiligten zur Verfügung gestellt wird, damit diese an ihren Wohnorten mit sauberem Trinkwasser, Elektrizität und sanitären Anlagen versorgt werden können.