5. August 2010
Während über einen großen israelischen Angriff auf den Libanon und/oder Iran spekuliert wird, ähnelt die Situation an dieser heißen Grenze einem Pulverfass.
Ausgangspunkt für das Gefecht, das heftigste seit dem Krieg von 2006, war ein Baum (!). Israelische Soldaten überschritten die Grenze in der Nähe des libanesischen Ortes Adissa, um einen Baum auf der libanesischen Seite abzuschlagen, der einer israelischen Überwachungskamera die Sicht versperrte. Auf Warnungsschüsse libanesischer Soldaten antworteten die Israelis mit massivem Beschuss der libanesischen Stellungen. Die libanesische Armee antwortete auf den Beschuss der israelischen Panzerkanonen mit Artilleriefeuer. Bei der libanesischen Armee gab es drei Tote und vier Verletzte. Auch ein Journalist der linken libanesischen Tageszeitung Al-Akhbar fiel dem israelischen Beschuss zu Opfer. Assaf Georgeus Rahhal eilte zum Ort, um über die Gefechte zu berichten und starb, als sein Auto von einer israelischen Granate getroffen wurde. Die Israelis beklagen zwei Verletzte und einen toten Offizier.
Während Israel die Haltung der libanesischen Armee als eine Provokation betrachtete und beim UNO-Sicherheitsrat eine Beschwerde einreichte, betonte der libanesische Präsident Michel Suleiman, dass er die israelische Aggression verurteilte und die libanesische Armee aufrief, „jeder israelischen Verletzung der Grenze standzuhalten, koste es, was es wolle“.
Am selben Abend betonte Hassan Nasrallah, Generalsekretär der Hizbullah, die Bereitschaft des Widerstands, der Armee beizustehen und „jede Hand abzuhacken, die sich feindlich gegen die libanesische Armee richtet“. Nasrallah sprach in seiner Rede von 10000 israelischen Verletzungen der UNO-Resolution 1701 seit dem Waffenstillstand von 2006.
Ob die israelische Aktion mit den Blauhelmsoldaten tatsächlich koordiniert war, das wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Klar ist jedoch, dass die Reaktion der libanesischen Armee auf diese Verletzung der Staatsgrenze erstmalig und für alle überraschend war. In den jetzigen regionalen Umwälzungen ist dieser Vorfall wie folgt zu lesen:
1. Die UNO-Truppen sind keineswegs neutrale Beobachter. Ihre Aufgabe ist offensichtlich, einseitig für Israels Sicherheit zu sorgen. Schon zwei Wochen zuvor kam es zu Zusammenstößen mit Dorfbewohnern, als UNIFIL-Truppen ohne Koordination mit der libanesischen Armee versuchten, eine Durchsuchung in einem Ort durchzuführen. Die Rolle der UNO-Truppen, die teilweise aus den Fremdenlegionen Italiens und Frankreich bestehen, ist im Falle einer israelischen Aggression fragwürdig.
2. Trotz allen von den USA finanzierten und unterstützten Versuchen, die libanesische Armee gegen den Widerstand und gegen Syrien „umzupolen“, ist die Kampfdoktrin der Armee gleich geblieben. Die Armee sieht den aggressiven Nachbarn Israel als den Hauptfeind und lässt sich nach dem Einmarsch in den Süden bisher nicht gegen den Widerstand instrumentalisieren. Die libanesische Armee agierte diesmal im Sinne des Volksinteresses und der nationalen Souveränität.
3. Die israelische Arroganz beruht auf der Gewohnheit, bis hin zur Selbstverständlichkeit, unbestraft die nationalen Luft-, Wasser- und Landsphären der Nachbarn verletzen zu können. Dass die mickrige libanesische Armee der gefürchteten israelischen Armee die Stirn bietet, damit rechneten die israelischen Generäle nicht.
4. Die israelische Aktion an der Grenze darf nicht als isoliert betrachtet werden. In der Vorbereitung auf den kommenden Krieg kann eine solche Aktion als Test angesehen werden. Es werden weitere israelische Verletzungen kommen, nicht nur um durchzusetzen, wer der Herr im Haus ist. Eine ähnliche israelische Provokation kann zum Ausgangspunkt eines kommenden Libanonkrieg werden.
5. Nur durch Zusammenarbeit zwischen dem Widerstand und dem Staat können israelische Aggressionen und Expansionsversuche zurückgeschlagen werden. Die Versuche, den Widerstand zu entwaffnen und den Südlibanon einseitig zu demilitarisieren, dienen nur Israels Kriegs- und Expansionsplänen.
6. Alle solidarischen Kräfte sind daher aufgerufen, die israelische Daueraggression auf den Libanon zu verurteilen und die Haltung der libanesischen Armee und des Widerstands zu begrüßen. Die europäischen Regierungen sollen aufgefordert werden, die israelische Politik nicht zu unterstützen und Waffenlieferungen an Israel zu stoppen. Die richtige Positionierung der Blauhelmsoldaten wäre südlich der Grenze.
Das Antiimperialistische Lager begrüßt seinerseits die Wachsamkeit und den Mut der libanesischen Soldaten und hofft, dass diese ein Zeichen gesunder Entwicklung im Sinne der nationalen Souveränität.
Antiimperialistische Koordination
4. August 2010