Ich weiß mit wem Du zu Ostern telefoniert hast

Die Dresdner Staatsanwaltschaft geht in die Offensive. Nach den skandalösen Nachrichten der vergangenen Wochen hat sie gestern eingeräumt, dass schon 2009 die Daten zehntausender Menschen die in unmittelbarer Nähe zur Offizierschule des Heeres leben, erfasst und gespeichert worden sind. Damals hatten bisher unbekannte Täter insgesamt 42 Fahrzeuge auf dem Gelände der Offizierschule in Brand gesetzt und einen Schaden in Millionenhöhe verursacht. Etwa fünf Monate nach dem Brandanschlag hatten die Ermittler bei den Telekommunikationsunternehmen auf mehr als eine Million Verkehrsdaten zurückgegriffen aus denen sie 250 Tatverdächtige filterte. Da das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, wurden die so erfassten Daten bis zum heutigen Tag nicht gelöscht.

Der Datenskandal in Sachsen nimmt immer größere Ausmaße an. Am Mittwoch hat die Dresdner Staatsanwaltschaft zugegeben nach dem Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundeswehr vor mehr als zwei Jahren über eine Funkzellenabfrage knapp 1,1 Million Telefonverbindungsdaten ermittelt und ausgewertet zu haben. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Sabine Friedel (SPD) heißt es, dass sich die so gewonnenen Funkzellendaten „auf den Umkreis des Tatortes“ beschränkten, da den Ermittlern zufolge die Möglichkeit bestanden hat, „dass die Täter ihr Vorgehen telefonisch oder durch SMS am Tatort und in dessen unmittelbarer Nähe koordiniert haben“ könnten. Neben dieser großen Anzahl an Funkzellendaten wurden von einem Mobilfunkanbieter unaufgefordert zusätzlich mehr als 80.000 Namen von Anschlussinhabern übermittelt. Aufgrund eigener Ermittlungen will das LKA später ingesamt 250 Bestandsdaten zu potentiell Tatverdächtigen abgefragt haben.

Da bis zum heutigen Tag keiner der mutmaßlichen Täter ermittelt werden konnte, ist davon auszugehen, dass das Landeskriminalamt aktuell über eine Datenbank mit den Bestandsdaten von mehr als 80.000 Personen verfügt. Diese soll jedoch erst dann gelöscht werden, wenn sich ein Fahndungserfolg bei der Suche nach den Tätern einstellt oder aber eine Löschung „technisch möglich“ wird. Im Laufe der Ermittlungen waren 4.000 Zeugen befragt und rund 160.000 Kassenbelege von OBI-Baumärkten überprüft worden.

Im September, also fünf Monate nach dem Brandanschlag, hatten die Ermittler beim dafür zuständigen Amtsrichter eine Funkzellenabfrage beantragt und genehmigt bekommen. Erst im Jahr darauf sollte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung die bis dahin von den Strafverfolgungsbehörden genutzten Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklären. Die aus der Funkzellenabfrage gewonnenen Verkehrsdaten sollen allerdings nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht wie berichtet mit den Kundendaten der Baumarktkette OBI verglichen worden sein. Das hatte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Johannes Lichdi, die Staatsregierung am 15. Juli im Hinblick auf den möglichen Einsatz der so genannten Rasterfahndung gefragt.

Mit ihrem Vorstoß versuchen die Dresdner Ermittlungsbehörden einmal mehr nach Außen Transparenz zu vermitteln und weiteren Enthüllungen zuvor zu kommen. Ob damit die Rufe aus den Reihen der Oppositionsparteien nach einem Untersuchungsausschuss und einem möglichen Rücktritt von Innenminister Markus Ulbig (CDU) weniger werden, bleibt angesichts immer neuer Zahlen zu gespeicherten Bestandsdaten zumindest fraglich. Schon seit Wochen bestimmt die Affäre um gespeicherte Handydaten tausender Bürgerinnen und Bürger die politische Diskussion in Sachsen. Erst vor wenigen Tagen hatte die Staatsregierung die Bestandsdatenabfrage von mehr als 40.000 Menschen durch das LKA einräumen müssen.

Indymedia

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